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Das Internet als erkrankungsbezogene Informationsquelle und soziales Medium für PatientInnen mit psychischen Erkrankungen

Hintergrund:
Das Internet spielt heutzutage in Gesundheitsfragen eine große Rolle. Fast alle Internetnutzer greifen im Zusammenhang mit Erkrankungen auf Onlineangebote zurück, um beispielsweise Informationen über Krankheitsbilder oder Medikamente zu suchen. Speziell für den Bereich seelische Gesundheit verfügt das Internet darüber hinaus noch über weiteres Potential: Mit der Entwicklung von Online-Programmen wurden in den letzten Jahren neue Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen geschaffen. Diese verwenden die multimedialen Möglichkeiten des Internets zu therapeutischen Zwecken und konnten in zahlreichen Studien vielversprechende Ergebnisse zeigen. Für die Nutzung der Programme sind dabei regelmäßiger Internetzugang und Routine im Umgang mit unterschiedlichen Internetfunktionen notwendig - insbesondere mit sozialen Medien.
Ausmaß und Muster der Internetnutzung psychiatrischer Patienten im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung sind jedoch bislang kaum erforscht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das erkrankungsbezogene Internetnutzungsverhalten dieser Patientengruppe zu erfassen und zu analysieren.

Methode:
Patienten aller Stationen und Ambulanzen der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig wurden mit Hilfe eines Fragebogens zu ihrem Internetnutzungsverhalten befragt. Anhand von 29 Items wurden soziodemographische Daten, das allgemeine Internetnutzungsverhalten und die erkrankungsbezogene Internetnutzung (mental-health related Internet use) erfasst. Die Datenanalyse beinhaltete die Bestimmung von Häufigkeiten und Gruppenvergleiche. Hierzu wurde vornehmlich der Chi-Quadrat-Test verwendet.

Ergebnisse:
337 Patienten nahmen an der Studie teil. 79.5% von ihnen waren Internetnutzer und wurden in Abhängigkeit von ihrer wöchentlichen Nutzungsdauer in die Subgruppen Wenig-, Mittel- und Vielnutzer eingeteilt. Soziale Medien wurden von weniger als der Hälfte der Nutzer verwendet: Soziale Netzwerke (47.8%), Foren (19.4%), Chats (18.7%), Blogs (12.3%). 70.9% nutzten das Internet im Kontext ihrer psychischen Erkrankung. Hierbei handelte es sich um folgende Inhalte: Informationen zu psychischen Erkrankungen (57.8%), Informationen zu Medikamenten (43.7%), Suche nach Psychiatern bzw. psychiatrischen Kliniken (38.8%), Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen (19.8%), Nutzung von Foren mit Psychiatern (17.2%).
Unterschiede im Nutzungsmuster zwischen Wenig-, Mittel- und Vielnutzern waren statistisch signifikant für alle Formen sozialer Medien (p<0.01), für die Suche nach Psychiatern und Kliniken (p=0.017) und für die Nutzung von Foren mit Psychiatern (p=0.048).
Die Analyse der Internetnutzung in Abhängigkeit von der psychiatrischen Diagnose zeigte mit einer Ausnahme (Suche nach Psychiatern bzw. psychiatrischen Kliniken) keine statistisch signifikanten Ergebnisse. Die Rolle des Internets im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wurde von den Studienteilnehmern unterschiedlich eingeschätzt: 36.2% waren der Meinung, dass das Internet bei der Bewältigung ihrer psychischen Erkrankungen eine Hilfe war oder sein könnte, während 38.4% das Gegenteil behaupteten. 27.6% der Befragten hatten Interesse an internetbasierten Selbstmanagementprogrammen teilzunehmen.

Schlussfolgerung:
Die Mehrzahl der psychiatrischen Patienten nutzt das Internet. Die Internetnutzung im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen ist verbreitet und dient vor allem der Informationssuche. Soziale Medien werden generell weniger genutzt, hierbei bestehen jedoch signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Nutzergruppen. Die Möglichkeiten des Internets im Zusammenhang mit Krankheitsbewältigung und Selbstmanagement werden von Studienteilnehmern unterschiedlich bewertet. Die psychiatrische Diagnose und die Krankheitsschwere scheinen auf das Internetnutzungsverhalten einen vergleichsweise geringen Einfluss zu haben. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen die Bedeutung des Internets im Kontext psychischer Erkrankungen und könnten bei der weiteren Entwicklung von Internetangeboten für psychisch Erkrankte Berücksichtigung finden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-209196
Date31 August 2016
CreatorsKalckreuth, Sophie
ContributorsUniversität Leipzig, Medizinische Fakultät, PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge, Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl, PD Dr. rer. soc. Stephanie Bauer
PublisherUniversitätsbibliothek Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman, English
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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