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Rotationsdriftspektroskopie / Rotational Drift Spectroscopy

Die wachsende Verfügbarkeit von magnetischen Nanopartikeln (MNPs) mit funktionalisierten
Partikeloberflächen eröffnet weitreichende Möglichkeiten für chemische, biologische und klinische
Analysemethoden. Durch Funktionalisierung kann eine gezielte Interaktion mit Molekülen bewirkt
werden, die im Allgemeinen auch die Beweglichkeit der MNPs verändern. Methoden zur
Charakterisierung von MNPs wie bspw. AC-Suszeptometrie, Magnetorelaxometrie (MRX) oder
Magnetic Particle Spectroscopy (MPS) können diese Änderung der Beweglichkeit bei MNPs
messen, wenn es sich um MNPs handelt, deren magnetisches Moment im Partikel fixiert ist. Damit
ist mit funktionalisierten MNPs indirekt auch die spezifische Messung von Molekülkonzentrationen
möglich. MNPs können zudem in biokompatibler Form hergestellt werden und sind dadurch auch
als in-vivo Marker einsetzbar. Das 2005 das erste Mal veröffentlichte Magnetic Particle Imaging
(MPI) kann als ein mittels Gradientenfeldern um die räumliche Kodierung erweitertes MPS
betrachtet werden. Dank biokompatibler MNPs handelt es sich dabei um eine in-vivo-taugliche,
nicht-invasive Bildgebungsmethode. Mit funktionalisierten MNPs als Marker ist damit im Prinzip
auch molekulare Bildgebung möglich, die durch Detektion der beteiligten Moleküle (Biomarker)
Stoffwechselprozesse räumlich abbilden kann. Im Vergleich zur Bildgebung von Gewebe- und
Knochenstrukturen lassen sich die diagnostischen Möglichkeiten durch molekulare Bildgebung
erheblich erweitern.
Rotationsdriftspektroskopie (Rotational Drift Spectroscopy, RDS) ist eine in dieser Arbeit
entwickelte Methode für die induktive Messung der Beweglichkeit von MNPs in flüssiger
Suspension. Es verwendet die Rotationsdrift von MNPs in rotierenden magnetischen Feldern als
Grundlage und bietet das Potential die Änderungen der Beweglichkeit von MNPs mit einer
Empfindlichkeit messen zu können, welche potentiell um mehrere Größenordnungen höher sein
kann als mit den oben erwähnten Verfahren. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die
Verwendbarkeit dieses Effekts als Spektroskopiemethode. Die Eigenschaften des RDS-Signals sind
jedoch auch als Grundlage für räumliche Kodierung vielversprechend. In weiterführenden Projekten
soll daher auch die Entwicklung von Rotationsdriftbildgebung (Rotating Drift Imaging, RDI) als ein
nicht-invasives Verfahren für molekulare Bildgebung angestrebt werden.
Der Grundgedanke von RDS entlehnt sich aus einem in 2006 veröffentlichten Sensordesign
basierend auf magnetische Mikropartikel in einem schwachen rotierenden Magnetfeld. Das
rotierende Magnetfeld ist dabei so schwach gewählt, dass sich das Partikel aufgrund der viskosen
Reibung nicht mehr synchron mit dem externen Feld drehen kann. Die Frequenz der resultierenden
asynchronen Rotationsdrift liegt unterhalb der Frequenz des externen Rotationsfelds und ist
Abhängig von der viskosen Reibung. Aufgrund dieser Abhängigkeit können Änderungen im
Reibungskoeffizienten des Partikels über Änderungen in der Rotationsdriftfrequenz gemessen
werden.
RDS zielt darauf ab, diese Rotationsdrift bei suspendierten MNPs über deren
makroskopische Magnetisierung messen zu können. Damit wird u.a. auch die nicht-invasive
Messung von MNPs innerhalb opaker biologischer Proben möglich. MNP-Suspensionen sind
großzahlige Nanopartikel-ensembles und können nicht wie ein einzelnes Mikropartikel gemessen
werden. Für die induktive Messung ist vor dem Start eine Ausrichtung aller magnetischen Momente
nötig, da sich deren makroskopische Magnetisierung andernfalls zu Null addiert. Aufgrund von
Rotationsdiffusion bleibt diese Ausrichtung nur eine begrenzte Zeit bestehen, so dass auch die
eigentliche Messung des RDS-Signals nur eine begrenzte Zeit möglich ist. Diese Ausrichtung wurde
in den ersten Experimenten durch einen kurzen Magnetfeldpuls erzeugt. In der Empfangsspule ist
die Induktion durch das Rotationsfeld typischer Weise um mehrere Größenordnungen höher als das
zu erwartende Signal und muss durch einen Tiefpass unterdrückt werden. In diesem Tiefpassfilter
ruft jedoch die Einkopplung des Anfangspulses eine Pulsantwort hervor, die ebenso mehrere
Größenordnungen des zu erwartenden Signals betragen kann und ähnlich langsam wie typische
Signale abklingt. Die Unterdrückung dieser Pulsantwort stellte in den ersten Experimenten die
größte Hürde da. Der erste Aufbau hatte eine Relaisschaltung zur Pulsunterdrückung und resultierte
in einer Totzeit von 3 ms zwischen Anfangspuls und Start der Messung. Aufgrund dieser Totzeit
waren die ersten Messungen auf größere Agglomerate und Sedimente von MNPs beschränkt, da nur
in diesem Fall eine hinreichend lange Zerfallsdauer der Probenmagnetisierung vorlag. Das
Verhalten derartiger Partikelsysteme ist jedoch aufgrund von mechanischer und magnetischer
Interpartikelwechselwirkung vergleichsweise komplex und theoretisch schwer modellierbar. Das
primäre Zielsystem für RDS hingegen, Eindomänenpartikel mit im Partikel fixierter Magnetisierung
und Punktsymmetrie bzgl. des Reibungstensors, erlaubt die Aufstellung einer parametrisierten
Funktion für den Signalverlauf. Es ermöglicht somit aufgrund der besseren Berechenbarkeit eine
solidere Auswertung des RDS-Signals. Um Eindomänenpartikel in wässriger Suspension mit
typischen Partikeldurchmessern um 100 nm messen zu können ist eine Verkürzung der Totzeit auf
mindestens 1/10 erforderlich.
Prinzipiell kann diese Problematik durch die Verwendung schneller Halbleiterschalter in
Verbindung mit einer präzise abstimmbaren induktiven Entkopplung des Spulensystems gemindert
werden. Simulationen des RDS-Signals für verschiedene RDS-Sequenzen zeigen jedoch noch zwei
weitere Möglichkeiten auf, die ohne aufwändigen Eingriffe in der Hardware auskommen. Zum
einen kann durch orthogonales Frequenzmischen mit geeignetem Frequenz- und Phasenverhältnis
eine Ausrichtung der magnetischen Momente bewirkt werden. Da die benötigten Frequenzen
vollständig im Sperrband des Tiefpassfilters liegen können, lässt sich damit die Pulsantwort bei
hinreichend „weichem“ Umschalten zwischen der Polarisierungssequenz und der RDS-Sequenz
vollständig vermeiden. Darüber hinaus zeigt sich, dass es bei Anwesenheit eines schwachen
Offsetfelds (< 10 % der Rotationsfeldamplitude) zu einer Ausrichtung der magnetischen Momente
kommt, wenn das magnetische Rotationsfeld seine Richtung ändert und diese Änderung nicht
abrupt erfolgt, sondern das Rotationsfeld übergangsweise in ein linear oszillierendes Feld übergeht.
Hingegen wird die Wirkung des Offsetfelds durch das Rotationsfeld vor und nach dem Wechsel
nahezu vollständig neutralisiert, so dass damit das Störsignale generierende Schalten eines
Offsetfelds ersetzt werden kann. Es ist auf diese Weise nicht möglich, Echosequenzen zu erzeugen,
da hier bei der für Echosequenzen benötigten Richtungsumkehr des Rotationsfelds die zuvor
aufgeprägte Phasenverteilung durch das Offsetfeld zerstört wird und somit anstelle einer
Signalechogenerierung eine neue RDS-Messung gestartet wird. Obwohl es Echosequenzen mit
Anfangspuls erlauben, mehr MNP Parameter zu messen, bietet dieser Ansatz dennoch
entscheidende Vorteile. So ergibt sich eine massive Vereinfachung der Hardware und es sind bei
gleicher Rotationsfrequenz deutlich höhere Wiederholraten möglich.
Die Vermeidung von Schaltvorgängen durch die Verwendung von Offsetfeldern ermöglicht
es, mit dem ursprünglichem Aufbau auch Partikelsysteme zu untersuchen, deren Relaxationszeit
weit unter 3 ms liegt. Hier zeigt sich, dass sich für unterschiedliche Partikelsysteme teils sehr
charakteristische Signalmuster ergeben. Diese lassen sich grob in drei Kategorien einteilen. Die
erste Kategorie sind suspendierte Eindomänenpartikel mit einer nicht vernachlässigbaren
Relaxationszeit. Hier handelt es sich um das bevorzugte Zielsystem für RDS, das durch die
Langevin-Gleichung beschrieben werden kann. Die zweite Kategorie sind Partikelsysteme, bei
denen die Relaxationsdauer vernachlässigbar ist. In diesem Fall kann der Signalverlauf mit der
Langevinfunktion beschrieben werden. Die dritte Kategorie umfasst alle übrigen Partikelsysteme,
insbesondere Suspensionen von MNP-Clustern, die u.a. aufgrund von Interpartikelwechselwirkung
komplexe Signalverläufe ergeben, die sich praktisch nicht berechnen lassen. Spektroskopische
Untersuchungen sind damit dennoch durch das Anlegen entsprechender Referenzdatenbanken
möglich (Fingerprinting). Multiparametrisches RDS, d.h. die Wiederholung der Messung für z.B.
unterschiedliche Amplituden oder unterschiedliche Viskositäten des Suspensionsmediums, erzeugt
aufgrund mehrerer nichtlinearer Abhängigkeiten massive Unterschiede im resultierenden
multidimensionalen Datensatz. Das verspricht die Erreichbarkeit hoher spektroskopischer
Trennschärfen bei geeigneter Partikel- und Sequenzoptimierung.
Die Simulationen und experimentellen Ergebnisse dieser Arbeit zeigen grundsätzliche
Hürden und Möglichkeiten für das ebenfalls in dieser Arbeit eingeführte RDS auf. Es zeigt damit
grundlegende Aspekte auf, die für die Entwicklung von RDS-Hardware und die Optimierung von
MNP-Suspensionen nötig sind. Mit RDS wird in weiterführenden Arbeiten die Entwicklung von
hochempfindlichen Bioassays und die Erweiterung um die räumliche Kodierung angestrebt (RDI),
da der zugrunde liegende Effekt zugleich sehr vielversprechend als Grundlage für molekulare
Bildgebung ist. / The growing availability of magnetic nanoparticles (MNPs) with functionalized particle surfaces
opens up far-reaching possibilities for chemical, biological and clinical analytical methods.
Functionalization can cause targeted interaction with molecules, which generally also change the
mobility of MNPs. Methods for characterizing MNPs such as AC-susceptometry,
magnetorelaxometry (MRX), or magnetic particle spectroscopy (MPS) can measure this change in
mobility in MNPs if they are MNPs whose magnetic moment is fixed in the particle. Thus,
functionalized MNPs can indirectly be used to specifically measure molecular concentrations.
MNPs can also be produced in biocompatible form, making them useful as in vivo markers.
Magnetic Particle Imaging (MPI), first published in 2005, can be viewed as an MPS extended by
spatial coding using gradient fields. Thanks to biocompatible MNPs, it is an in vivo, non-invasive
imaging method. With functionalized MNPs as markers, molecular imaging is thus in principle also
possible, which can spatially map metabolic processes by detecting the molecules involved
(biomarkers). Compared to imaging of tissue and bone structures, the diagnostic possibilities can be
considerably extended by molecular imaging.
Rotational drift spectroscopy (RDS) is a method developed in this work for inductively
measuring the mobility of MNPs in liquid suspension. It uses the rotational drift of MNPs in
rotating magnetic fields as a basis and offers the potential to measure the changes in the mobility of
MNPs with a sensitivity that can potentially be several orders of magnitude higher than the methods
mentioned above. The present work focuses on the applicability of this effect as a spectroscopy
method. However, the properties of the RDS signal are also promising as a basis for spatial coding.
Therefore, in further projects, the development of Rotating Drift Imaging (RDI) as a non-invasive
method for molecular imaging will also be pursued.
The basic idea of RDS is borrowed from a sensor design published in 2006 based on
magnetic microparticles in a weak rotating magnetic field. The rotating magnetic field is chosen so
weak that the particle cannot rotate synchronously with the external field due to viscous friction.
The frequency of the resulting asynchronous rotational drift is below the frequency of the external
rotating field and is dependent on the viscous friction. Due to this dependence, changes in the
friction coefficient of the particle can be measured via changes in the rotational drift frequency.
RDS aims to be able to measure this rotational drift in suspended MNPs via their
macroscopic magnetization. Among other things, this will enable the non-invasive measurement of
MNPs within opaque biological samples. MNP suspensions are large number nanoparticle
ensembles and cannot be measured like a single microparticle. For inductive measurement,
alignment of all magnetic moments is necessary before starting, otherwise their macroscopic
magnetization adds up to zero. Due to rotational diffusion, this alignment remains only for a limited
time, so that the actual measurement of the RDS signal is also possible only for a limited time. This
alignment was created in the first experiments by a short magnetic field pulse. In the receiving coil,
the induction due to the rotating field is typically several orders of magnitude higher than the
expected signal and must be suppressed by a low-pass filter. In this low-pass filter, however, the
injection of the initial pulse elicits a pulse response that can likewise be several orders of magnitude
of the expected signal and decays similarly slowly to typical signals. Suppression of this pulse
response was the major hurdle in the initial experiments. The initial setup had a relay circuit for
pulse suppression and resulted in a dead time of 3 ms between the initial pulse and the start of the
measurement. Due to this dead time, the first measurements were limited to larger agglomerates and
sediments of MNPs, since only in this case there was a sufficiently long decay time of the sample
magnetization. However, the behavior of such particle systems is comparatively complex and
difficult to model theoretically due to mechanical and magnetic interparticle interactions. In
contrast, the primary target system for RDS, single domain particles with magnetization fixed in the
particle and point symmetry with respect to the friction tensor, allows the establishment of a
parameterized function for the signal course. Thus, it allows a more solid evaluation of the RDS
signal due to its better computability. In order to measure single domain particles in aqueous
suspension with typical particle diameters around 100 nm, a reduction of the dead time to at least
1/10 is required.
In principle, this problem can be mitigated by using fast semiconductor switches in
conjunction with precisely tunable inductive decoupling of the coil system. Simulations of the RDS
signal for various RDS sequences, however, reveal two other possibilities that do not require
extensive intervention in the hardware. First, orthogonal frequency shuffling with suitable
frequency and phase ratios can be used to cause alignment of the magnetic moments. Since the
required frequencies can lie entirely within the stopband of the low-pass filter, this allows the pulse
response to be completely avoided with sufficiently "soft" switching between the polarization
sequence and the RDS sequence. Furthermore, it is shown that in the presence of a weak offset field
(< 10 % of the rotating field amplitude), there is an alignment of the magnetic moments when the
rotating magnetic field changes direction and this change does not occur abruptly, but the rotating
field transitions to a linear oscillating field. On the other hand, the effect of the offset field is almost
completely neutralized by the rotating field before and after the change, so that the switching of an
offset field, which generates interference signals, can thus be replaced. It is not possible to generate
echo sequences in this way, since here the previously imposed phase distribution is destroyed by the
offset field when the direction of the rotation field is reversed, which is required for echo sequences,
and thus a new RDS measurement is started instead of signal echo generation. Although echo
sequences with an initial pulse allow more MNP parameters to be measured, this approach still
offers decisive advantages. For example, there is a massive simplification of the hardware and
significantly higher repetition rates are possible at the same rotation frequency.
The avoidance of switching processes by using offset fields makes it possible to investigate
particle systems with relaxation times far below 3 ms with the original setup. Here it is shown that
for different particle systems partly very characteristic signal patterns result. These can be roughly
divided into three categories. The first category is suspended single domain particles with a non-
negligible relaxation time. This is the preferred target system for RDS, which can be described by
the Langevin equation. The second category is particle systems where the relaxation time is
negligible. In this case, the signal response can be described by the Langevin function. The third
category includes all other particle systems, in particular suspensions of MNP clusters, which, due
to interparticle interactions, among other things, yield complex signal courses that cannot be
calculated in practice. Spectroscopic investigations are nevertheless possible by creating
corresponding reference databases (fingerprinting). Multiparametric RDS, i.e. repeating the
measurement for e.g. different amplitudes or different viscosities of the suspension medium,
generates massive differences in the resulting multidimensional data set due to several nonlinear
dependencies. This promises the achievability of high spectroscopic discriminatory power with
suitable particle and sequence optimization.
The simulations and experimental results of this work highlight fundamental hurdles and
opportunities for RDS, which is also introduced in this work. It thus highlights fundamental aspects
necessary for the development of RDS hardware and the optimization of MNP suspensions. With
RDS, further work will aim to develop highly sensitive bioassays and extend them to include spatial
encoding (RDI), as the underlying effect is at the same time very promising as a basis for molecular
imaging.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:26863
Date January 2023
CreatorsRückert, Martin Andreas
Source SetsUniversity of Würzburg
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoctoralthesis, doc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf
Rightshttps://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/doku/lic_ohne_pod.php, info:eu-repo/semantics/openAccess

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