Theoretischer Hintergrund: Laut epidemiologischen Studien entwickeln Frauen häufiger eine Körperbildstörung als Männer, daher ist es besonders relevant, die auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren dieser Störung an weiblichen Stichproben zu erforschen. Kognitiv-behaviorale Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Körperbild-störungen nehmen an, dass das körperbezogene Kontrollverhalten (englisch: Body Checking), mediale Einflüsse und sportbezogene Einflüsse auf die Einstellungen bezüglich des eigenen Körpers einwirken. Allerdings sind zum einen viele der Annahmen der kognitiv-behavioralen Modelle bislang nicht hinlänglich belegt, zum Beispiel untersuchten nur wenige Studien den zeitlichen Verlauf von negativen Emotionen während einer Body Checking Episode. Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen Body Checking und Emotionen ist von hoher Relevanz, da Body Checking als aufrechterhaltender Mechanismus für Essstörungen gilt. In den ersten beiden Studien der vorliegenden Dissertation wurde daher der Verlauf des Ausmaßes an negativen Emotionen und Arousal (Emotionsdimension: entspannt versus erregt) während des Checkings von gemochten versus nicht-gemochten Körperpartien erhoben.
Zum anderen bestehen die meisten Stichproben in Studien zu Zusammenhängen zwischen Körperbild und Religiosität mehrheitlich aus christlichen Teilnehmerinnen. Vor dem Hintergrund, dass die Anzahl von muslimischen Frauen weltweit zunimmt, scheint es relevant, in Studien zum Körperbild vermehrt muslimische Frauen miteinzubeziehen. Die dritte Studie erforschte daher Unterschiede im Körperbild von muslimischen, christlichen und atheistischen Frauen und untersuchte außerdem den postulierten negativen Einfluss von Schlankheit betonenden Medien auf das Körperbild. Darüber hinaus wurden in der vierten Studie das sportliche Engagement sowie sportbezogene Einflüsse auf das Körperbild von muslimischen, christlichen und atheistischen Frauen erforscht; das Augenmerk lag hierbei auf dem Streben nach einem definierten und muskulösen Körper. Methode: Die vorliegende Dissertation besteht aus vier separaten Studien und Stichproben. In Studie 1 wurde mithilfe eines web-basierten Designs das Ausmaß an negativen Emotionen und Arousal vor und während sowie unmittelbar und 15 Minuten nach einer Body Checking Episode erfasst. Hierbei wurde zwischen dem Checking von gemochten versus nicht-gemochten Körperpartien und zwischen normalgewichtigen Frauen mit hohen (n = 179) versus niedrigen (n = 176) Figur- und Gewichtssorgen unterschieden. Da Studie 2 eine Replikationsstudie von Studie 1 ist, wurde dort dieselbe Fragestellung an Frauen mit hohen (n = 63) versus niedrigen (n = 62) Figur- und Gewichtssorgen untersucht. Die Teilnehmerinnen waren jedoch nicht alle normalgewichtig. In Studie 3 wurde durch eine Online-Fragebogenbatterie zuerst das Trait-Körperbild von sich bedeckenden muslimischen (n = 67), christlichen (n = 90) und atheistischen Frauen (n = 74) erfasst. In einem separaten Laborexperiment wurden zunächst das State-Körperbild sowie die aktuelle Stimmung der Teilnehmerinnen erhoben. Danach wurden ihnen entweder Fotos von dünnen und attraktiven Models oder von Möbeln präsentiert. Abschließend erfolgte erneut eine Messung des State-Körperbildes und der aktuellen Emotionen. In Studie 4 wurden mithilfe eines „paper-and-pencil“-Fragebogens die sportliche Aktivität, körperliche Wertschätzung, das Selbstwertgefühl sowie das Streben nach einem definierten und muskulösen Körper von sich bedeckenden muslimischen (n = 70), sich nicht bedeckenden muslimischen (n = 50), christlichen (n = 79), und atheistischen (n = 68) Frauen ermittelt.
Ergebnisse: In Studie 1 zeigte sich, dass die negativen Emotionen 15 Minuten nach dem Body Checking von gemochten und nicht-gemochten Körperpartien geringer waren als vor dem Body Checking. Das Ausmaß an Arousal stieg in beiden Bedingungen zunächst an, nahm dann allerdings rapide ab und normalisierte sich wieder. Frauen mit hohen im Vergleich zu Frauen mit niedrigen Figur- und Gewichtssorgen berichteten zu allen vier Messpunkten ein stärkeres Arousal. In Studie 2 zeigte sich ebenfalls, dass das Level an Arousal in beiden Bedingungen kurz anstieg, sich jedoch anschließend normalisierte. Zudem wurden auch hier höhere Level an Arousal bei Frauen mit hohen im Vergleich zu Frauen mit niedrigen Figur- und Gewichtssorgen gefunden. Das Ausmaß negativer Emotionen war jedoch nur bei Frauen mit niedrigen Figur- und Gewichtssorgen 15 Minuten nach dem Body Checking von nicht-gemochten Körperpartien geringer als vor dem Body Checking. Gemäß den Ergebnissen von Studie 3 zeigten muslimische Frauen im Vergleich zu christlichen Frauen und atheistischen Frauen geringere Ausprägungen in der Internalisierung des Schlankheitsideals, des Schlankheitsdrucks sowie von aussehensbezogenen Vergleichen. Über die drei Gruppen hinweg verschlechterte sich das State-Körperbild nach der Exposition gegenüber den Models, während es in der Kontroll-Bedingung konstant blieb. Studie 4 ergab, dass muslimische Frauen im Vergleich zu christlichen Frauen und atheistischen Frauen weniger sportlich aktiv sind und ein geringeres Streben nach einem definierten Körper aufweisen. Sich bedeckende muslimische Frauen berichteten zudem eine höhere Wertschätzung des eigenen Körpers als christliche Frauen und atheistische Frauen. Hinsichtlich des Selbstwertgefühls sowie des Strebens nach Muskulosität fanden sich hingegen keine Gruppenunterschiede.
Diskussion: Die Ergebnisse der ersten beiden Studien bestätigten die in den kognitiv-behavioralen Theorien angenommenen divergierenden kognitiv-affektiven Prozesse bezüglich des Verlaufs negativer Emotionen und Arousal während des Body Checkings. Zudem unterscheiden sich die Effekte des Body Checkings auf negative Emotionen anscheinend in Abhängigkeit davon, ob gemochte oder nicht-gemochte Körperpartien gecheckt werden.
Die Ergebnisse der Studien zum Körperbild von muslimischen Frauen legen im Einklang mit bisherigen Befunden nahe, dass sich bedeckende muslimische Frauen ein positiveres Körperbild haben als sich nicht bedeckende muslimische Frauen, christliche Frauen und atheistische Frauen. Darüber hinaus verdeutlicht der Befund, dass muslimische Frauen ein geringeres Streben nach einem definierten Körper haben als christliche Frauen und atheistische Frauen, wie relevant die Bereiche Religiosität und kultureller Hintergrund für die Internalisierung von Körperidealen sind.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-osnabrueck.de/oai:repositorium.ub.uni-osnabrueck.de:urn:nbn:de:gbv:700-202012183949 |
Date | 18 December 2020 |
Creators | Wilhelm, Leonie |
Contributors | Prof. Dr. Silja Vocks, Prof. Dr. Karsten Müller |
Source Sets | Universität Osnabrück |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf, application/zip |
Rights | Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany, http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/ |
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