Beim Lesen der Werke Else Lasker-Schuelers wurde meine Aufmerksamkeit nach kttr-zerer Zeit auf die standige Wiederholung des Wortes spielen oder Spiel gelenkt, ein Gedanke der mich bis dahin in meinem Literaturstudium kaum beschaftigt hatte, noch mir besonders aufgefalien war. Auffallend war mir weiter, dass bei den zahlreichen Arbeiten, die uber diese Dichterin in den letzten Jahren geschrieben wurden, das Spielelement in ihrem Leben und in ihrer Dichtung wohl bemerkt, aber nicht weiter beachtet wurde. Nicht einmal Karl Krolow, der in Aspekte zeitgenfls- sischer deutscher Lyrik. auf die wichtige Rolle hinweist, die das Spiel in der Dichtung ubernimmt, erwahnt diese Lyrikerin des zwanzigsten Jahrhunderts.
Me Dichtung Else Lasker-Schuelers, die Lyrik wie auch die Prosajwird zum Spiel. Im Spiel kann sie ihre Kindlichkeit bewahren und Kindsein heisst ftlr sie unver-dorben und vor alien Dingen, gltlcklich sein. Das alltagliche Leben mit seinen Beschwerden, seinen Leiden und Beschrankungen tritt in den Hintergrund und kann eine zeitlang vflllig vergessen werden. Ihre Hoffnungen, die in der Wirklichkeit hie erftlllt werden konnen, finden im Spiel, in einer Art Marchen, ihre Erfullung. Das Spiel bietet ein sorgenfreies Leben, Prieden und Ordnung mitten im Chaos hier auf Erden.
Auch ihr Glaube, ihre Gottessuche— Else Lasker-Schueler blieb ihr ganzes Leben lang eine ernste Sucherin— wird vom Spiel begleitet und durch das Spiel ver-starkt. Oefters geschieht es jedoch, dass Zweifel ihren Glauben erschtlttern, und in solchen Augenblicken scheint es, als ob sie das Spielen verlernt habe.
In ihrer Gottessuche wird sie dadurch bestarkt, dass sie glaubt, die ganze Na-tur, ja die ganze.SchHpfung bete Gott spielend an und verkunde auf diese Art und Weise das Lob des Schttpfers. Die Baume im Walde spielen ein "Schopfungsspiel". Die Kieselsteine am Wege, die Muscheln am Strand sieht die Dichterin als Spielzeug an.
Bringt die Fahigkeit zum Spiel im Leben der Dichterin meistens Heilung von Kummer und Sorgen, so kann es aber auch geschehen, dass das Spiel eine nieder-drttckende Auswirkung hat. Dieser letzteren Tatsache ist sich die Dichterin be-wusst, wenn sie mit der Liebe spielt. In solchen Fallen wird sie ironisch und oft auch spOttisch.
Eine besondere Form im Spielgebiet der Dichterin nimmt das Maskenspiel an, Es ist zum Teil ein Versteckspiel, ein sich verstecken hinter Figuren, wie der Prinz von Theben oder Jussuf von Bagdad. Dieses Spiel hebt die Dichterin aus der Wirklichkeit hinaus und versetzt sie in ein schOnes Traumland. In dieser BetStigung kommt ihr die rege. Phantasie zu Hilfe, die unermtldlich neue Masken erschafft.
Je filter die Dichterin wird, desto After kommen Zeitabschnitte, wo ihr Spieleifer und ihre Spielfahigkeit versagen, Besonders nach dem Tode ihres Sohnes ist die Dichterin des Spiels kaum noch fahig, da das Leben etwas in ihr zer-stflrt zu haben scheint, Wohl glaubt sie noch im hohen Alter an die heilende Macht, die das Spiel im Leben des Menschen austlbt, sie selbst kann aber nicht mehr so recht spielen.
Man kann wohl sagen, dass das Spiel im Leben Else Lasker-Schuelers stets die Rolle ubernimmt, als Marchen, als Maske, als Gleichnis, sie vor der Willkttr des Lebens und harten Schicksalschlagen zu schtltzen und vor der Verzweiflung zu bewahren. / Arts, Faculty of / Central Eastern Northern European Studies, Department of / Graduate
Identifer | oai:union.ndltd.org:UBC/oai:circle.library.ubc.ca:2429/37226 |
Date | January 1966 |
Creators | Plett, Emma |
Publisher | University of British Columbia |
Source Sets | University of British Columbia |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | Text, Thesis/Dissertation |
Rights | For non-commercial purposes only, such as research, private study and education. Additional conditions apply, see Terms of Use https://open.library.ubc.ca/terms_of_use. |
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