In Flüssigkeitskreisläufen energietechnischer Anlagen sind nahezu immer Gase eingeschlossen. Diese befinden sich im Fluid gelöst, können aber auch als freie Gase in Form von im Medium mittransportierten Gasblasen oder als Gasansammlung an einem Ort des Kreislaufs auftreten. Freie Gase in geschlossenen Fluidkreisläufen können den Betrieb der Anlage in vielfältiger Weise stören.
Das Löslichkeitsverhalten von Gasen im Fluid und Bedingungen für die Über- bzw. Unterschreitung der Löslichkeitsgrenzen beeinflussen die Menge und Existenz freier Gase. Damit negative Effekte in Anlagen analysiert und verstanden sowie durch angepasste Konstruktion, Auslegung und Betriebsweise, aber auch durch geeignete Befüllung, Entlüftung und Entgasung der Anlagen, gezielt vermieden werden können, ist die Kenntnis der Löslichkeitsgrenze essentiell und deshalb Kernpunkt dieser Arbeit.
Als physikalische Größe zur Beschreibung der Löslichkeit wird der Technische Löslichkeitskoeffizient gewählt. Wichtige energietechnische Anlagen, wie bspw. Solarthermieanlagen, Rückkühlwerke und Erdwärmesonden bzw. -kollektoren nutzen Frostschutzgemische auf Wasser-Glykol-Basis als Wärmeträger. Für Wasser-Glykol-Gemische sind keine temperaturabhängigen Löslichkeitskoeffizienten verfügbar.
Oft wird in der Literatur postuliert, dass „für ein in geringer Verdünnung gelöstes Gas bzw. für geringe Drücke“ das vollständig das Phasengleichgewicht beschreibende Gleichungssystem „in guter Genauigkeit“ auf das Henry-Gesetz reduziert werden kann. Insbesondere in Praxis-Anwendungen wird dies ohne Nachweis nahezu immer genutzt. Am Beispiel Stickstoff-Wasser wird gezeigt, dass alle betrachteten Vereinfachungen im fokussierten Druck- und Temperaturbereich summarisch eine Abweichung im ermittelten Gasgehalt von maximal 1,8 % bewirken und damit für praktische Untersuchungen als ausreichend angesehen werden können. Ein deutlicher Genauigkeitsgewinn mit einer resultierenden Abweichung von maximal 0,3 % lässt sich erreichen, wenn die Poynting-Korrektur des Gases berücksichtigt wird.
Es ist gelungen ein Verfahren zur Bestimmung von der Löslichkeit umzusetzen, das zu plausiblen Messergebnissen für die gegebenen Anforderungen führt. Ermittelte Löslichkeitskoeffizienten konnten durch vergleichende Versuche mit dem gut beschriebenen Lösungsmittel Wasser kalibriert werden. Es wurden entsprechende Messunsicherheitsalgorithmen entwickelt, die auch mathematisch zeigen, dass vorhandene Messunsicherheiten durch die Kalibrierung stark reduziert werden können.
Die Messmethodik zeichnet sich dadurch aus, dass gewisse Mengen an Störgasen bzw. eine gewisse, bereits im Ausgangszustand bestehende Beladung der Flüssigkeit mit Arbeitsgas bei der hier entwickelten differentiellen Ermittlung der Löslichkeitskoeffizienten zwischen zwei Phasengleichgewichten – im Gegensatz zu vielen Verfahren der Literatur – keinen relevanten Einfluss haben. Der Versuchsaufwand lässt sich damit erheblich reduzieren und ermöglicht auch die Bestimmung der Gaslöslichkeit in einem Flüssigkeitsgemisch mit stark flüchtigen Komponenten.
Für Stickstoff sind Löslichkeitskoeffizienten für drei Wasser-Proylenglykol- bzw. Wasser-Ethylenglykol-Gemische (25 Gew.-%; 41,84 Gew.-% und 75 Gew.-% Glykol) sowie reines Propylen- bzw. Ethylenglykol bei Temperaturen im Bereich 10 °C bis 110 °C ermittelt worden. Löslichkeitskoeffizienten für Sauerstoff wurden für Wasser-Glykole mit 41,84 Gew.-% Propylen- bzw. Ethylenglykol ermittelt.
Es zeigt sich, verglichen mit Wasser, eine grundlegend andere Temperaturabhängigkeit der Löslichkeitskoeffizienten. Ergebnisse von dem sehr häufig in Solarthermieanlagen eingesetzten Wasser-Propylenglykol-Gemisch mit 41,84 Gew.-% Glykol zeigen beispielsweise für Stickstoff und auch Sauerstoff eine deutlich niedrigere Löslichkeit bei geringen Temperaturen und mit steigender Temperatur stark steigende Löslichkeitskoeffizienten. Durch die Bereitstellung von Regressionskurven sind die neuen Erkenntnisse den Anwendern einfach zugänglich.
Der Einfluss von in Fertiggemischen zugesetzten Additiven auf die Stickstoff-Löslichkeit der Wasser-Glykole kann als gering eingeschätzt werden.
Sauerstoff wird in Tyfocor LS allmählich chemisch gebunden. Die chemische Bindung ist bei einem Versuch bei 49,5 °C noch nicht beobachtbar, bei 78 °C jedoch deutlich sichtbar. Die Reaktionsgeschwindigkeit steigt mit zunehmender Temperatur. Bei Tyfocor-Wasser-Gemisch sowie beiden reinen Wasser-Glykol-Gemischen mit 41,84 Gew.-% Glykol ist hingegen keine chemische Bindung beobachtbar. Additive des Tyfocor-Wasser-Gemischs haben auch für Sauerstoff keinen signifikanten Einfluss auf die Löslichkeit.
Aus den ermittelten Regressionen der Löslichkeitskoeffizienten ist die sich ergebende Löslichkeit im Phasengleichgewicht in sogenannten Henry-Diagrammen dargestellt worden. Auch hier bestätigt sich deutlich von Wasser abweichendes Verhalten der (Wasser-)Glykole.
Vereinfachte theoretische Untersuchungen zur Gaslöslichkeit in einigen energietechnischen Anlagen unter Verwendung von statischer Druckhaltung mittels Membranausdehnungsgefäß und weiteren praxisnahen Randbedingungen zeigen die deutlichen Unterschiede im Verhalten zwischen Wasser und Wasser-Glykol, insbesondere bei der Solarthermie.
Für die in der Literatur durchgeführten Analysen und beobachteten Phänomene zu Solarthermie-Anlagen mit Fokus Gasbeladung liefern die Erkenntnisse dieser Arbeit zu Wasser-Glykol-Gemischen auf Propylenglykol-Basis plausible Erklärungen. Auch eine durchgeführte umfassende Gasanalyse eines realen Rückkühlkreislaufes lässt sich mit den ermittelten Löslichkeitskoeffizienten für Wasser-Glykole auf Ethylenglykol-Basis logisch darstellen; aufgetretene Phänomene lassen sich schlüssig erklären. Beide Untersuchungen können somit als ergebnisvalidierende Praxisbeispiele gelten.
In der Solartechnik wurde vor dieser Arbeit für Belange der Befüllung, Entlüftung, Entgasung und Stagnation aufgrund fehlenden besseren Wissens von einem dem Wasser ähnelnden temperaturabhängigen Löslichkeitsverhalten ausgegangen. In der Arbeit konnte jedoch gezeigt werden, dass ein Wasser-Glykol-Gemisch ein völlig anderes Löslichkeitsverhalten zeigt (Löslichkeitskoeffizienten, Henry-Diagramm und Löslichkeitsgrenzen in realen Anlagen). Dementsprechend kann die Annahme von wasserähnlichem Verhalten zu völlig falschen Ansätzen in Konstruktion und Betrieb von Wasser-Glykol-Kreisläufen sowie Fehlinterpretationen des Anlagenverhaltens in der Praxis, aber auch in Forschung und Entwicklung führen. Mit den auf dieser Arbeit basierenden Veröffentlichungen konnte v. a. die Solarbranche diesbezüglich sensibilisiert werden. Die Arbeit stellt mit den ermittelten Löslichkeitskoeffizienten, zugehörigen Regressionsgleichungen und Henry-Diagrammen die Grundlagen für die Nutzung der Erkenntnisse in der Praxis bereit.
Von dem hier vorgestellten Gesichtspunkt der Löslichkeit sollte eine Wasser-Glykol basierte Solarthermieanlage weniger Gasblasenprobleme aufweisen als eine Anlage mit Wasser. In der Praxis treten jedoch auch bei Wasser-Glykol-Anlagen teils erhebliche Probleme mit Gasen auf. Dort sind folglich v. a. andere Mechanismen, die die Vorgänge bei Befüllung, Entlüftung und Betrieb bestimmen, für die Probleme mit freien Gasen verantwortlich. Das Löslichkeitsverhalten kann aber als direkte Ursache weitgehend ausgeschlossen werden.:1 Ausgangspunkt und Motivation
2 Löslichkeit von Gasen
3 Wasser-Glykol-Gemische
4 Methodik zur experimentellen Bestimmung von Löslichkeitskoeffizienten
5 Durchgeführte Versuche und deren Auswertung
6 Löslichkeit von Stickstoff und Sauerstoff in Wasser-Glykol-Gemischen in Theorie und Praxis (Anwendung auf Anlagen)
7 Zusammenfassung und Fazit
8 Literaturverzeichnis
A Anhang
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:74227 |
Date | 23 March 2021 |
Creators | Panitz, Felix |
Contributors | Felsmann, Clemens, Heller, Winfried, Eismann, Ralph, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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