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Beitrag zur Verfahrensentwicklung und Auswertungsverbesserung ausgewählter röntgenographischer Untersuchungsmethoden und Nachweis der Leistungsfähigkeit an geeigneten Werkstoffen

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Erhöhung der Leistungsfähigkeit von speziellen röntgenographischen Verfahren. Röntgenstrahlung ist die Grundlage für eine Vielfalt von werkstoffwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden. Zum einen ermöglicht sie die schnelle und zerstörungsfreie Überprüfung unterschiedlichster Bauteile auf makroskopische Defekte in verschiedenen Varianten der Röntgeninspektion. Auf viel kleinerer Skala erlauben es die Verfahren der Röntgenbeugung und -spektroskopie, Informationen über den kristallinen Aufbau der Werkstoffe zu gewinnen. Die Physikalische Werkstoffdiagnostik verfügt mittlerweile über eine große Bandbreite solcher Techniken. Ein kompendienhafter Gesamtüberblick der Methoden findet sich z. B. sehr praxisnah in [1]. So können Ein- bis Vielkristalle sowie amorphe Stoffe und Bauteile untersucht werden. Bezüglich der Genauigkeit, Geschwindigkeit, Kosten und Flexibilität eines Verfahrens muss ein Anwender aus dieser großen Methodenvielfalt die geeignete Methode für sein spezielles Ziel auswählen. Die Arbeit ist vordergründig auf die Verfahren der Kossel-Mikrobeugung, das Röntgen-Dreh-Schwenk-Verfahren (RDS), die Pseudo-Kossel-Technik, das neuartige Bremsstrahlinterferenzverfahren (BIV) und die Multi-Energie-Röntgeninspektion fokussiert. Eines der genauesten Verfahren zur Untersuchung von Einkristallen und grobkristallinen Vielkristallen ist die Kossel-Technik. Aus einer monochromatischen Strahlungsquelle, welche im Kristallgitter selbst liegt ('Gitterquelleninterferenz'), werden kegelschnittförmige Interferenzmuster auf einem Detektor abgebildet. Bei einer lateralen Auflösung von ca. einem Mikrometer sind daraus Präzisionsgitterkonstanten mit relativen Fehlern von bis zu 10−6 bestimmbar. Dies ermöglicht auch die Berechnung von Eigenspannungen mit hoher Genauigkeit. Das Kossel-Verfahren besitzt aber auch einige Nachteile, welche den Einsatz in der Praxis erschweren. So sind die Nutzkontraste insbesondere bei der Elektronenstrahlanregung sehr gering (Bremsstrahlung!), was die Erkennung der Reflexe schwierig macht. Aus diesem Grund befindet sich die (halb-) automatische Liniendetektion aktuell nur in der Anfangsphase, wodurch die Auswertung von Kossel-Aufnahmen arbeitsaufwendig und langsam ist. Bei den bisher entwickelten Ansätzen zur Berechnung von Gitterparametern und Eigenspannungen aus Kossel-Aufnahmen muss zudem der Abstand zwischen Probe und Detektor ausgemessen werden. Die dabei entstehenden Fehler stellen die entscheidende Grenze für die Genauigkeit des Verfahrens dar. Auf der Suche nach einer alternativen Herangehensweise wurden in der Arbeitsgruppe für Physikalische Werkstoffdiagnostik des IfWW der TUD die mathematischen Fokalkurven nach rund 60 Jahren der weltweiten Nichtbeachtung wiederentdeckt. Diese sollten es ermöglichen, den Zusammenhang zwischen der Gesamtheit der Beugungsreflexe und dem Kristall aus einer einzigen Aufnahme heraus herzustellen. In der vorliegende Arbeit soll zur Nutzung der Fokalkurven ein neuer Auswertungsansatz entwickelt werden. Die Anforderung an diese Herangehensweise ist es zudem, Gitterparameter, Orientierungen und Eigenspannungen mit hoher Genauigkeit sowie Präzision ermitteln zu können, auch wenn die Kontrastverhältnisse in den Aufnahmen niedrig sind. Neben der Kombination aus Werkstoffwissenschaft, Kristallographie und Geometrie ist daher auch eine geeignete Bildverarbeitung oder Reflexsuche nötig. Eng verwandt mit der Kossel-Technik ist das Röntgen-Dreh-Schwenk-Verfahren (RDS) [2]. Es entstehen ebenfalls kegelschnittförmige Reflexe auf dem Detektor, welche aufgrund der Röntgenanregung deutlich bessere Kontrastverhältnisse aufweisen. Neue Auswertungsmethoden für die Kossel-Technik sollten sich also direkt und ohne Anpassungen auf RDS übertragen lassen. Die zur Bestätigung notwendigen Tests sind auch ein Bestandteil dieser Arbeit. Große Ähnlichkeit zum Kossel-Verfahren besitzt die Pseudo-Kossel-Technik. Die Strahlungsquelle befindet sich hierbei aber nicht im Kristall, sondern über der Kristalloberfläche. Dadurch entstehen zusätzliche Einstellmöglichkeiten für den Anwender, was bspw. deutlich bessere Kontrastverhältnisse bei theoretisch vergleichbarer Genauigkeit im Vergleich zur Kossel-Technik bedeutet. Die entstehenden Reflexmuster bestehen aber zum größten Teil nicht aus Kegelschnitten und können durch diese höchstens angenähert werden. Eine weitere Facette dieser Arbeit ist es deshalb, zu überprüfen, ob bzw. wie gut eine Näherung mit dem zu entwickelnden Kossel-Auswertungsalgorithmus ist. Zudem soll eine Möglichkeit zur Simulation der Pseudo-Kossel-Linien geschaffen werden. Aus Sicht der Abbildungsgeometrie ist das Bremsstrahlinterferenzverfahren der Pseudo-Kossel-Technik ähnlich. Bei dieser Eigenentwicklung der Arbeitsgruppe für Physikalische Werkstoffdiagnostik des IfWW der TUD wird statt niederenergetischer charakteristischer Strahlung die deutlich energiereichere Bremsstrahlung zur Abbildung genutzt. In Transmission können dabei Volumeninformationen des Kristallgitters von massiven Proben und Bauteilen gewonnen werden. Durch eine Erweiterung dieser Methodik um eine dreidimensionale Komponente könnte das gesamte Probenvolumen untersucht werden. Zudem zeigten sich bei den bisher angefertigten Aufnahmen dieser Methode verschiedenartige Phänomene und ein komplexes Interferenzmuster. Deren Interpretation ist auch Gegenstand dieser Arbeit.
Im Bremsstrahlinterferenzverfahren ist aufgrund der Transmissionsgeometrie auch der radiographische Schatten der Probe zu sehen. Dieser verändert sich bei Unterschiedlichen Beschleunigungsspannungen der Röntgenröhre, da die Schwächungskoeffizienten der aufgenommenen Werkstoffe abhängig von der Energie der einzelnen Röntgenquanten bzw. dem Röhrenspektrum sind. Bei der Multi-Energie-Röntgeninspektion wird dies ausgenutzt, um einerseits optimal belichtete Ergebnisbilder zu generieren, welche mit einer einzelnen Beschleunigungsspannung nicht möglich wären. Zum anderen erlaubt es diese Methode prinzipiell, unterschiedliche Werkstoffe voneinander zu unterscheiden, obwohl die sichtbaren Intensitäten auch von der Dicke bzw. Dichte des Materials abhängen. Vielfach werden tomographische Methoden mit energiedispersiven Detektoren kombiniert, um Multi-Energie-Aufnahmen aufzunehmen bzw. auszuwerten. Der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz nutzt zunächst nur einfache Radiographien unterschiedlicher Beschleunigungsspannungen an einem Detektor ohne spektrale Auflösung, um durch geeignete Modellansätze die Unterschiede der Schwächung in verschiedenen Bildbereichen sichtbar zu machen. Es soll weiterhin überprüft werden, ob bzw. wie diese Schwächungsunterschiede als Werkstoffunterschied deutbar sind.
Insgesamt ist das Ziel dieser Arbeit, eine neue abstandsmessungsfreie Auswertungsstrategie für Kossel-und RDS-Aufnahmen zu entwickeln und diese auf das Pseudo-Kossel-Verfahren zu übertragen bzw. ein entsprechend angepasstes Modell zu erarbeiten. Für das Bremsstrahlinterferenzverfahren soll ein Modell entstehen, welches die beobachteten Reflexmuster und Interferenzphänomene beschreibt und einen Rückschluss aus der Aufnahme auf den Beugungsort im Kristall ermöglicht. Zudem ist ein Ansatz der Multi-Energie-Diagnostik zu erarbeiten, welcher sowohl kontrastreiche Ergebnisbilder als auch die Unterscheidung verschiedener Werkstoffe mit geringem Unterschied im Schwächungskoeffizienten ermöglicht. Der Nachweis der Leistungsfähigkeit der verbesserten Methoden soll begleitend an aussagekräftigen Beispielen demonstriert werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72156
Date16 September 2020
CreatorsEnghardt, Stefan
ContributorsBauch, Jürgen, Michaelis, Alexander, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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