Der Verlust der biologischen Vielfalt stellt eines der größten Umweltprobleme dar. In der 1992 gegründeten Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) koordinieren sich nun die bislang 196 Mitgliedsstaaten in ihrem Bestreben, die Biodiversität zu erhalten. Jedoch wurden die globalen Biodiversitätssziele für 2010 weit verfehlt. Die Analysen des vierten Global Biodiversity Outlook (GBO-4) sowie aktuelle wissenschaftliche, globale Studien zeigen auf, dass bei derzeitigen Entwicklungen auch die in Aichi (Japan) beschlossenen Biodiversitätssziele des Strategischen Planes für die Periode bis 2021 nicht erreicht werden (Tittensor et al. 2014). Sich dieser Entwicklung entgegenzustellen ist eine besonders schwierige Aufgabe für biodiversitätsreiche Länder des globalen Südens, die Umweltschutzziele mit ökonomischen Interessen koordinieren müssen. Peru ist eines der 20 megadiversen Länder der Erde, Mitglied der CBD und verfolgt eine ambitionierte Strategie zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung von Biodiversität. Zum anderen ist Perus ökonomische Entwicklung auf Expansion und Extraktion von natürlichen Ressourcen ausgerichtet. Politische Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt sind somit stets einem starken Interessenkonflikt ausgesetzt. Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel Perus Ansatzpunkte zu identifizieren, mit deren Hilfe die Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt effektiver gestaltet werden kann. Nach einer Einleitung in die Debatte der Effektivität der Biodiversitätspolitik und einer Vorstellung der Fallstudie Peru werden die folgenden wissenschaftlichen Fragestellungen untersucht (die Nummerierung entspricht der jeweiligen Publikation):
1. Welcher Narrative bedienen sich peruanische Biodiversitätsexperten, um das Problem des Biodiversitätsverlustes und ihre Perspektive auf eine nachhaltige Entwicklung zu beschreiben?
2. Wie sind Biodiversitätsnarrative im Verhältnis zur geschichtlichen Entwicklung Perus entstanden und welchen Einfluss hatten diese Bewegungen auf den nationalen Diskurs?
3. Wie bewerten lokale Experten die Auslöser und Effekte des Biodiversitätsverlustes und welche Schlussfolgerungen können daraus für die nationale Politik gezogen werden?
4. Inwieweit ist der Schutz der Biodiversität in die Strategien der nationalen, politischen Sektoren integriert?
5. Welche Bedingungen bei der Landnutzungsplanung in Migrantengemeinden in der Pufferzone des Nationalparks Cordillera Azul ermöglichten die Integration von lokalem und technischem Wissen zur Bildung von adaptiver Kapazität?
Für die Betrachtung des Problems „Biodiversitätsverlust" und der Herausforderung, Naturschutzpolitik effektiver zu gestalten, war eine Verwendung von verschiedenen methodologischen Blickwinkeln notwendig. So wurden 72 semi-strukturierte, qualitative Einzelinterviews mit Experten, die im Bereich der Biodiversitätsschutzes tätig sind, durchgeführt. Durch die Anwendung des theoretischen Samplings wurde sichergestellt, dass möglichst verschiedene Perspektiven und Akteursgruppen repräsentiert werden. Alle interviewten Experten wurden danach befragt, wie sie das Biodiversitätsproblem bewerten, auf welche Auslöser oder Ursachen es zurückzuführen ist und wie mögliche Lösungsansätze aussehen könnten. Unter Anwendung der Grounded Theory konnten dann die fünf Narrativgruppen „Biodiversity Protectionists“, „Biodiversity Capitalists“, „Biodiversity Traditionalists“, „Biodiversity Localists“ and „Biodiversity Pragmatists“ identifiziert werden. Publikation 1 analysiert die Narrativgruppen und diskutiert ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den fünf biodiversitätsrelevanten Kategorien „Konzept von Biodiversität“, „Rolle von Akteuren“, „Werte- und Wissenssysteme und Nachhaltigkeit“ sowie „politische Lösungsstrategien“. Publikation 2 setzt die Narrativgruppen in den historischen Kontext, auf den sie sich aufgrund ihrer Argumentationslinien beziehen.
Für Publikation 3 wurden im Rahmen des partizipativen Prozesses zur Entwicklung einer neuen Biodiversitätsstrategie im Jahre 2012 Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen, von Regionalregierungen entsandten Experten aus Politik, Forschung, Wirtschaft und Naturschutzverbänden durchgeführt. In diesen Fokusgruppen - Diskussionen sollten die Experten die wichtigsten Auslöser und Effekte des Biodiversitätsverlustes in ihrer Region bestimmen. Durch die Anwendung einer qualitativen Inhaltsanalyse wurden diese Auslöser und Effekte charakterisiert und gruppiert. Es wird so ein Kontext des Biodiversitätsverlustes aufgezeigt, anhand dessen sich eine Reihe wichtiger Implikationen für die nationale Biodiversitätspolitik herauskristallisieren.
Die Berücksichtigung dieser Implikationen in den Strategien der nationalen, politischen Sektoren wird in Publikation 4 untersucht. Dem Ansatz der „Environmental Policy Integration“ (EPI) folgend wird hier untersucht, inwieweit nationale, politische, biodiversitätsrelevante Sektoren in Peru das Ziel des Biodiversitätsschutzes in ihre politischen Strategien integrieren. Für die Untersuchung wurden neben den Strategieplänen der einzelnen Sektoren Experteninterviews geführt und weitere Dokumente analysiert, die sich im Zuge der Untersuchung als für die Fragestellung besonders relevant erwiesen.
Für Publikation 5 wurden die Faktoren analysiert, die während der partizipativen Landnutzungsplanung in Migrantengemeinden in der Pufferzone des Nationalparks Cordillera Azul zur Entwicklung von adaptiven Kapazitäten geführt haben. Eine kartographische Analyse von Satellitenbildern half bei der Erhebung der Entwaldungsrate in der Region. Basierend auf qualitativen Interviews mit Gemeindemitgliedern und -vertretern, NGO-Angestellten und den Prozessmoderatoren wurden Faktoren identifiziert, die die erfolgreiche Integration technischen und lokalen Wissens in das Ressourcenmanagement der Gemeinden ermöglichten.
In einer abschließenden Synthese ergeben sich vier Faktoren, die sich, basierend auf den Ergebnissen der induktive Forschungsansätze der Publikationen, als wesentlich für die Effektivität der peruanischen Biodiversitätspolitik ergaben. Diese sind: die Definition von Biodiversitätszielen unter Einbindung verschiedener Wissens- und Wertesysteme, das Operationalisieren von Biodiversitätszielen, die Kapazitätenentwicklung für integrierte Biodiversitätsplanung sowie die Bildung von Sozialkapital für Zusammenarbeit. Abschließend wurde untersucht, inwieweit diese Faktoren in den Aktivitäten des Biodiversitätssektors aufgegriffen werden. Als empirisches Material dienten dazu die Peruanische Biodiversitätsstrategie, qualitative Experteninterviews und Beobachtungen aus der Teilnahme am partizipativen Prozess zur Erstellung der Biodiversitätsstrategie.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-002B-7CFB-2 |
Date | 18 February 2016 |
Creators | Zinngrebe, Yves |
Contributors | Marggraf, Rainer Prof. Dr. |
Source Sets | Georg-August-Universität Göttingen |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralThesis |
Rights | http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ |
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