Formgedächtnislegierungen wie Nickel-Titan (NiTi) können sich nach einer plastischen Verformung und anschließendem Aufheizen an ihre ursprüngliche Form „erinnern“ und diese wieder einnehmen. Als meistverwendete Formgedächtnislegierung kann NiTi als Aktor, zur Dämpfung und zur elastokalorischen Kühlen verwendet werden und kommt von der Medizintechnik bis hin zur Luft- und Raumfahrt zum Einsatz. Der Formgedächtniseffekt basiert auf der martensitischen Phasenumwandlung, einer diffusionslosen Strukturänderung, bei der sich die Kristallsymmetrie ändert. Bei NiTi mit etwa 50 At.-% Ni wandelt die kubische Hochtemperaturphase (Austenit) in die monokline Tieftemperaturphase (Martensit) um. Während dieser Umwandlung entsteht eine Vielzahl an Grenzflächen, wodurch sich ein komplexes martensitisches Gefüge – eine Art dreidimensionales „Puzzle“ bildet. Um NiTi-Formgedächtnislegierungen auf verschiedene Anwendungen zuzuschneiden und deren Eigenschaften zu verbessern, ist es wichtig, das Gefüge zu verstehen. Die häufig eingesetzten polykristallinen NiTi-Schichten haben dabei den Nachteil, dass die enthaltenen Korngrenzen einen zusätzlichen Parameter darstellen, der Gefügeuntersuchungen erschwert. Dagegen werden epitaktische Schichten bereits für andere magnetische Formgedächtnislegierungen als Modellsystem eingesetzt und tragen zu einem besseren Verständnis der martensitischen Umwandlung bei. Epitaktische Schichten sind einkristallin, sodass der Einfluss von Korngrenzen ausgeklammert werden kann. Außerdem dient das Substrat, das die Orientierung der Schicht vorgibt, als festes Referenzsystem.
In dieser Arbeit wurden epitaktische NiTi-Schichten mit Magnetron-Sputterdeposition hergestellt, die bei Raumtemperatur martensitisch sind. Dabei wurde der Einfluss von Parametern wie Herstellungstemperatur, chemische Zusammensetzung, Wärmebehandlungsszenarien und Pufferschichten auf das Wachstum und die Eigenschaften der Schichten untersucht. So konnten Schichten in zwei unterschiedlichen Orientierungen, (100) und (111), hergestellt werden. Die so optimierten Schichten wurden anschließend dafür genutzt, das martensitische Gefüge skalenübergreifend zu untersuchen. Mit einer Kombination von Mikroskopie- und Röntgenbeugungsmethoden wurden die auftretenden Zwillingsgrenzen, Habitusebenen und Variantenorientierungen analysiert. So lässt sich feststellen, welche Martensitcluster entstehen, wie sie nukleieren und wachsen und welche Grenzflächen auftreten. Dabei ließ sich ein hierarchischer Aufbau des martensitischen Gefüges feststellen, wobei drei Zwillingsgrenzen auf unterschiedlichen Längenskalen für die Beschreibung des Gefüges nötig sind. Die auftretenden Zwillingsgrenzen sind aus Massivmaterialien bekannt, was zeigt, dass sich die Schichten gut als Modellsystem eignen. Das identifizierte, dreidimensionale Modell des Gefüges wurde mit Röntgenmethoden global bestätigt. Dazu wurden die experimentellen Ergebnisse mit zwei unterschiedlichen Martensittheorien, der phänomenologischen Martensittheorie (PTMC) und der Korrespondenztheorie (CT) verglichen. Der hierarchische Aufbau des Gefüges lässt sich zum Großteil mit den Theorien beschreiben. Die Schichten zeigen aber auch die Limitierungen der bisherigen Theorien und bieten so eine Möglichkeit für deren Weiterentwicklung.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:83845 |
Date | 28 February 2023 |
Creators | Lünser, Klara |
Contributors | Nielsch, Kornelius, Wagner, Martin Franz-Xaver, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | 10.14278/rodare.1615 |
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