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Stress und modellbasiertes Entscheidungsverhalten

Moderne Theorien der Verhaltenskontrolle unterscheiden zwei Systeme, wobei das Handeln gesunder Individuen von beiden geprägt ist: Das retrospektiv agierende habituelle, sog. modellfreie Verhalten zeichnet sich durch Wiederholung zuvor belohnter Entscheidungen aus. Es passt sich nur langsam an möglicherweise veränderte Umweltbedingungen an. Die verstärkte Nutzung des habituellen Systems gilt als assoziiert mit verschiedenen psychischen Erkrankungen. Dem gegenüber steht das zielgerichtete, sog. modellbasierte Verhalten, das sich durch vorausschauende Entscheidungen auszeichnet. Hierbei werden die möglichen Konsequenzen einer Handlung berücksichtigt, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Dazu wird ein „mentales“ Modell der Umwelt- bedingungen erstellt.
In einer Verhaltensstudie mit 39 Versuchspersonen wurde untersucht, ob biopsychologischer Stress zu einer Reduktion von modellbasiertem hin zu mehr modellfreiem Verhalten führt. Dazu absolvierten 39 Versuchspersonen eine sequentielle Entscheidungsaufgabe, nachdem sie psychosozialem Stress ausgesetzt wurden. Subjektive und physiologische Stress-Parameter wurden über das Experiment hinweg wiederholt erhoben. Ein direkter Effekt von akutem Stress auf das Gleichgewicht modellfreien vs. modellbasierten Verhaltens konnte nicht beobachtet werden. Allerdings zeigten diejenigen Versuchspersonen, die in den letzten zwei Jahren eine hohe Anzahl an stressbehafteten Lebensereignissen aufwiesen (chronischer Stress), signifikant weniger modellbasiertes Verhalten nach der Exposition von akutem Stress als in der Kontrollbedingung. Darüber hinaus korrelierte physiologische Stressreaktivität (stressbedingte Cortisol- Ausschüttung) negativ mit modellbasiertem Entscheidungsverhalten, während subjektive Stressreaktivität (basierend auf Fragebögen) positiv mit modellbasiertem Verhalten assoziiert war. Der in der Forschung beschriebene Einfluss von akutem und chronischem Stress auf die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Erkrankungen könnte demnach teilweise über ein solches Ungleichgewicht der beiden Entscheidungsstrategien vermittelt sein.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-225651
Date31 May 2017
CreatorsRadenbach, Christoph
ContributorsChristoph Radenbach, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig, Prof. Dr. Arno Villringer, PD Dr. Florian Schlagenhauf, Prof. Dr. Anette Kersting, Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller
PublisherUniversitätsbibliothek Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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