Return to search

Struktur, Assoziations- und Glykierungsreaktionen von Caseinmicellen

Milch dient der Versorgung neugeborener Säugetiere mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen, wie Proteinen, Fetten, Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen. Insbesondere die Proteingruppe der Caseine, die in der Milch zum Großteil zu Caseinmicellen assoziiert vorliegen, stellen essentielle Aminosäuren bereit und transportieren große Mengen Calcium und Phosphor (Fox, 2008; Horne, 2008). Neben der Bedeutung als erste Nahrungsquelle für Neugeborene haben sich Milch und Milchprodukte zu einem der wichtigsten Handels- und Verarbeitungsgüter entwickelt. In Deutschland ist vorrangig der Konsum von Kuhmilch verbreitet. Zunehmend wird aber auch die Milch von Büffel, Schaf und Ziege direkt oder verarbeitet konsumiert (Fox, 2008; Töpel, 2016). Dabei unterscheidet sich die Zusammensetzung der Milch zwischen den verschiedenen Tierarten zum Teil beträchtlich. Diese Unterschiede betreffen nicht nur die Anteile der Hauptnährstoffe, sondern auch die Eigenschaften und die Zusammensetzung der Caseinmicellen (CM) (Fox, 2008). Die Eigenschaften und die Stabilität gegenüber einer Calciumkomplexierung wurden für bovine Caseinmicellen in der Literatur bereits ausführlich diskutiert (Horne, 1984; Banon & Hardy, 1992; Needs et al., 2000; O’Connell et al., 2001; Huppertz et al., 2004). Über die Micellen anderer Tierarten lagen zu Beginn der Untersuchungen hingegen kaum Informationen vor. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, die Caseinmicellen aus der Milch der wiederkäuenden Paarhufer Kuh, Büffel, Schaf, Ziege und Kamel und der nicht wiederkäuenden Unpaarhufer Pferd und Esel sowie aus Humanmilch bezüglich Größe, Struktur, Zusammensetzung und Stabilität zu charakterisieren und daraus Erkenntnisse zum tierartspezifischen Micellaufbau abzuleiten.

Hierzu wurden die Caseinmicellen mit Hilfe der Ultrazentrifugation von der Molke abgetrennt und in tierartspezifischem, synthetischem Milchultrafiltrate (SMUF) resuspendiert. Untersuchungen der hydrodynamischen Durchmesser mittels dynamischer Lichtstreuung zeigten, dass die CM der Nicht-Wiederkäuer Stute und Esel sowie des Kamels deutlich größer waren als die der Wiederkäuer Kuh, Büffel, Schaf und Ziege, wohingegen sich die humanen CM als die kleinsten zeigten. Mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) konnten aufgrund der beobachteten unterschiedlichen Oberflächenstrukturen für einige Tierarten Hinweise hinsichtlich einer größen- und κ-Casein-abhängigen Ausbildung von κ Casein ‚bunches‘ oder einer ‚hairy layer‘ an der Oberfläche der kolloidalen Partikel erhalten werden. Anhand der Aminosäurezusammensetzung der micellaren Proteine konnte abgeleitet werden, dass bei allen Tierarten vor allem Phosphoserin sowie die hydrophoben Aminosäuren maßgeblich am Aufbau der CM beteiligt sein dürften. Hierbei wurden jedoch tierartspezifische Unterschiede festgestellt. Bei den Wiederkäuern wurde eine besonders starke Assoziation der Caseinmonomere über Phosphoserincluster vermutet, während bei den Nicht-Wiederkäuern und insbesondere bei den humanen CM auch hydrophobe Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle spielen. Calcium und anorganischer Phosphor konnten als die bedeutendsten micellaren Salze identifiziert werden, die in besonders hohen Gehalten in den CM von Stute und Esel vorkamen. Humane Micellen wiesen deutlich niedrigere Mineralstoffgehalte auf, weshalb die Bedeutung der elektrostatischen Wechselwirkungen für die Verknüpfung der Caseinmonomere geringer eingeschätzt wurde als bei den weiteren untersuchten Tierarten. In Bezug auf die Stabilität gegenüber einer Calciumkomplexierung mit Ethylenglycol-bis(2-aminoethylether)-N,N,N\',N\'-tetraessigsäure (EGTA) unterschieden sich die CM der Tiere sehr deutlich voneinander. Instabile Micellen zeichneten sich durch eine starke Abnahme der Trübung, eine Zunahme des extra-micellaren Caseins sowie eine schneller einsetzende Verkleinerung des hydrodynamischen Durchmessers aus. Für die Micellstabilität ergab sich die folgende Reihenfolge: Kuh << Büffel < Ziege < Schaf < Kamel = Stute < Esel < Mensch.

Caseinmicellen eignen sich, neben dem natürlichen Transport von Aminosäuren und Mineralstoffen, als Nanotransporter für bioaktive Substanzen wie Vitamin D2 (Semo et al., 2007), β-Carotin (Sáiz-Abajo et al., 2013), Curcumin (Sahu et al., 2008), Triclosan (Roach et al., 2009) oder auch dem antibakteriellen Enzym Lysozym (de Roos et al., 1998; Anema & de Kruif, 2013). Da zu Beginn der Untersuchungen ausschließlich Daten zur Beladung boviner Caseinmicellen mit Hühnereiweißlysozym (HEWL) verfügbar waren, sollte zunächst die Stabilität der tierartspezifischen Micellen und die Effektivität der Beladung mit Lysozym beurteilt werden. Zusätzlich sollte die antibakterielle Wirksamkeit der mit Lysozym beladenen Caseinmicellen verschiedener Säugetiere sowohl in vitro als auch in orientierenden Untersuchungen gegenüber Bakterien erfasst werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die CM aller untersuchten Tierarten mit HEWL beladen werden können. Hinsichtlich der Stabilität der CM sowie der Aufnahmekapazität wurden jedoch tierartspezifische Unterschiede festgestellt. Allgemein konnten die CM aus Wiederkäuer- und aus Humanmilch als stabiler beschrieben werden, wobei die HEWL-Aufnahme bei den CM der Wiederkäuer höher war. Die lytische Enzymaktivität des HEWL in vitro veränderte sich infolge der Micellassoziation für die meisten untersuchten Tierarten im Vergleich zu frei vorliegendem HEWL nicht. Für die antibakterielle Wirksamkeit gegenüber Bacillus subtilis wurden hingegen Unterschiede zwischen den verschiedenen Tierarten beobachtet. Für die HEWL-haltigen CM von Büffel und Ziege ergaben sich die gleichen Wachstumsverzögerungen wie bei freiem HEWL in SMUF. Im Gegensatz dazu wurde die bakteriostatische Wirkung durch die HEWL-Micellen von Kuh, Kamel und Mensch inhibiert, durch die von Schaf, Stute und Esel hingegen verstärkt. Neben der Funktionalisierung der Caseinmicellen durch den Einbau bioaktiver Substanzen, können die Partikel auch chemisch modifiziert werden. Eine Möglichkeit stellt hierbei die Glykierung dar. Glykierungsreaktionen zwischen den Carbonylgruppen reduzierender Zucker und Aminosäureseitenketten wurden für nicht-micellare Caseine in einer Vielzahl an Studien untersucht (Zin El-Din & Aoki, 1993; Morales & van Boekel, 1996; Pellegrino et al., 1999; Lima et al., 2009; Akıllıoğlu & Gökmen, 2014). Über den Einfluss der micellaren Anordnung der Caseine auf die Glykierungsreaktionen war nur wenig bekannt. Erkenntnisse diesbezüglich könnten einen Beitrag zur Aufklärung des Aufbaus der Caseinmicellen leisten.

Die Untersuchungen zeigten, dass bei der Erhitzung von micellaren und nicht-micellaren Caseinen für 0 - 4 h bei 100 °C in Gegenwart der reduzierenden Zucker Lactose und Glucose hauptsächlich die frühe Phase der Maillard Reaktion abläuft. Die Bildung der Amadori-Produkte erfolgte dabei in den CM und im nicht micellaren Natrium-Caseinat (NaCas) in gleichem Maße. Hieraus wurde eine ähnliche Zugänglichkeit der reaktiven Aminosäureseitenketten in den micellaren und nicht micellaren Caseinen geschlussfolgert. Signifikante Unterschiede konnten hinsichtlich der Produktbildung der späten Phase der Maillard-Reaktion beobachtet werden. Während Nε-Carboxymethyllysin (CML) im NaCas in höheren Gehalten detektiert wurde, trat in den CM eine verstärkte Pyrralin-Bildung auf. Zudem bewirkte eine Inkubation in Gegenwart von Lactose eine bevorzugte CML-Bildung, wohingegen mit Glucose Pyrralin in höheren Mengen gebildet wurde. Die Maillard-induzierten Proteinquervernetzungsprodukte Glyoxal-Lysin-Dimer und Pentosidin wurden im Vergleich zum zuckerunabhängig gebildeten Lysinoalanin in deutlich geringeren Gehalten erfasst. Hohe Oligomerisierungsgrade zwischen 50 und 84 % zeigten jedoch, dass die Proteinquer-vernetzungen, die im Zuge der Glykierung entstehen, quantitativ von größerer Bedeutung sind. Anhand der Bestimmung der hydrodynamischen Durchmesser und mit Hilfe von REM-Aufnahmen konnte eine weitgehend intra-micellare Proteinquervernetzung abgeleitet werden. Die Ausbildung intra-micellarer Oligomere bewirkte dabei eine höhere Micellstabilität gegenüber einem Calciumentzug durch EGTA.

Die vorliegenden Untersuchungen deuten darauf hin, dass die hydrophilen Zuckermoleküle über die von Dalgleish (2011) vorgeschlagenen Wasserkanäle in die CM eindringen und die frühe Phase der Maillard-Reaktion anschließend vor allem in diesen Regionen erfolgt. Die weiteren Phasen der Maillard-Reaktion könnten dann, durch ein tieferes Eindringen der reaktiven Komponenten, zunehmend auch in dehydratisierteren Bereichen ablaufen. Bezüglich des Aufbaus der Caseinmicellen unterstützen die in dieser Arbeit gewonnen Ergebnisse die Vorstellungen des Internal Structure Modells.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:30148
Date19 January 2017
CreatorsMöckel, Ulrike
ContributorsHenle, Thomas, Brunner, Eike, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

Page generated in 0.0032 seconds