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Untersuchungen zur Natur der Laves-Phasen in Systemen der Übergangsmetalle

Laves-Phasen sind intermetallische Verbindungen der Zusammensetzung AB2, die in den Strukturtypen C14 (MgZn2), C15 (MgCu2), C36 (MgNi2) oder deren Abkömmlingen kristallisieren. Diese sind Polytypen mit einem gemeinsamen grundlegenden Strukturmuster. Insgesamt sind über 1400 binäre und ternäre Laves-Phasen bekannt. Sie stellen damit die größte Gruppe der bislang bekannten intermetallischen Verbindungen dar. Laves-Phasen wurden intensiv untersucht um grundlegende Aspekte der Phasenstabilität zu verstehen. Geometrische und elektronische Faktoren haben sich in ihrer Vorhersagekraft bezüglich des Auftretens und der Stabilität einer Laves-Phase aber nur in wenigen Fällen als hilfreich erwiesen. Das Auftreten von Homogenitätsbereichen und damit einhergehender struktureller Defekte ist in den meisten Fällen immer noch unklar und spiegelt grundsätzliche Probleme in der Chemie intermetallischer Verbindungen wider: Das unvollständige Bild der chemischen Bindung, die Tendenz zur Bildung ausgedehnter Homogenitätsbereiche sowie der Einfluss von Minoritätskomponenten auf Struktur und Phasenstabilität ist bei intermetallischen Verbindungen größer als bei vielen anderen Verbindungsklassen. Daher sind die Informationen über Struktur, Stabiblität und physikalische Eigenschaften intermetallischer Verbindungen im Allgemeinen unvollständig und mitunter unzuverlässig oder widersprüchlich. Um diese Probleme anzugehen wurden in dieser Arbeit Laves-Phasen in den Systemen Nb--TM (TM = Cr, Mn, Fe, Co) und Nb--Cr--TM (TM = Co, Ni) als Modellsysteme ausgewählt. Das Ziel der Untersuchung ist, das Wechselspiel zwischen chemischer Bindung, Struktur und Phasenstabilität für die Laves-Phasen auf der Grundlage genauer experimenteller Daten sowie quantenmechanischer Rechnungen zu beleuchten. Die Untersuchungen des binären Systems Nb--Co nehmen hier eine Schlüsselposition ein. Eine Neubestimmung des Phasendiagramms des Systems Nb--Co im Bereich der Laves-Phasen bestätigt die Existenz von Phasen mit C14-, C15- und C36-Struktur. Dabei wurden schmale Zweiphasenfelder C15 + C36 und C15 + C14 sowie ein schmaler, aber signifikanter Homogenitätsbereich der C36-Phase experimentell nachgewiesen. Die Kristallstrukturen von C36-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,265), C15-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,12), C15-NbCo2 und C14-Nb(1+x)Co(2-x) (x = 0,07) wurden mittels Einkristall-Röntgenstrukturanalyse verfeinert. Im Falle von C36-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,265) und C15-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,12) wird bestätigt, dass der Homogenitätsbereich durch Substitution von Nb durch Co erzeugt wird. Im Fall von C14-Nb(1+x)Co(2-x) werden Abweichungen von der Zusammensetzung NbCo2 durch Substitution von Co durch überschüssiges Nb erzeugt, wobei nur eine der beiden Co-Lagen gemischt besetzt wird. Quantenmechanische Rechnungen zeigen, dass dieses Besetzungsmuster energetisch bevorzugt ist. Weder mittels Röntgenbeugung noch mittels hochauflösender Elektronenmikroskopie und Elektronenbeugeng wurden Ordnungsvarianten oder Stapelvarianten der Laves-Phasen beobachtet. In der Kristallstruktur von C36-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,265) ist mehr als ein Viertel des Nb durch überschüssiges Co ersetzt. Von zwei kristallographischen Nb-Lagen wird eine bevorzugt von Co besetzt, so dass sich der Co-Anteil der beiden Lagen etwa wie 2:1 verhält. Co-Antistrukturatome sind relativ zu der Nb-Position verschoben. Triebkraft dieser Verschiebungen ist die Bildung von Nb--Co-Kontakten innerhalb der A-Teilstruktur. Gemischte Besetzung der Nb-Lagen, die Verteilung der Co-Antistrukturatome und mit der Substitution einhergehende Verzerrungen führen zu einer komplizierten Realstruktur. Zur Beschreibung der elektronischen Struktur von C36-Nb(1-x)Co(2+x) (x = 0,265) werden daher verschiedene Modelle verwendet, die Tendenzen sowohl zur beobachteten Mischbesetzung als auch zur Verzerrung der Kristallstruktur aufzeigen. Die elektronische Struktur und chemische Bindung von C14-, C15- und C36-NbCo2 wurde vergleichend untersucht. Berechnungen der Gesamtenergie zeigen sehr geringe Energiedifferenzen zwischen den drei Strukturen, die mit einer sehr ähnlichen Bindungssituation der Polytypen im Einklang ist. In den Systemen Nb--Cr und Nb--Fe wurde der Verlauf der Gitterparameter innerhalb des gesamten Homogenitätsbereichs der Laves-Phase bei ausgewählten Temperaturen untersucht. Die Kristallstrukturen von C15-NbCr2 und C14-NbFe2 wurden erstmals verfeinert. Vorläufige Untersuchungen bestätigen die Existenz von zwei Hochtemperaturmodifikationen (C14 und C36) von NbCr2. Im System Nb--Mn wurde die Mn-reiche Seite des Homogenitätsbereichs bei 800 °C und 1100 °C an aus zweiphasigen (Mn(Nb) + C14) Präparaten isolierten Einkristallen untersucht. Bei 800 °C wird ein Kristall der Zusammensetzung NbMn2 erhalten, während bei 1100 °C ausgeprägte Löslichkeit von Mn in der C14-Phase beobachtet wird. Die Summenformel kann als Nb(1-x)Mn(2+x) (x = 0,13) geschrieben werden. Die Substitution von Nb durch Mn führt zu Verschiebungen der Antistrukturatome bezüglich der Nb-Lagen und damit zur Bildung kurzer Nb--Mn-Abstände. In den ternären Systemen Nb--Cr--Co und Nb--Cr--Ni wurden die Kristallstrukturen der C14-Phasen C14-Nb(Cr(1-x)Co(x))2 und C14-Nb(Cr(1-x)Ni(x))2 am Einkristall untersucht. Neben den auch für die binären C14-Phasen beobachteten Verzerrungen zeigen die Kristallstrukturen eine teilweise geordnete Verteilung von Cr und Co bzw. Cr und Ni auf die beiden kristallographischen Lagen der B-Teilstruktur. Die bevorzugte Besetzung wurde auf der Grundlage von Extended-Hückel-Rechnungen untersucht. Zwar können diese Rechnungen kein quantitatives Bild liefern, jedoch werden Tendenzen im System Nb--Cr--Co richtig wiedergegeben. Im System Nb--Cr--Ni liefern die Rechnungen jedoch dem Experiment widersprechende Ergebnisse. Die Vorhersagekraft der Methode ist also begrenzt. Vergleichende Untersuchungen der Reihe NbTM2, TM = Cr, Mn, Fe, Co mittels Röntgenabsorptionsspektroskopie und Bandstrukturrechnungen zeigen, dass die chemische Bindung der untersuchten Verbindungen im wesentlichen ähnlich ist, aber dass durchaus Entwicklungen innerhalb der Reihe festgestellt werden können. Diese Entwicklung wird besonders in der Verzerrung der C14-Phasen und hier speziell der B-Teilstruktur deutlich, die in den experimentell zugänglichen C14-Phasen in NbMn2 deutlicher ausgeprägt ist als in NbFe2. Analysen der chemischen Bindung mit Hilfe der COHP-Methoden zeigen eine ähnliche Tendenz zur Verzerrung, die vereinfacht auch als Funktion der Valenzelektronenkonzentration aufgefasst werden kann. Berechnungen der Gesamtenergie unterstützen diese Interpretation. Im Gesamtbild der elektronischen Struktur ist eine leichte Zunahme des ionischen Bindungsanteils von TM = Cr zu TM = Co zu erkennen. Die Natur der Laves-Phasen in Systemen der Übergangsmetalle ist ein sehr vielschichtiges Problem, das weiterhin intensive und interdisziplinäre Forschung erfordert. Insbesondere mit der Charakterisierung nichtstöchiometrischer Laves-Phasen wurden aber bereits wichtige Beiträge zum Verständnis der Bildung der Homogenitätsbereiche erarbeitet.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:swb:14-1172078219643-48967
Date21 February 2007
CreatorsGrüner, Daniel
ContributorsTechnische Universität Dresden, Chemie und Lebensmittelchemie, Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Chemische Metallkunde, Prof. Dr. Juri Grin, Prof. Dr. Juri Grin, Prof. Dr. Michael Ruck, Prof. Dr. Gordon Miller
PublisherSaechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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