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Immunhistochemische Untersuchungen mittels S100 und NSE nach Schädel-Hirn-Trauma

1. Hintergrund
Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) stellt eine der häufigsten Todesursachen und Begleitverletzungen bei nichtnatürlichen Todesfällen dar und ist damit Gegenstand der Routine-Untersuchungen in der Rechtsmedizin. Eine Abschätzung der Überlebenszeit (ÜLZ, d.h. der Zeitraum zwischen der Verletzungsentstehung und dem Todeseintritt) ist für die Chronologie eines Tatablaufs und Überprüfung von Zeugenaussagen / Alibiangaben von großer Bedeutung. Primär werden hierfür postmortal pathomorphologische und klassische histologische Befunde herangezogen. Immunhistochemische Untersuchungen haben bisher kaum Eingang in die Überlebenszeitdiagnostik gefunden, könnten aber zur Konkretisierung der bisher gängigen Methoden beitragen.
Häufig untersuchte Proteine im Gehirn sind das S100-Protein (S100) und die Neuronenspezifische Enolase (NSE). Die Spiegel beider Marker werden im klinischen Alltag vielfach zur Abschätzung der Schwere und der Prognose eines SHT im Blut und Liquor gemessen. Immunhistochemisch wurden beide Proteine bisher vor allem auf deren allgemeines Vorhandensein und Verteilung im Zusammenhang mit SHT untersucht. Nur eine Studie beschäftigte sich bisher mit einer möglichen zeitlichen Dynamik.
2. Fragestellungen

Folgende Fragen sollten durch vorliegende Arbeit beantwortet werden:
 Existiert eine Korrelation zwischen dem Anteil positiv auf S100 gefärbter Gliazellen (Astroglia und Oligodendroglia) und der Überlebenszeit?
 Ist eine Korrelation zwischen dem Anteil positiv auf NSE gefärbter Neuronen und der Überlebenszeit möglich?
 Welche lokalisationsspezifische Veränderungen in den untersuchten Hirnregionen (Umgebung der Kontusion, Hippocampus, Kleinhirn) in Bezug auf die Überlebenszeit existieren?
 Gibt es signifikante Unterschiede zwischen Fall- und Kontrollgruppe?

3. Material und Methoden

Für diese Untersuchung wurden Hirngewebeproben aus 57 gerichtlich angeordneten Sektionen verwendet. Davon wiesen 47 ein tödliches SHT und ÜLZ zwischen wenigen Sekunden und 34 Tagen auf. Zehn Fälle mit kardiovaskulären Todesursachen wurden als Kontrolle herangezogen. Die Überlebenszeiten der Fälle mit tödlichem SHT wurden in Übereinstimmung mit bisherigen Studien in folgende Kategorien eingeteilt: Akuter Todeseintritt nach SHT (ÜLZ bis 2 Stunden), subakuter Todeseintritt nach SHT (ÜLZ 2 Stunden bis 4 Tage) und verzögerter Todeseintritt nach SHT (ÜLZ über 4 Tage). Die zur Untersuchung gelangten Proben wurden spätestens 6 Tage nach dem Versterben der Personen entnommen (Mittelwert 2,7 Tage).
In allen Fällen wurde die Umgebung der Kontusion, bei 35 dieser Fälle der Hippocampus und bei 31 der Fälle auch das Kleinhirn untersucht. Die verschiedenen Regionen wurden jeweils gesondert für Rinde und Mark bzw. im Hippocampus für Stratum pyramidale und radiatum beurteilt.
Die immunhistochemische Färbung auf S100 und NSE wurde mit der indirekten Dextran-Polymer-Methode (DakoCytomation), die Gegenfärbung mit Hämatoxylin nach Mayer durchgeführt. Verwendet wurden ein polyklonaler S100-Kaninchen-Antikörper sowie ein monoklonaler NSE-Maus-Antikörper (beide DakoCytomation).
Für die semiquantitative Evaluation wurden gefärbte und ungefärbte Neuronen, Oligodendrozyten sowie Astrozyten in jeweils 20 High Power Fields gezählt. So konnte für jede Region und Zellart ein Prozentsatz positiver Zellen ermittelt werden.
Für die statistische Auswertung wurde SPSS Statistics (Version 21, 2012 IBM) und OpenOffice Calc (Version 3.4.1, 2012 Apache Software Foundation) verwendet, es kamen der Mann-Whitney-Wilcoxon-Test (nicht-parametrisch), die Spearman-Korrelation und die Benjamini-Hochberg-Prozedur zum Einsatz.
Eine Zustimmung zu dem der Promotionsschrift zugrunde liegendem Forschungsvorhaben wurde durch die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig erteilt (Nr. 117-12-23012012).

4. Ergebnisse

Äußere Einflüsse. Es konnte keine Korrelation zwischen dem Anteil positiver Zellen und der Leichenliegezeit (rs= -0.27 bis 0.15, p = 0.1 bis 0.96) oder dem Geschlecht (p = 0.07 bis 0.98) festgestellt werden. Aufgrund des häufigeren Auftretens verzögerter Todeseintritte bei älteren Personen (rs = 0,33, p < 0.05) konnte keine sinnvolle Korrelation zwischen Alter und Zellpositivität durchgeführt werden.
Zellzahlen insgesamt. Zur Qualitätssicherung und zur Vergleichbarkeit mit anderen Studien, wurden die Zellzahlen insgesamt erfasst. Hierbei wurden keine signifikanten Unterschiede in den unterschiedlichen ÜLZ-Kategorien festgestellt. Die Zellzahlen in den SHT-Fällen waren hingegen signifikant niedriger als in den Kontrollfällen.
Unterschiede in den Kategorien der Überlebenszeit. Die Anteile S100-positiver Oligodendrozyten waren in Kontusionsumgebung signifikant niedriger in der Gruppe mit subakutem Todeseintritt als in der Gruppe mit akutem Todeseintritt (p < 0,05) sowie der Kontrollgruppe (p < 0,05). Im Hippocampus waren die Anteile S100-positiv gefärbter Oligodendrozyten in der Gruppe der akuten sowie subakuten Todeseintritte niedriger als in der Kontrollgruppe (jeweils p < 0,05).
Im Vergleich mit der Kontrollgruppe waren die Anteile NSE-positiver Neuronen sowohl im Hippocampus als auch in der Kontusionsumgebung in der Gruppe der akuten Todeseintritte (jeweils p < 0,05) höher. Die Anteile NSE-positiver Neuronen im Hippocampus sanken in der Gruppe der subakuten im Vergleich zur Gruppe der akuten Todeseintritte ab (p < 0,05).
Astrozyten zeigten bei dieser Studie keine signifikanten Unterschiede in ihrem Färbeverhalten in Bezug auf die ÜLZ.
Überraschenderweise zeigten sich in den Gruppen mit subakutem und verzögertem Todeseintritt auch S100-positive Neuronen im Hippocampus und der Kontusionsumgebung. Diese Beobachtung konnte in der Akutphase nach Traumatisierung und in der Kontrollgruppe nicht gemacht werden.
Im Hippocampus war eher eine diffuse neuroplasmatische, in der Kontusionsumgebung eine eher juxtanukleäre Färbung zu finden. In beiden Regionen war die Verteilung der S100-positiven Neuronen unsystematisch oft in räumlicher Nähe zu S100-positiven Gliazellen zu finden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-189289
Date27 November 2015
CreatorsKrohn, Michael
ContributorsUniversität Leipzig,, Prof. Dr. med. Christoph Müller, PD Dr. med. Michael Bernhard
PublisherUniversitätsbibliothek Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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