Als Reaktion auf die fortschreitende, anthropogen bedingte Veränderung und Zerstörung der Ökosysteme fand 1992 die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. Die Konferenz markiert aus heutiger Sicht einen Startpunkt multilateraler Umweltschutzbemühungen, da offiziell formuliert wurde, dass die lokal auftretenden Umweltprobleme durch globale Veränderungen hervorgerufen werden und nur durch gemeinsame Bemühungen auf internationaler Ebene zu bewältigen sind. Ergebnis dieser Konferenz war die Verabschiedung verschiedener internationaler Abkommen zum Umweltschutz. Wälder spielen dabei in ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher und als terrestrischer Lebensraum mit der höchsten Artenvielfalt eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund stellen sich für die Waldinventur neue Aufgaben, sowohl bezüglich der zu erfassenden Zielgrößen als auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen, da die erhobenen Informationen nicht mehr nur auf Betriebsebene für die Planung der Bewirtschaftung verwendet werden, sondern auch für die Erfüllung der internationalen Berichtspflichten. Als zentrale Größe des Waldmonitorings muss die Waldfläche gesehen werden, da sie die Grundlage für die meisten Berechnungen ist. Daneben wird die Waldfragmentierung, also die Form und räumliche Verteilung der Waldflächen, häufig als Indikator für die Biodiversität diskutiert.
Die fernerkundliche Erfassung der Waldfläche und die Beschreibung der Waldfragmentierung mit Landschaftsstrukturmaßen (LSM) im Kontext der internationalen Umweltabkommen ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Zielsetzung ist es, kritische methodische und technische Aspekte, welche die Schätzung der Waldfläche und die Berechnung der LSM beeinflussen, zu identifizieren und ihre Wirkungen zu analysieren.
Anhand einer Literaturrecherche wurden zunächst vier kritische Faktoren identifiziert: i) die Walddefinition, ii) die Waldranddefinition, iii) der Beobachtungsmaßstab und iv) das Landschaftsmodell, welches für die Berechnung der LSM verwendet wird. Die Effekte und Wechselwirkungen zwischen den vier genannten Faktoren wurden im zweiten Teil der Arbeit auf Grundlage einer Simulationsstudie untersucht. Dafür wurden Kronenkarten und Geländemodelle auf Basis von Gauß'schen Zufallsfeldern in verschiedenen Auflösungstufen simuliert. Durch Variation der Mindestüberschirmung und der Größe der Referenzfläche, auf der die Überschirmung gemessen wird, konnten aus den Kronenkarten Waldkarten mit unterschiedlichen Wald- und Waldranddefinitionen erstellt werden. Zusätzlich wurde der Einfluss des Landschaftsmodells auf die Berechnung der LSM untersucht. Dies geschah mit Hilfe eines neuen Verfahrens, das die Berechnung der LSM im dreidimensionalen Raum ermöglicht. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass alle vier Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Waldflächenkarten haben können. Dabei ergeben sich besonders für die Kronenüberschirmung und die Referenzflächengröße spezifische Wechselwirkungen, die sich teilweise mit einem einfachen geometrischen Waldrandmodell theoretisch erklären lassen. So zeigt sich, dass besonders für Walddefinitionen mit einer Mindestüberschirmung, die stark von 50 % abweicht, die Referenzflächengröße einen erheblichen Einfluss auf die Waldfläche und Fragmentierung hat.
Basierend auf den Ergebnissen der Simulationstudie wurde im 3. Teil der Arbeit ein Klassifikationschschema entwickelt, das es ermöglicht spezifische Kriterien einer Walddefinition in den Auswertungs- und Klassifikationsprozess von Fernerkundungsdaten zu integrieren, um standardisierte Waldkarten zu erstellen. Beispielhafte Grundlage war die Walddefinition der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), die Wald als eine Landnutzungsform beschreibt. Im Gegensatz zu Landbedeckungsformen können Landnutzungsklassen nicht direkt in Fernerkundungsdaten beobachtet werden. Zur Erstellung einer Landnutzungskarte müssen daher neben den Landbedeckungsklassen weitere Kontextinformationen berücksichtigt werden. Dafür wurde in der vorliegenden Arbeit ein hierarchischer Klassifikationsschlüssel entwickelt, der ausgehend von einer Landbedeckungskarte, eine Landnutzungs- und eine Waldkarte generiert. Die benötigten Kontextinformationen werden dabei mit Hilfe von Entscheidungsbäumen, die auf eine fixe Referenzfläche angewendet werden, berücksichtigt. Dieses Verfahren ermöglicht es, Waldkarten zu erstellen, die einer bestimmten vorher festgelegten Walddefinition entsprechen. Insofern kann das Verfahren zur Standardisierung der Waldflächenerfassung beitragen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit die Walddefinition durch Änderung der Kriterien oder der Schwellenwerte flexibel anzupassen, sodass es als wissenschaftliches Werkzeug zur Analyse des Effektes verschiedener Walddefinitionen verwendet werden kann.
Im letzten Teil der Arbeit wurde eine Fallstudie durchgeführt, die untersucht inwieweit sich das entwickelte Verfahren operational für die Waldflächenerfassung einsetzen lässt. Da der Fokus der internationalen Umweltabkommen auf den tropischen Waldgebieten liegt, wurden für die Fallstudie zwei unterschiedliche tropische Waldlandschaften in Costa Rica ausgewählt. Zur Klassifikation der Landbedeckung kamen Satellitenbilder des RapidEye-Systems mit einer räumlichen Auflösung von 5 m zum Einsatz. Für die Klassifikation der Landbedeckung wurde zunächst eine Software entwickelt, welche atmosphärische und topographische Korrekturen, Bildverbesserung, nicht-parametrische Klassifikationsverfahren und den, im dritten Teil der Arbeit entwickelten hierarchischen Klassifikationsansatz für die Erstellung der Landnutzungskarten, implementiert. Die Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass das entwickelte Verfahren geeignet ist, Waldkarten für stark fragmentierte tropische Landschaften zu erstellen. Die Waldkarten entsprechen einer zuvor festgelegten Walddefinition (z. B. FAO), in der die einzelnen Kriterien (u. a. Mindestüberschirmung, Mindestgröße, vorherrschende Landnutzung) während der Klassifikation explizit geprüft werden.
Die vorliegende Arbeit zeigt theoretisch, empirisch und auch in der praktischen Anwendung, dass eine Vielzahl von Faktoren die Erfassung der Waldfläche beeinflusst. Einer der wichtigsten Faktoren ist dabei die Walddefinition. Die übliche Praxis bei der fernerkundlichen Erstellung von Waldkarten, die Klasse "Wald" ohne expliziten Bezug auf geeignete Kriterien direkt auszuweisen, führt zu großen Unsicherheiten bei der Waldflächenschätzung und ist im Rahmen von international verbindlichen Abkommen kaum akzeptabel. Die Entscheidung welche Walddefinition verwendet werden soll, wird in politischen Verhandlungen bestimmt. Aufgabe der Waldinventur muss es dann sein, diese politischen Vorgaben umzusetzen. Die hier vorgestellten Methoden können insofern zur Standardisierung der fernerkundlichen Waldflächenerfassung beitragen, als das sie transparente Entscheidungsregeln implementieren und somit konsistente Waldkarten erzeugen.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-0001-BB90-0 |
Date | 19 April 2013 |
Creators | Magdon, Paul |
Contributors | Kleinn, Christoph Prof. Dr. |
Source Sets | Georg-August-Universität Göttingen |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralThesis |
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