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Warum werden Depressionen häufig nicht erkannt und selten behandelt?

Auf epidemiologischer Grundlage (n= 5131) wird der Einfluß verschiedener Patientenvariablen auf die ärztliche Erkennens- und Behandlungsrate bei Personen mit einer Depression untersucht und geprüft, inwieweit das Vorliegen "untypischer" Depressionsmerkmale im Sinne des sog. "Sisi-Syndroms" mit einer besonders niedrigen Behandlungsquote assoziiert ist. Diagnosen und Patientenvariablen wurden mittels des um entsprechende Fragebögen erweiterten Munich-Composite International Diagnostic Interviews (M-CIDI) auf der Grundlage der DSM-IV-Algorithmen computerisert gestellt.
Ergebnisse: Die Behandlungsquote steigt mit dem Alter an, ist bei Frauen durchgängig höher als bei Männern und bei chronischen und häufig rezidivierenden Depressionen am höchsten. Ferner ergaben sich geschlechts- und altersspezifische Assoziationen hinsichtlich Komorbidität, Schweregrad sowie Nutzung alternativer Therapieangebote. Bei Kontrolle dieser Faktoren ergaben sich für die Patientenvariablen des "Sisi-Typus" besonders niedrige Behandlungsquoten. Auch clusteranalytisch konnte, prototypisch für Frauen, weniger gut für Männer, ein homogener "Sisi-Typus" abgeleitet werden, der im Verleich mit typischen Depressionen mit besonders niedriger Behandlungsrate assoziiert ist; fast ein Drittel aller Frauen konnte diesem Typus zugeordnet werden. Die Ergebnisse lassen erkennen, daß das Nichterkennen depressiver Erkrankungen wesentlich vom Patientenverhalten abhängt. Patienten, die nicht offen über Niedergeschlagenheit sowie über scheinbar depressionsuntypische Symptome klagen, werden selten erkannt und behandelt. Als praktische Konsequenz für die Allgemeinpraxis wird, neben der Beachtung von untypischen Merkmalen der Depression vom "Sisi-Typus", der Einsatz von zeitökonomischen Depressions-Screening-Fragebögen empfohlen.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-102938
Date29 January 2013
CreatorsWittchen, Hans-Ulrich, Schuster, Peter, Pfister, Hildegard, Gander, Franz, Müller, Nina
ContributorsSchattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften
PublisherSaechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:article
Formatapplication/pdf
SourceNervenheilkunde, Bd.18 (1999), S. 210-217, ISSN: 0722-1541

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