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Erfassung sexueller Orientierung anhand hämodynamischer und behavioraler Korrelate bei der simultanen Präsentation räumlich kognitiver Aufgaben und sexuell relevanter Distraktoren

Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden hämodynamische und behaviorale Korrelate bei der
simultanen Präsentation räumlich kognitiver Aufgaben und sexuell relevanter Distraktoren
untersucht. Dazu untersuchten wir 22 heterosexuelle Probanden ohne pädophile Neigungen
und psychische Erkrankungen mittels funktioneller Magnetresonanztomtographie (fMRT),
um eine Vergleichsgruppe für dasselbe Experiment mit pädophilen Probanden zu schaffen.
Wir nutzten ein indirektes Studiendesign zur Erfassung sexuellen Interesses, wir arbeiteten
also nicht mit der alleinigen Darbietung visueller sexueller Reize, für die wir unterschiedliche
Präferenz annahmen, sondern simultan räumlich-kognitive Reize (Aufgabe zur mentalen
Rotation) präsentierten.
Dieser Ansatz der Erfassung sexuellen Interesses baut teilweise auf dem Modell der
Verarbeitung sexueller Reizmerkmale durch Spiering und Everaerd von 2007 auf. Die
Autoren gingen davon aus, dass bewusst wahrgenommene sexuelle Reize und neutrale Reize
auf eine bewusste, kontrollierte Weise verarbeitet werden und somit limitierter
Aufmerksamkeit unterliegen. Darauf gründeten sich unsere Annahmen zu behavioralen
Korrelaten der simultanen Darbietung eines sexuellen mit einem kognitiven Reiz. Dabei
erwarteten wir im Sinne eines Sexual Content Induced Delay SCID (Geer und Bellard 1996)
längere Bearbeitungszeiten bei der Aufgabe zur mentalen Rotation wenn simultan der sexuell
präferierte Reiz gezeigt wird. Außerdem nahmen wir an, dass bei der simultanen Darbietung
der präferierten Reize höhere Fehlerraten bei der Aufgabe zur mentalen Rotation auftreten.
In Bezug auf Annahmen zu hämodynamischen Korrelaten der Darbietung sexueller Reize
bildete die wichtigste Grundlage die von Stoléru et al. (2012) überarbeitete Version des Vier-
Komponenten-Modells sexueller Erregung, in dem sexuelle Erregung in vier Komponenten
unterteilt wird, denen jeweils charakteristische Hirnregionen zugeordnet werden. Um
sexuelle Präferenz zu erfassen, nutzten wir ein einfaches Design, indem wir hämodynamische
Antworten auf unterschiedliche sexuelle Reize miteinander verglichen. Grundlage dafür
bildeten Studien, die präferierte sexuelle Reize mit nicht präferierten sexuellen Reizen
bezüglich der hämodynamischen Antworten verglichen haben wie Safron et al. (2007),
Ponseti et al. (2006 und 2012), Kranz und Ishai (2006) und Savic et al. (2005). Außerdem
nutzten wir ein indirektes Design zur Erfassung der sexuellen Präferenz, indem wir simultan
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die sexuellen Reize mit den kognitiven Reizen darboten. Wir adaptierten ein Modell zur
Emotions-Kognitons-Interaktion aufgrund der Analogie von Emotion und Sexualität
(Everaerd 1988). Dieses beschreibt eine Suppression der emotionalen Hirnantwort bei
Anwesenheit eines kognitiven Stimulus (Drevets und Raichle 1998, Kellermann et al. 2012,
Blair et al. 2007). Wir nahmen an, dass diese Suppression geringer ausfällt, wenn der
präferierte sexuelle Reiz gezeigt wird. Dies macht eine Differenzierung zwischen präferiertem
und nicht präferiertem Reiz möglich.
Bezüglich der Verhaltensdaten bestätigte sich ein präferenzabhängiges SCID anhand
signifikant höherer Reaktionszeit für die Richtigantworten, wenn die Aufgabe zur mentalen
Rotation simultan mit den weiblichen sexuellen Reizen gezeigt wurde. Dieser Effekt auf der
Verhaltenseben kann zur Erfassung sexueller Orientierung genutzt werden. Es ergab sich
keine Bestätigung einer höheren Fehlerquote, wenn die Aufgabe zur mentalen Rotation
simultan mit den weiblichen sexuellen Reizen gezeigt wurde. Diese kann möglicherweise in
der blockweisen Darbietung unserer Stimuli begründet liegen.
Erkenntnisse bezüglich der hämodynamischen Daten untermauerten in der Literatur bekannte
Netzwerke (Zacks 2008, Jordan und Wüstenberg 2010) im Zusammenhang mit mentaler
Rotation. Des Weiteren bestätigten sich Annahmen für die Darbietung sexuell präferierter
Reize über Antworten in visuellen Arealen sowie in Arealen der kognitiven Komponente
(präzentraler Kortex, supplementär motorisches Areal), der autonomen Komponente (Insula)
und der emotionalen Komponente (Insula, Amygdala) des Vier-Komponenten-Modells.
Entsprechend der motivationalen und der inhibitorischen Komponente wurden keine
signifikant stärkerern Antworten gefunden.
Wenn sexuell präferierte Reize passiv wahrgenommen wurden, riefen sie stärkere
hämodynamische Antworten in visuellen und motorischen Arealen hervor als sexuell nicht
präferierte Reize. Es bestätigte sich eine Emotions-Kognitions-Interaktion sowohl für die
weiblichen als auch für die männlichen sexuellen Reize. Relevante Komponenten sind die
kognitive Komponente (temporalen Regionen), die emotionale Komponente (Amygdala) und
für das Cingulum die autonome und motivationale Komponente sexueller Erregung.
In der Erfassung sexueller Orientierung in der Experimentalbedingung konnten wir trotz der
aufmerksamkeitsfokussierenden Aufgabe eindeutige Effekte im Zusammenhang mit sexueller
Orientierung ermitteln. Die weiblichen Reize riefen stärkere hämodynamische Antworte in
den relevanten Regionen hervor als die männlichen. Dabei spielten Regionen, die für die
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Verarbeitung sexueller Gedächtnisinhalte (Hippocampus, Spiering und Everaerd 2007), das
Vorstellen sexueller Handlungen (präzentraler Kortex, Moulier et al. 2006), die
Wahrnehmung der sexuellen Charakters eines Stimulus (temporale Regionen) und das
Betrachten sexueller Stimuli (inferiorer Frontalkortex, Mohlenberghs et al. 2011)
angenommen werden, die wichtigste Rolle. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dieses indirekte
Verfahren zur Erfassung sexueller Orientierung vielversprechend ist. Außerdem
unterstreichen sie die Bedeutung des inferioren Frontalkortex und des Hippocampus als
Korrelate sexueller Präferenz. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden bereits auf dem
Symposium für empirische Forschung in der forensischen Psychiatrie, Psychologie und
Psychotherapie (EFPPP) vorgestellt und im EFPPP-Jahrbuch von 2014 veröffentlicht (Wieser
et al. 2014).

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-002B-7C20-C
Date10 January 2017
CreatorsWieser, Katrin
ContributorsMüller, Jürgen L. Prof. Dr.
Source SetsGeorg-August-Universität Göttingen
Languagedeu
Detected LanguageGerman
TypedoctoralThesis
Rightshttp://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/

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