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The Thorax of Odonata (Insecta) / including remarks on evolution and phylogeny

In meiner Dissertation befasse ich mich mit der Morphologie und der Evolution des
Thorax der Libellen (Odonata). Das Hauptaugenmerk liegt auf der Morphologie der
Muskulatur und auf der Homologisierung der Libellenmuskeln mit einem generalisierten
Grundbauplan der neopteren Insekten (vereinfacht – alle anderen geflügelten Insekten).
Zudem wurden die Skelettelemente der Odonata eingehend behandelt und die
bestehenden Homologiehypothesen wurden erweitert und gestützt. Darüber hinaus habe
ich mich mit der Morphologie, Genetik, Biogeografie und der damit zusammenhängenden
Verwandtschaft sehr seltener asiatischer Libellen (Epiophlebia) auseinander gesetzt.
Letztere Gruppe von asiatischen Libellen nimmt eine Sonderstellung innerhalb der Odonata
ein. Die Gruppe Epiophlebia ist in einem gut begründeten Schwestergruppenverhältnis
mit den Großlibellen positioniert (Epiprocta) und stellt somit die einzige Libellengruppe
dar, die nicht zu den Groß- oder Kleinlibellen gruppiert werden kann. Die vier bekannten
Arten von Epiophlebia sind an einen extremen Lebensraum angepasst. Sie bevorzugen
kalte, schnell fließende Gebirgsbäche in Höhen von 1000-3500 Meter ü. NHN (Stenökie),
sind aber auch an einen solchen Lebensraum gebunden. Die vier Arten kommen räumlich
weit voneinander getrennt (disjunkte Verbreitung) auf dem asiatischen Kontinent vor.
Ihre jeweiligen Verbreitungsgebiete haben heutzutage keinen Überlappungsbereich, was
für eine Artaufspaltung durch räumliche Isolation (Separation) spricht. Daher sind die
genetischen Ergebnisse von drei der vier Arten, die eine hohe Homogenität der einzelnen
DNA Abschnitte (Sequenzen) aufzeigen, sehr überraschend. Diese Ergebnisse führen zu der
Annahme eines biogeographischen Szenarios, welches einen gemeinsamen Lebensraum
von Epiophlebia in der Würm-Eiszeit (vor ungefähr 20.000 Jahren) annimmt. Bei Rückgang
der Eismassen wurde die Epiophlebia-Population durch ihre starke Stenökie in getrennte
Populationen in Glazialrefugien – vereinfacht gesprochen kalt gebliebene Rückzugsgebiete
– zurück gedrängt, in denen sie heute noch vorkommt. Dieser für evolutive Prozesse kurze
Zeitraum kann die genetische Homogenität erklären. Dennoch bleibt die Frage nach dem
Artstatus der vier Epiophlebia-Arten o!en: Sind sie eine einzige Art? Dies würde bedeuten,
dass sie eine voneinander räumlich getrennte Population darstellen. In diesem Fall wäre
die Art Epiophlebia superstes Sélys, 1889. Oder sind sie wirklich vier getrennte Arten, so wie
es der derzeitige Stand der Forschung annimmt. Die Frage nach dem Artstatus konnte
zumindest für eine zweite Art Epiophlebia laidlawi Tillard, 1921 in einer darauf folgenden
morphologischen Studie positiv beantwortet werden, so dass zwei Arten angenommen
werden können.
Eine weitere Studie, die sich aus der genetischen Untersuchung von Epiophlebia ergeben hat,
umfasst eine genetische Sequenz (S4-Region des 28s rRNA Gens), die für ein universelles
Verfahren zur Art-Identifikation bei Insekten geeignet ist. Hierbei wurden die meisten aller
Insektengruppen erfolgreich auf die Art identifiziert. Unsere Untersuchung umfasst 85
Proben aus 65 Insektenarten – mindestens eine Art aus jeder Großgruppe, die früher als
Gattungen geführte wurde. Bei diesem sogenannten Barcoding, also dem Identifizieren
von Arten mit Hilfe einer genetischen Analyse, kommt es häufig zu Schwierigkeiten. Wirhaben gezeigt, dass unser System große Vorteile gegenüber bereits bestehenden Systemen
(z.B. COI) hat. Sie liegen vor allem in der universellen Anwendbarkeit sowie der hohen
Funktionalität, da dieses Analyseverfahren auch bei stark degradierter DNA (z.B. durch
Alterung, Verwitterung oder chemische Beeinflussung verursacht) anwendbar ist.
Die Untersuchungen zum Libellenthorax umfassen zwei Studien über adulte Kleinlibellen
(Zygoptera). Hier wurden in einer Studie sowohl die Skelettelemente als auch die Muskulatur
des Flugapparates untersucht. Eine weitere Studie umfasste die gesamte Muskulatur
des Thorax bei Großlibellennymphen (Anisoptera-). Ziel war es, den wenig untersuchten
Thorax der Zygoptera und der Libellen-Nymphen grundsätzlich besser zu verstehen und
deren morphologische Eigenheiten aufzuzeigen, um diese Daten zu nutzen und um
sie nach homologen Merkmalen zu untersuchen. Für die Analyse wurden traditionelle
morphologische Verfahren, welches das Sezieren der Tiere und darau!olgendes Zeichnen
beinhalten, mit modernen röntgentomographischen Verfahren (SR"CT), inklusive
3D-Rekonstruktion, kombiniert, um ein bestmögliches Ergebnis zu erhalten. Hierbei
wurden insgesamt elf für Libellen bisher unbekannte Muskeln beschrieben.
Mit Hilfe dieser Daten wird das erste vollständige Homologie-Schema zwischen der
Thoraxmuskulatur von Odonata und neopteren Insekten aufgestellt. Weiterhin werden
die bereits aufgestellten Homologien der skelettalen Elemente des Flugapparates
belegt und deutlich erweitert. Hierfür wurden unter anderem die Muskelansatzstellen
als weiteres wichtiges Homologiekriterium erstmalig diskutiert. Die Gesamtheit dieser
Homologiefeststellungen ermöglicht zum ersten Mal den direkten Vergleich von Libellen,
die einen stark abgeleiteten Flugapparat besitzen, mit allen anderen geflügelten Insekten
(Pterygota) vorzunehmen. Somit ist es möglich, Rückschlüsse auf die Evolution und deren
Grundmuster von Libellen einerseits aber auch den gesamten Pterygota andererseits zu
ziehen. Diese Homologien erö!nen neue Vergleichsmöglichkeiten und ein komplett neues
Set an Merkmalen für spätere Verwandtschaftsanalysen der Pterygota. So gibt uns die
Ausbildung eines der wichtigsten Teile des Flügelgelenks, des Subalare, Hinweise auf die
Verwandschaftshypothese der Palaeoptera [Libellen+Eintagsfliegen].
Darüber hinaus war es möglich, einen generalisierten Libellenthorax mit allen derzeit
bekannten Muskeln zu erstellen, was die Arbeit und die Identifikation von Muskeln im
Libellenthorax erheblich vereinfacht und den Zugang zu diesem komplexen Gebiet
deutlich erleichtert. Dieser generalisierte Libellenthorax ist der Ausgangspunkt für ein
hypothetisches Grundmuster der Pterygota und kann tiefe Einblicke in die Entstehung
und Evolution des Flugapparates der Insekten ermöglichen.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-0001-BB76-C
Date14 August 2013
CreatorsBüsse, Sebastian
ContributorsHörnschemeyer, Thomas PD Dr.
Source SetsGeorg-August-Universität Göttingen
LanguageEnglish
Detected LanguageGerman
TypecumulativeThesis

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