Untersuchungen zur Reaktion von Proteinen während einer Hochdruckbehandlung (HD) ermöglichen ein besseres Verständnis der Reaktivität und Struktur auf molekularer Ebene. In der vorliegenden Arbeit wurde die enzymatische Oligomerisierung von Hühnereiweißlysozym (HEWL) mithilfe der druckstabilen mikrobiellen Transglutaminase (mTGase) unter HD untersucht. Die resultierenden Oligomere wurden anschließend hinsichtlich ihrer strukturellen und funktionellen Eigenschaften charakterisiert. Vergleichende Untersuchungen wurden mit dem evolutionsbiologisch verwandten Protein, dem α-Lactalbumin durchgeführt. Abschließend erfolgten orientierende Studien zur nicht-enzymatischen Vernetzung von HEWL und ausgewählten Milchproteinen, bei welchen eine kovalente Verknüpfung über vergleichbare Isopeptide nachgewiesen werden konnte.
Kompakte, globuläre Proteine, wie das untersuchte HEWL stellten unter Normaldruck keine Substrate für die mTGase dar. Auch war eine enzymatische Vernetzung nach erfolgter Hochdruckbehandlung aufgrund der Reversibilität der druckinduzierten Auffaltung nicht möglich. So wurde HEWL nur bei simultaner Behandlung mit mTGase und hohem hydrostatischem Druck zu Homooligomeren vernetzt. Neben einem geeigneten Puffersystem wurden der pH-Wert, die Inkubationszeit, die Temperatur, der hydrostatische Druck, die Enzymaktivität der mTGase und die Proteinkonzentration des Lysozyms verändert. Abhängig von den Reaktionsbedingungen wurden Produkte mit stark variierenden Vernetzungsgraden erhalten, wobei eine maximale Oligomerisierung von zirka 75% aus einer 3%igen HEWL-Probe in Tris-HCl-Puffer bei pH 7,5 mit 160 U mTGase/g Protein über 30 min, 600 MPa und 40°C erreicht wurde. Zudem erfolgte eine Kategorisierung aller resultierenden Proben anhand ihres mittels Gelelektrophorese bestimmten Vernetzungsgrades in drei Untergruppen: LMW (niedrig vernetzt, 0 - 30%), MMW (mittel vernetzt, 30 - 60%) und HMW (hoch vernetzt, 60 - 100%).
In den so vernetzten Proben wurden das reaktionsspezifisch gebildete Isopeptid N ε (γ L Glutamyl)-L-Lysin (Glu_Lys) nachgewiesen und die beteiligten reaktiven Aminosäuren identifiziert. Die Bestimmung von Glu_Lys, welches für die kovalenten Verknüpfungen verantwortlich ist, erfolgte nach enzymatischer Hydrolyse am Aminosäureanalysator mit Ninhydrin-Nachsäulen-Derivatisierung. Eine erste Abschätzung des Isopeptid¬gehaltes zeigte zudem, dass es bei der Oligomerisierung sowohl zu inter- als auch intra¬molekularer Vernetzung kam. Der minimal notwendige Gehalt an Cross-Link-Aminosäuren, [CLAA]min lag zum Teil um den Faktor zwei unter dem Gehalt des quantifizierten Glu_Lys.
Anschließend konnte nach tryptischem Verdau über die RP-HPLC/ESI-TOF-MS für die gering vernetzten Proben (LMW) genau eine definierte kovalente Verknüpfungsstelle ermittelt werden. Für die MMW- und HMW-Proben wurden fünf bzw. sechs Peptidfragmente detektiert. Bei den LMW-Proben wurde Lys1 mit Gln121 vernetzt. Den höher oligomerisierten Proben konnten die Lysinreste Lys1, Lys13, Lys116 und die Glutaminreste Gln41, Gln57, Gln121 zugeordnet werden. Somit gelang eine erste strukturelle Aufklärung der Vernetzungsprodukte. Der Aufbau der Oligomere läuft demnach zuerst gerichtet und linear ab. Insbesondere bei höheren Temperaturen und Enzymaktivitäten werden jedoch ungeordnete Strukturen gebildet. Die einzelnen Vernetzungsprodukte scheinen aufgrund der Lage der reaktiven Aminosäuren im HEWL-Molekül über mehrere intermolekulare Bindungen eine variierende Struktur auszubilden. Eine Quantifizierung der einzelnen Isopeptide erfolgte nicht, orientierende MS-Untersuchungen lassen aber vermuten, dass auch hier bevorzugte Reaktionsorte existieren.
Die vernetzten Proben wurden nachfolgend über Ammoniumsulfatfällung konzentriert und mittels Gelpermeationschromatographie (GPC) fraktioniert. Die Ausbeuten der GPC waren sehr gering. Eine Fraktionierung in einzelne, selektiv verknüpfte Oligomere wurde nicht erreicht. Die enzymatisch oligomerisierten Proben sowie ausgewählte GPC-Fraktionen mit höheren Oligomeren wurden hinsichtlich funktioneller und struktureller Konsequenzen untersucht. Begonnen wurde dabei mit der lytischen Enzymaktivität des HEWL gegen Zellwände des Micrococcus lysodeikticus. Eine abnehmende bzw. verbleibende Lyseaktivität korrelierte mit einer zunehmenden Oberflächen¬hydrophobität der Oligomerengemische. Beide Größen verhielten sich indirekt proportional zueinander. Während der hydrophobe Kern des Moleküls mit steigender Oligomerisierungsrate freigelegt wurde, senkte sich die Lyseaktivität bis auf null ab. Eine räumliche Deformation oder Barriere entstand mutmaßlich im oder in der Nähe des reaktiven Zentrums (Glu35 und Asp52) des Lysozyms, so dass der Enzym-Substrat-Komplex nicht mehr ausgebildet werden konnte.
Die Untersuchung der Veränderung sekundärer und tertiärer Strukturbestandteilte erfolgte mithilfe der Zirkular-Dichroismus-Spektroskopie. Gleichwohl für die Tertiärstruktur keine großen Veränderungen aufgezeigt wurden, ist für die Sekundärstruktur mit zunehmendem Vernetzungsgrad eine Abnahme der α-Helices und eine Zunahme von ungeordneten und β Faltblatt-Bereichen detektiert worden. Es konnte daher die unter Hochdruck bekannte Auffaltung des HEWL über die enzymatische Vernetzung derart stabilisiert werden, dass eine vollständige Rückfaltung nicht mehr gegeben war.
Das Fibrillierungsverhalten der oligomerisierten Proben im Sauren im Vergleich zum unbehandelten HEWL stellte eine weitere Charakterisierungsmöglichkeit dar. Die Analyse der inkubierten Proben erfolgte mithilfe dreier photometrischer Methoden (Umsetzung mit den Reagenzien 8-Anilino-1-naphtalinsulfonsäure, Kongorot oder Thioflavin T). Die fibrillierten Proben wurden zudem transmissionselektronenmikroskopisch (TEM) untersucht. Mit zunehmender Vernetzung war dabei eine abnehmende Fibrillierungsneigung zu beobachten, welche gut strukturell zu erklären ist, da die zusätzlichen, kovalenten Isopeptidbindungen die Proteinmoleküle gegen eine saure Auffaltung stabilisieren. Eine Auffaltung ist jedoch die Grundvoraussetzung für eine Assoziation und Bildung in-vitro-induzierter, amyloider Strukturen.
Ferner wurde das antimikrobielle Verhalten der Präparate gegen grampositive und -negative Mikroorganismen getestet. Unbehandeltes Lysozym zeigt grundsätzlich gegenüber grampositiven Mikroorganismen eine gute antimikrobielle Aktivität. Eingesetzt wurden der Agardiffusions- und der bakterielle Hemmtest (Trübungsassay). Hierbei zeigten alle geprüften Proben keine Wirkung gegenüber gramnegativen Bakterien. Die antimikrobielle Wirkung gegenüber den grampositiven Mikroorganismen variierte stark. Das Phänomen der erhöhten Sensibilität gegenüber ausgewählten Bakterienstämmen im niederkonzentrierten Bereich wurde für Bacillus subtilis (grampositiv) und die mittel- bzw. hochvernetzten Proben im Vergleich zu unbehandelten HEWL (je 0,00625% Probe, w/v) reproduzierbar nachgewiesen.
Auf die umfassende Charakterisierung der enzymatisch vernetzten HEWL-Proben folgten orientierende Vergleichsstudien mit dem evolutionsbiologisch verwandten α Lactalbumin (α-LA). Die enzymatische Oligomerisierung konnte für das Molkenprotein dabei im Gegensatz zum HEWL bereits unter Atmosphärendruck erzielt werden. Die Vernetzungsraten betrugen, unabhängig von den untersuchten Rahmenparametern aber abhängig vom Calciumgehalt, zirka 35% (mit Ca) bis 72% (ohne Ca). Das α-LA als Calcium-bindendes Protein wurde somit durch die Abwesenheit des Metallions derart destabilisiert, dass es für die mTGase besser umsetzbar wurde. Die im Vergleich zum Lysozym vermehrt enthaltenen potentiell reaktiven Aminosäuren (doppelt so viel Lys und Gln) trugen ebenfalls zu einer stärkeren Oligomerisierung bei.
Abschließend erfolgten Studien zu nicht-enzymatischen, vakuuminduzierten Kondensations-reaktionen. Dabei wurde trockenes HEWL im Vakuum thermisch induziert vernetzt. Die Methode ist in der Literatur als Zero-Length-Cross-Linking (ZLCL) beschrieben. Die Untersuchung der Parameter Vakuum, Temperatur, pH-Wert und Zyklenzahl erfolgte an dem globulären Protein. Dieses konnte unter nicht denaturierenden Bedingungen bis zum Di- und Trimer vernetzt werden. Weitere Milchproteinproben (ein Molkenproteinisolat und β-Casein) wurden nur exemplarisch unter Standardbedingungen untersucht. Hierbei wurde das Molkenproteinisolat deutlich besser als HEWL und das β-Casein bei 85°C über je 24 h und Einsatz von Vakuum am stärksten oligomerisiert. Die gute Umsetzung des β-Caseins ist dabei auf die fehlende Tertiär- und Sekundärstruktur zurückzuführen. Zum Teil entstanden auch Casein-Polymere, welche nicht mehr elektrophoresegängig waren. Die beteiligten Isopeptide wurden analog zu den enzymatisch vernetzten Proben über die Aminosäureanalytik nachgewiesen. Es konnte das Isopeptid N-ε-(β-Aspartyl-)Lysin (Asp_Lys) neben Lysinoalanin (LAL), aber kein Glu_Lys in HEWL nachgewiesen werden. Beide Isopeptide (Asp_Lys und Glu_Lys) sowie LAL sind dagegen im β Casein gebildet worden. Der Einfluss struktureller Gegebenheiten auf die Reaktionsfähigkeit der Proteine konnte folglich eindeutig belegt werden.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-113345 |
Date | 14 May 2013 |
Creators | Schuh, Susanne |
Contributors | Technische Universität Dresden, Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften, Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. habil. Thomas Henle, Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. habil. Thomas Henle, Prof. Dr. rer. nat. Harshadrai Rawel |
Publisher | Saechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
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