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Langzeiteffektivität der Therapie mit Lamivudin bei Patienten mit chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektion – Prädiktion des Langzeitansprechens und Spektrum der Resistenzentwicklung

Lamivudin war der erste Inhibitor der Hepatitis-B-Virus(HBV)-Polymerase, der für die Therapie der chronischen HBV-Infektion in Deutschland zugelassen wurde und seitdem zu einer signifikanten Senkung der HBV-assoziierten Letalität beigetragen hat. Aufgrund des hohen Resistenzrisikos unter Lamivudin wird der Einsatz der Substanz jedoch in den aktuellen HBV-Leitlinien nicht mehr empfohlen. Stattdessen sollen hochpotente Nukleos(t)id-Analoga wie Entecavir oder Tenofovir angewendet werden, die jedoch gerade in den ärmeren Endemiegebieten nur selten verfügbar sind. Zudem gibt es auch in den westlichen Industrieländern Patienten, die seit Jahren resistenzfrei mit Lamivudin behandelt wurden. Ob diese von einer prophylaktischen Therapieumstellung profitieren, ist bislang unklar.
Ziel dieser Studie war es, die Langzeiteffektivität der Lamivudin-Therapie sowie die Häufigkeit und die prädiktiven Faktoren der Lamivudin-Resistenz zu ermitteln. In einer retrospektiven Untersuchung wurden hierzu die Verläufe von 147 HBeAg-positiven und 80 HBeAg-negativen Patienten aus 3 hepatologischen Zentren in Deutschland analysiert. Zur Sicherung der Lamivudin-Resistenz erfolgte eine genetische Resistenztestung. Zusätzlich wurde der klinische Nutzen einer hoch-sensitiven Real-Time-PCR zur Bestimmung der HBV-DNA evaluiert.
Im Langzeitverlauf zeigte sich bei einer bestimmten Subgruppe von Patienten ein gutes virologisches, serologisches und biochemisches Ansprechen. Die vorliegende Studie bestätigte jedoch auch das hohe Resistenzrisiko unter einer Langzeittherapie mit Lamivudin, welches nach 7 Jahren 55% erreichte. Maßgeblicher prädiktiver Faktor für eine spätere Resistenzentwicklung war das virologische Ansprechen im Therapieverlauf. Entgegen den Ergebnissen früherer Studien stellte die Höhe der HBV-DNA zum Zeitpunkt des Therapiebeginns keinen prädiktiven Faktor der Resistenzentwicklung dar, sondern beeinflusste die Wahrscheinlichkeit des virologischen Ansprechens. Der Einsatz hoch-sensitiver Verfahren zur Bestimmung der HBV-DNA zur Therapiekontrolle oder Prädiktion der Lamivudin-Resistenz ist unseren Beobachtungen nach nicht erforderlich. Bei HBeAg-positiven Patienten hatte zudem ein HBeAg-Verlust einen günstigen Einfluss auf die Resistenzwahrscheinlichkeit. Auffällig war außerdem, dass HBeAg-positive Patienten nach einem virologischen Ansprechen nur noch ein sehr geringes Resistenzrisiko aufwiesen, während bei HBeAg-negativen Patienten trotz eines virologischen Ansprechens im gesamten Therapiezeitraum neue Fälle von Lamivudin-Resistenz beobachtet wurden. Auch durch die Kombination verschiedener Merkmale, die die Resistenzwahrscheinlichkeit nachweislich beeinflussten, konnte letztlich keine Subgruppe identifiziert werden, die im Verlauf resistenzfrei blieb oder nur ein sehr geringes Resistenzrisiko aufwies.
Zusätzlich wurden diverse weitere Wirts-, virale und therapieassoziierte Charakteristika untersucht, die jedoch keinen prädiktiven Wert in Hinblick auf eine Resistenzentwicklung aufwiesen. Insbesondere natürlich vorkommende HBV-Mutationen, die mit einer Lamivudin-Resistenz assoziiert sind, wurden bei 9% der unvorbehandelten Patienten nachgewiesen, ohne dass dieser Befund einen signifikanten Einfluss auf das virologische Ansprechen oder die Resistenzwahrscheinlichkeit zeigte.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass wir in unserer Studie Parameter definieren konnten, die mit einem Langzeitansprechen assoziiert sind und damit die Grundlage einer individualisierten Therapie darstellen könnten. Die Ergebnisse sind vor allem für Länder mit eingeschränkten Therapiemöglichkeiten von Relevanz. Sofern höher potentere Nukleos(t)idanaloga zur Verfügung stehen, sollte in Anbetracht des hohen Resistenzrisikos allerdings von einer Therapie mit Lamivudin abgesehen werden. Liegt bereits eine langjährige Lamivudin-Therapie ohne Zeichen einer Resistenzentwicklung vor, so erscheint die Fortsetzung jedoch gerechtfertigt. Dennoch sind regelmäßige Kontrollen erforderlich, da Lamivudin-Resistenzen auch nach mehr als 10 Jahren auftreten können.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-165685
Date04 May 2015
CreatorsBrodzinski, Annika
ContributorsUniversität Leipzig, Medizinische Fakultät, Prof. Dr. med. Thomas Berg, Dr. med. Florian van Bömmel, Prof. Dr. med. Uwe Gerd Liebert, Prof. Dr. med. Christian Wittekind
PublisherUniversitätsbibliothek Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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