Im Jahr 2021 befanden sich knapp 40.000 Brückenbauwerke im Netz der Bundesfernstraßen. Mit 86 % der Gesamtbauwerksfläche wurden Stahlbeton- beziehungsweise Spannbetonbrücken am häufigsten aus-geführt. Ein hoher Prozentsatz dieser Bauwerke entstand im Zeitraum von 1960 bis 1980. Die avisierte Nutzungsdauer dieser Brücken von 100 Jahren wird oftmals nicht erreicht, sodass die tragenden Struktu-ren im Schnitt nach 75 Jahren ersetzt werden müssen. Erste größere Reparaturen sind bereits nach 40 Jahren notwendig. Diese Faktoren führen dazu, dass die Baulastträger kurz- und mittelfristig eine Viel-zahl an Ersatzneubauten zu bewältigen haben. Jede Baumaßnahme im Zuge der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere an essenziellen Strukturen wie Bücken, bedeutet einen Eingriff in den Verkehr und ist oft gleichbedeutend mit langen Stauzeiten.
Mit dem Ziel, die Bauzeit zu verkürzen, gewinnt die Fertigteilbauweise an Bedeutung. Dabei kann ihr volles Potenzial entfaltet werden, wenn gänzlich auf Ortbeton verzichtet und der Vorfertigungsgrad auf annähernd 100 % maximiert wird. Das bietet neben der Bauzeitreduzierung auch die Vorteile einer hohen Fertigungsqualität, einem geringeren Material- und Personalaufwand auf der Baustelle sowie flexibleren Tragstrukturen. Eine Möglichkeit, um Bauteile kraftschlüssig und dennoch reversibel zu fügen, ist das trockene Verspannen mittels verbundlosen Spanngliedern. Die Drucknormalkraft aktiviert die Oberflä-chenreibung in den Kontaktfugen und verhindert das Auseinandergleiten der Module. Aufgrund der ho-hen Skalierbarkeit in der Fertigung durch immer wiederkehrende Bauteilgeometrien sind neben Brücken auch Windenergieanlagen ein relevanter Markt.
Beide Bauwerksgruppen unterliegen vorwiegend nichtruhenden Belastungen, welche ermüdungsrele-vante Beanspruchungen im Kontaktbereich zwischen einzelnen Betonfertigteilen hervorrufen. Es ist not-wendig, die Beanspruchungscharakteristika sowie deren Auswirkungen auf die Kontaktoberflächen und die Betonmatrix im Fugennahbereich zu erforschen. Nur so können dauerhafte, ermüdungsresistente und sichere Bauwerke errichtet werden. Eine Betrachtung der Kontaktflächen ausschließlich auf der Bauteil-ebene ist unzureichend. Vielmehr spielen alle Gestaltabweichungen von der Bauteil- bis zur Mikroebene eine Rolle.
Im Rahmen der Dissertation werden zunächst die kontaktmechanischen Grundlagen eruiert und auf den Beton übertragen. Gleichzeitig werden existierende Werkstoffmodelle recherchiert, um die nichtlinearen Eigenschaften des Kompositwerkstoffes zu beschreiben, die eigenen Versuche numerisch zu begleiten sowie deren Aussagekraft zu erweitern. Neben den phänomenologischen Daten steht die hochauflösende Kontaktflächendigitalisierung im Mittelpunkt der Untersuchungen. Durch vergleichende Betrachtungen vor und nach den Ermüdungsversuchen können Aussagen zur Oberflächen- und Materialdegradation ge-troffen werden. Weiterhin werden die digitalen Zwillinge einer randomisierten Finite-Elemente-Analyse zugeführt.
Die eigenen Untersuchungen zeigen, dass zyklische Belastungen sowohl einen Einfluss auf den Coulombschen Haftreibungsbeiwert als auch die Kontaktsteifigkeit haben. Beide Parameter nehmen mit steigender Lastwechselzahl zu. Darüber hinaus weisen selbst sehr glatte Betonoberflächen eine relevante Welligkeit auf, die einen vollflächigen Kontakt verhindert. Daraus ergibt sich eine ungleichmäßige Kraft-übertragung, die in der Bemessung zu berücksichtigen ist.:1. Einleitung
1.1 Motivation und Zielstellung
1.2 Vorgehensweise
2. Vom Fertigteilbau zum modularen Bauen
2.1 Vorteile und Anwendungsgebiete
2.2 Artverwandte Brückenbauweisen
2.2.1 Querorientierte Bauteilfugen – Segmentbauweisen
2.2.2 Längsorientierte Bauteilfugen – Balkenreihen
2.3 Grundlagen der Mechanik von zyklisch beanspruchten Trockenfugen
3. Stand des Wissens zum Beton – Statische Eigenschaften, Ermüdung und Materialmodelle
3.1 Aufbau des Betons und einaxiale Materialeigenschaften
3.2 Ermüdung von Beton unter Druckschwellbeanspruchung
3.3 Beschreibung von Plastizität und Schädigung mit Hilfe der FEM
3.3.1 Grundlagen der Kontinuumsmechanik und Kinematik
3.3.2 Plastizität und Schädigung
3.3.3 Microplane-Theorie – Kopplung von Schädigung und Plastizität
3.4 Energetisches Modell zur Schädigungsevolution nach Pfanner
3.4.1 Definition der Arbeitslinie nach Pölling
3.4.2 Grundannahmen und Energiebilanz
3.4.3 Ermüdungsschädigung
4. Stand des Wissens zur Kontaktmechanik von Betonoberflächen
4.1 Allgemeines
4.2 Kontaktmodelle
4.2.1 Elastischer Kontakt
4.2.2 Plastischer Kontakt
4.2.3 Beton-Beton-Kontakt
4.3 Rauheit der Oberfläche
4.3.1 Mathematische Modelle zur Oberflächengenerierung
4.3.2 Messung und Digitalisierung realer Oberflächen
4.3.3 Oberflächenparameter
4.3.4 Erkenntnisse zu Oberflächenparametern von Beton
4.4 Kontaktfläche und Reibbeiwerte
4.4.1 Coulombsches Gesetz und relevante Einflussparameter
4.4.2 Haftreibungsbeiwerte von Beton – eine Literaturrecherche
4.4.3 Erkenntnisse zum Einfluss zyklischer Beanspruchung auf den Haftreibungsbeiwert
5. Normative Regelungen für vorgespannte Trockenfugen
5.1 Aktueller Stand
5.1.1 Normenüberblick und Fokus der vorliegenden Arbeit
5.1.2 Schertragfähigkeit der Fuge
5.1.3 Zusammenstellung der Nachweise im GZT und GZG
5.2 Fertigungstoleranzen und deren Relevanz bei Trockenfugen
5.3 Ableitung untersuchungsrelevanter Parameter
6. Eigene Untersuchungen
6.1 Experimentelles Untersuchungsprogramm
6.2 Numerische Simulation zur Bestimmung der Beanspruchungsgrößen
6.3 Experimentelle Untersuchungen – Versuchsregime 1
6.3.1 Gleiten vorgespannter Fugen unter zyklischer Belastung
6.3.2 Ermüdungsbedingte Stauchung in der Druckzone
6.3.3 Entwicklung des Haftreibungsbeiwertes bei zwischenzeitlicher Demontage
6.4 Experimentelle Untersuchungen – Versuchsregime 2
6.5 Auswertung der Streifenlichtscans
6.5.1 Vorbereitung der Rohdaten
6.5.2 Beurteilung der Rauheitsprofile anhand der Paramter Rp, Rv, Rz und W
6.5.3 Power-Spectral-Density-Analyse der Primärprofile
6.5.4 z-Ordinatenverteilung der Primärflächen vor und nach der zyklischen Last
6.6 Mikroskopie an Proben aus der Kontaktzone
6.7 Einordnung der experimentellen Untersuchungen
6.7.1 Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse aus Versuchsregime 1
6.7.2 Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse aus Versuchsregime 2
6.8 Betrachtungen zur statischen und zyklischen Festigkeit hinter Trockenfugen
6.8.1 Verknüpfung von Experiment, Numerik und Probabilistik
6.8.2 Ermittlung der Spannungserhöhungsfaktoren
6.8.3 Semiprobabilistische Untersuchung
6.8.4 Verifikation anhand statischer Zylinderdruckversuche mit und ohne Fuge
6.9 Untersuchung zur Querverteilung in modularen Überbauten
6.9.1 Allgemeines, Konzept und FE-Modell
6.9.2 Ergebnisse zur Querverteilung
7. Ergebnisdiskussion und Ingenieurmodelle
7.1 Vorschlag eines ganzheitlichen Ordnungssystems der Gestaltabweichungen
7.2 Verständnis der Kontaktmechanik in zyklisch beanspruchten Trockenfugen
7.3 Anpassungsvorschläge für bestehende Bemessungsansätze
7.3.1 Scherfestigkeit statisch und zyklisch beanspruchter Trockenfugen
7.3.2 Spannungsbasierte Nachweise im GZT und GZG
7.3.3 Spannkraftverluste infolge Setzungen im Kontaktbereich
7.3.4 Grenzwertempfehlungen für das Fugenklaffen im GZG und GZT
7.4 Anwendungsbeispiel I – Pilotbrücke Malschwitz
7.5 Anwendungsbeispiel II – Modulares Straßenbrückensystem
8. Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang 1 – Messergebnisse
Anhang 2 – Ergebnisse der Oberflächenscans
Anhang 3 – Zwischenergebnisse der probabilistischen Untersuchung
Anhang 4 – Fugenstatik des modularen Straßenbrückensystems
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:88994 |
Date | 14 February 2024 |
Creators | Schaarschmidt, David |
Contributors | Curbach, Manfred, Flederer, Holger, Feix, Jürgen, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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