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Berücksichtigung von entwurfs- und sicherheitstechnischen Aspekten beim Erhaltungsmanagement von Landstraßen

Die Straßeninfrastruktur ist die wichtigste Grundlage für die Mobilität von Wirtschaft und Gesellschaft und stellt ein großes Anlagevermögen für Bund, Bundesländer, Landkreise und Gemeinden dar. Aufgrund der hohen Beanspruchungen aus Verkehr und Witterung ist die Infrastruktur kontinuierlich durch geeignete Maßnahmen zu erhalten.
Die Erhaltungsplanung wurde in den vergangenen Jahren stärker systematisiert. Auf Netzebene werden durch die „Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen“ (RPE-Stra 01 - FGSV 2001a) Verfahren beschrieben, um an formulierten Zielen ausgerichtete und strategische Erhaltungsprogramme aufzustellen. Zur Darstellung netzweiter Strategieszenarien werden heutzutage Pavement-Management-Systeme (PMS) eingesetzt. Sie ermitteln diejenigen Erhaltungsmaßnahmen, die bei vorgegebenem Betrachtungszeitraum und Mitteleinsatz den maximalen Nutzen (Verbesserung des Straßenzustands) versprechen.
Die Erhaltungsmaßnahmen können hinsichtlich ihres Umfangs nach Maßnahmen der Instandsetzung und Erneuerung differenziert werden. Der verbesserte Fahrbahnzustand und der Eindruck einer neuen, richtliniengerechten Straße, der speziell bei Erneuerungsmaßnahmen entsteht, führt erfahrungsgemäß zu höheren Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer (WEISE 1991). Diese geschwindigkeitserhöhende Wirkung ist insbesondere auf Landstraßen kritisch zu prüfen.
Die Landstraßen in der Bundesrepublik Deutschland sind in ihrer Gestaltung sehr heterogen. Aus Netzergänzungen, den Bau von Ortsumgehungen und grundlegenden Modernisierungen sind sukzessive Streckenabschnitte entstanden, die den Anforderungen aktueller Regelwerke hinsichtlich Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit genügen. Demgegenüber existieren Straßen, deren Linienführung aus den Anfängen des motorisierten Individualverkehrs stammt und die im Zuge von Erhaltungsarbeiten nur ungenügend an die Entwurfsparameter der entsprechenden Regelwerke angepasst wurden. Sie entsprechen oft nicht dem Stand der Technik.
Diese Tatsache spiegelt sich auch im Unfallgeschehen wider. Etwa 57 % der Verkehrstoten sind auf Landstraßen zu verzeichnen (DESTATIS 2017). Diese besondere Unfallschwere ist u. a. auf das instabile Verhältnis von dem vorhandenen Geschwindigkeitsniveau zu der Güte der Gestaltung zurückzuführen. Nicht angepasste Geschwindigkeit ist außerorts die Hauptunfallursache bei Unfällen mit Getöteten (DESTATIS 2017). Die Unfallstatistik unterstreicht also die Bedeutung, entwurfstechnische Belange auch im Zuge von Erhaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Trotz dieser besonderen Bedeutung werden die entwurfs- und sicherheitstechnischen Belange bei der Erhaltungsplanung noch nicht hinreichend berücksichtigt.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, ein Verfahren zu entwickeln, welches die Geometrie eines Straßennetzes bewertet und - daraus abgeleitet - entsprechende Kriterien für die Integration in Pavement-Management-Systeme definiert. Um darauf aufbauend entwurfstechnische Um- und Ausbauempfehlungen wirksam in das PMS zu implementieren, war die derzeitige Nutzendefinition um sicherheitstechnische Aspekte weiterzuentwickeln.
Dazu waren zunächst die maßgebenden Entwurfsmerkmale abzugrenzen. In diesen Untersuchungen haben sich vor allem die Fahrbahnbreite und die Größe/Abfolge der Lageplanelemente als sicherheitsrelevant herausgestellt.
Fahrbahnbreiten von 7,00 m ≤ B ≤ 8,50 m sind - ähnlich wie bei VIETEN U. A. (2010) - durch ein geringeres Unfallgeschehen gekennzeichnet. Dieser Sicherheitsvorteil breiterer Querschnitte wurde insbesondere bei nicht relationstrassierten Streckenabschnitten festgestellt. Es zeigte sich jedoch, dass die Belange der Linienführung im Lageplan stärker auf die Verkehrssicherheit wirken als die Querschnittsgestaltung. Relationstrassierte Strecken wiesen unabhängig von der Fahrbahnbreite durchschnittlich nur halb so hohe Unfallkennwerte auf wie nicht relationstrassierte Straßenabschnitte. Zur Bewertung der Relationstrassierung hat sich das Maß der Abweichung von den Forderungen der RAL (FGSV 2012a) als geeignetes Kriterium herausgestellt. Bei einer prozentualen Abweichung von Abw > 25 % stiegen in den vorliegenden Streckenkollektiven die Unfallkennwerte sprunghaft an.
Anhand dieser Ergebnisse wurde ein Verfahren zur entwurfstechnischen Bewertung von Straßennetzen erarbeitet. Das Verfahren basiert auf einem dreistufigen Bewertungssystem, welches das Maß der Abweichung von den Entwurfsrichtlinien beschreibt. Im Ergebnis werden allgemeine Empfehlungen zur Anpassung der Linienführung in Abhängigkeit vom Längenanteil sicherheitskritischer Kurven an der Gesamtlänge des Straßenabschnitts formuliert.
Die Empfehlungen für entwurfstechnische Maßnahmen können über sogenannte Anwendungsbereiche bei der strategischen Erhaltungsplanung mittels PMS berücksichtigt werden. In Abhängigkeit vom Längenanteil sicherheitskritischer Kurvenbereiche sind nur bestimmte Erhaltungsmaßnahmen zulässig. Damit können höherwertige (und somit geschwindigkeitserhöhende) Maßnahmen der baulichen Erhaltung bei Straßenabschnitten mit unzureichender geometrischer Gestaltung ausgeschlossen bzw. abgegrenzt werden.
Diese Bereiche sind in der Linienführung elementweise bzw. gänzlich anzupassen. Entsprechende Um- und Ausbaumaßnahmen waren daher im letzten Schritt wirksam in das PMS zu integrieren. Den erfahrungsgemäß höheren Kosten dieser Maßnahmen steht der zu erwartende volkswirtschaftliche „Gewinn“ infolge vermiedener Straßenverkehrsunfälle gegenüber. Daher wurde die Definition des Nutzens bei Um- und Ausbaumaßnahmen um einen Wichtungsfaktor erweitert, welcher das tatsächliche Unfallgeschehen der jeweiligen Straßenabschnitte berücksichtigt.
Mit dem entwickelten Verfahren können bei der strategischen Erhaltungsplanung nun entwurfstechnische Belange ebenfalls berücksichtigt werden. Die aus den Sicherheitsuntersuchungen abgeleiteten Parameter und Kriterien orientieren sich an der Grundstruktur der Straßendatenbanken. Damit ist es möglich, bestehende PMS-Module anzupassen sowie ein eigenständiges Modul „Um- und Ausbau“ zu entwickeln und in das Gesamtsystem zu implementieren. Die erforderliche Datengrundlage ist zum Teil bereits in den Straßendatenbanken vorhanden bzw. kann mit vertretbarem Aufwand berechnet werden. Bei konsequenter Anwendung des Verfahrens wird sich die Sicherheit auf Landstraßen mittel- und langfristig verbessern.:1 Einleitung
2 Stand von Wissenschaft und Technik
2.1 Sicherheitstechnische Aspekte bei der Festlegung von Entwurfselementen
2.1.1 Elemente des Querschnitts
2.1.2 Elemente des Lageplans
2.1.3 Elemente des Höhenplans
2.1.4 Räumliche Linienführung
2.1.5 Sichtweite
2.1.6 Verfahren zur entwurfstechnischen Bewertung von Straßen
2.1.7 Schlussfolgerungen für die Untersuchung
2.2 Stand der Regelwerke
2.2.1 Gestaltungsgrundsätze der Entwurfsrichtlinien
2.2.2 Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL)
2.2.3 Merkblatt zur Übertragung des Prinzips der Entwurfsklassen auf bestehende Straßen (M EKLBest)
2.2.4 Erhaltungsplanung
2.2.5 Schlussfolgerungen für die Untersuchung
3 Ziel der Arbeit und Vorgehensweise
3.1 Ziel und Abgrenzung der Arbeit
3.2 Allgemeine Vorgehensweise
3.3 Möglichkeiten der Datenbereitstellung und Datenerhebung
3.3.1 Straßendatenbanken
3.3.2 Kinematische Datenerfassung und Datenaufbereitung
3.4 Netzweite Berechnung entwurfstechnischer Parameter
3.4.1 Abgrenzung der Straßenabschnitte
3.4.2 Berechnung der Fahrbahnbreite
3.4.3 Berechnung der Elementrelationen
3.4.4 Berechnung der Kurvigkeitsdifferenzen
3.4.5 Detektierung von kritischen Sichtschattenbereichen
3.4.6 Detektierung verdeckter Kurvenbeginne
3.5 Analyse des Unfallgeschehens
3.5.1 Kenngrößen der Unfallanalyse
3.5.2 Netzzuordnung der Unfälle
3.5.3 Spezifizierung der Unfalldaten
3.5.4 Berechnung der relativen Unfallkenngrößen
3.5.5 Bildung von Untersuchungskollektiven
3.5.6 Fahrbahnbreite
3.5.7 Kurvenradien und Elementfolgen
3.5.8 Kurvigkeit des Einzelbogens und Kurvigkeitsdifferenzen
3.5.9 Sichtschattenbereiche
3.5.10 Verdeckter Kurvenbeginn
4 Einfluss ausgewählter Entwurfsmerkmale auf die Verkehrssicherheit
4.1 Darstellung des Streckenkollektivs
4.2 Fahrbahnbreite
4.3 Kurvenradien und Elementfolgen
4.3.1 Kurvenradius
4.3.2 Folge gegensinnig gekrümmter Kurven
4.3.3 Folge gleichsinnig gekrümmter Kurven
4.3.4 Kurvenradien im Anschluss an Geraden
4.4 Kurvigkeit des Einzelbogens und Kurvigkeitsdifferenzen
4.4.1 Kurvigkeit des Einzelbogens
4.4.2 Kurvigkeitsdifferenzen
4.5 Kritische Sichtschattenbereiche
4.6 Verdeckter Kurvenbeginn
4.7 Zusammenfassung
5 Konzept zur Berücksichtigung entwurfs- und sicherheitstechnischer Aspekte bei PMS
5.1 Verfahren zur entwurfstechnischen Bewertung
5.1.1 Bewertungsphilosophie
5.1.2 Linienführung im Lageplan
5.1.3 Querschnittsgestaltung
5.1.4 Ableitung von Um-/Ausbauempfehlungen
5.2 Maßnahmen für Pavement-Management-Systeme (PMS)
5.2.1 Begriffe der Baulichen Erhaltung
5.2.2 Struktur und Aufbau von PMS
5.2.3 Wahl der Erhaltungsmaßnahmen in PMS
5.2.4 Ableitung zulässiger Erhaltungsmaßnahmen für PMS
5.2.5 Berücksichtigung von Um- und Ausbaumaßnahmen in PMS
5.2.6 Bewertung von Maßnahmen in PMS
5.3 Berücksichtigung von entwurfs- und sicherheitstechnischen Aspekten bei PMS - Verfahrensablauf
5.4 Abschätzung des Ausbaubedarfs von Straßennetzen - Verfahrensablauf
6 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangverzeichnis

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72481
Date22 October 2020
CreatorsHeine, Andreas
ContributorsLippold, Christian, Wellner, Frohmut, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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