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Verteilungswirkungen anreizorientierter Sozialpolitik : das deutsche Rentenversicherungs- und Steuersystem in der Perspektive dynamischer Lebenszyklusmodelle / Distributional Effects of incentive-oriented social security

Drei große Reformenpakete und eine Reihe kleinerer Begleitmaßnahmen prägen das renten¬politische Erbe der rot-grünen Bundesregierung. Einerseits greifen sie Trends in der Reformpolitik seit Beginn der 90er Jahre auf. So verstärkt die Rentenstrukturreform 2001 beispielsweise die rentenrechtliche Anerkennung von Erziehung und Pflege. Eine veränderte Rentenformel wird die Transitionslasten des demographischen Übergangs mittelfristig gleichmäßiger über die Jahrgänge verteilen – durch eine Eindämmung des Beitrags¬satz¬anstiegs auf Kosten eines langsamer wachsenden Rentenniveaus. Die Nachhaltig¬keitsreform 2004 verstärkt diesen Mechanismus auf der Grundlage neuer empirischer Erkenntnisse. Auch der Übergang zur überwiegend nachgelagerten Besteuerung mit dem Alterseinkünftegesetz 2004 wirkt in diese Richtung durch eine wachsende steuerliche Absetz¬barkeit der Alters¬sicherungsbeiträge bei konsekutiver Einbeziehung der Renten in die Besteuerung. Auf der anderen Seite leiten die Reformen nichts Geringeres als einen tief greifenden Paradigmen¬wechsel ein: den langfristigen Übergang eines umlagefinanzierten Pflichtversicherungs¬- zu einem Drei-Säulen-System, in dem Zulagen und Steuerabzugs¬mechanismen Anreize zur freiwilligen Ergänzungsvorsorge in kapitalgedeckten Sicherungs¬instrumenten bilden. Für die wissenschaftliche Gesetzesfolgenabschätzung stellen diese Reformen eine enorme Herausforderung dar. Es ist das Moment der Freiheit, das in jedweder kausalen Welt Verantwortung impliziert, und die politische Folgenabschätzung spannend und schwierig macht. Die ökonomische Fachliteratur hat Mikrosimulationsmodelle als ein leistungsfähiges Analysewerkzeug entwickelt, fiskalische und distributive Konsequenzen "für den Tag danach" sehr detailliert abschätzen zu können – ohne dabei Verhaltensreaktionen zu berücksichtigen. Verhaltensreaktionen hingegen stehen im Mittelpunkt der rasant wachsenden Literatur zu numerischen Gleichgewichtsmodellen. Angesichts begrenzter Rechenressourcen vereinfachen diese Modelle in der Regel die Risikostruktur des ökonomischen Entscheidungsproblems, um sich auf wenige Zustands- und Entscheidungsvariablen beschränken zu können. Sie abstrahieren häufig von Unstetigkeiten in Budgetrestriktionen und konzentrieren sich auf stationäre Zustandstransitionen. Viele dieser Instrumente sind daher wenig geeignet abzuschätzen, wie sich Menschen an eine Reformpolitik anpassen, die lange Übergangs¬pfade vorsieht über mehrdimensionale, zeitinvariate Risikostrukturen, deren imperfekte Korrelationen zu einer risikodiversifizierenden Vorsorgestrategie genutzt werden kann. Das vorliegende Buch stellt ein dynamisch stochastisches Simulationsmodell im partiellen Erwartungsgleichgewicht vor. Sein Ziel ist, Anreize in der komplexen Interaktion der Reformen mit dem umfangreichen Regulierungsrahmen in einer risikoreichen Umwelt zu identifizieren. Die einzelnen Reformen, ihre algorithmische Abbildung in das dynamische Entscheidungsmodell und die partiellen Wirkungsmechanismen sind detailliert erläutert. Eines der Hauptergebnisse zeigt sich überraschender Weise darin, die beobachtbare Zurück¬haltung niedrigerer Einkommensklassen gegenüber den neuen Sicherungs¬instrumenten ohne Rückgriff auf (im ökokomischen Sinne) eingeschränkte Rationalitäten erklären zu können. Das Modell lässt insbesondere in mittleren Lebenseinkommensbereichen hohe Ergänzungs¬versicherungsraten erwarten – trotz der "u"-förmigen Förderquoten in statischer Quer¬schnitts¬betrachtung. Diese auf den ersten Blickt wenig intuitive Eigenschaft des Modells lässt sich im Gesamtkontext des Alterssicherungs- und Steuersystems über den erwarteten Lebenshorizont erklären. Das Simulationsmodell wurde am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT entwickelt und wird gegenwärtig beim Verband der Rentenversicherungsträger (VDR) angewandt. Ein großer Dank gilt der finanziellen Förderung durch das Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) beim VDR. / The German old age security system has seen three major reforms under the red-green govern¬ment, accomplished by a few more minor steps. On the one hand they intensify reform efforts visible since the early 90s. The 2001 reform, for example, continued to strengthen family related subsidies and changed the pension formula in a way that will contribute to a more equal distribution of financial burdens in the demographic transition among generations – by lowering the replacement rate and limiting the growth of contribution rates in the long run. The 2004 sustainability reform intensified that way under new, less favourable future expectations. The 2004 pension tax reform contributes to the same direction by lowering tax burdens of the contributing generations and raising taxes on pension payments in a long lasting transition to a (nearby) complete deferred taxation. On the other hand these reforms introduced nothing less than a deep paradigmatic change: a long run transition from a mandatory PAYG to a three pillar system, where direct subsidies and tax allowances set up incentives to supplement PAYG pensions by voluntary contributions to funded, private or company pensions. These reforms pose an enormous challenge to scientific policy advice. It is the moment of extended freedom – implying extended responsibility in every casual world – that makes estimating consequences of legal reforms exciting and difficult. Economic literature develo¬ped microsimulation models as powerful means to estimating fiscal and distributional consequences of legal reforms in great detail – “at the day after” without taking behavioural reactions into account. Behavioural reactions on the other hand are of main interest in a growing branch of literature that discusses computational equilibrium models. Due to computational limitations these models usually simplify the risk structure of the economic planning problem, reduce state and decision variables, abstract from real world unsteadiness in the budget restriction and concentrate on steady-/stationary state analysis or transitions between such states. Non of these instruments is well suited to estimate how people adapt to a reform policy that exposes them to long run instationary transition paths over a multi dimensional, time varying risk structure in which they can make use of expected imperfections in risk correlations for planning their optimal precautionary strategy. This book presents a stochastic dynamic simulation model in a partial expectation equilibrium, which was developed to identify incentives of the interacting complexity of these reforms embedded in a complicated institutional framework within a risky world. Institutions, their mapping into a computable dynamic decision model and their partial effects on startegic adaption are discussed in great detail. One of the main findings is surprisingly that it can explain restrained use of the new insurance instruments in lower income classes. From a strict “rational” point of view it forecasts high insurance rates especially in the middle income classes – although the one-year subsidy rates show a clear “u”-fashioned matter over gross income. This counterintuitive fact becomes clear taking into account the interactions of the new subsidies with the whole social security and tax system. The model was developed by the Fraunhofer Institute for Applied Information Technology (FIT) and is now run by the German Social Security Administration (VDR). Financial support by the Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) is gratefully acknowledged.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:1388
Date January 2005
CreatorsGrub, Martin
Source SetsUniversity of Würzburg
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoctoralthesis, doc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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