Landnutzungsänderungen, Habitatverlust und Fragmentierung gehören zu den Hauptursachen des weltweiten Biodiversitätsrückgangs. In Mitteleuropa zählen Kalkmagerrasen zu den artenreichsten Lebensräumen. Sie weisen eine hohe Vielfalt an xero- und thermophilen Pflanzen- und Invertebratenarten auf, sind jedoch zunehmend durch landwirtschaftliche Intensivierung und Nutzungsaufgabe gefährdet. Sie sind auf Beweidung und Mahd angewiesen, was jedoch für die Landwirte heutzutage unwirtschaftlich geworden ist. Daher finden sich zunehmend kleine Fragmente innerhalb einer für die meisten der spezialisierten Magerrasenarten ungeeigneten, von intensiver Landwirtschaft geprägten Umgebung.
Der erste Teil dieser Arbeit untersucht den Einfluss der Fragmentgröße, der Habitatkonnektivität, der Zusammensetzung der umgebenden Landschaft und der Pflanzenartenzahl auf die Zusammensetzung der Zikadengemeinschaft. Zikaden sind eine überaus artenreiche Gruppe phytophager Insekten mit enger Bindung an die Vegetationsstruktur und -zusammensetzung. In der Umgebung von Göttingen wählten wir 14 große (>1 ha) und 14 kleine (<1 ha) Kalkmagerrasenflächen entlang von Gradienten zunehmender Konnektivität mit anderen Magerrasenflächen, zunehmender Pflanzenartenzahl und zunehmender Landschaftskomplexität, d.h. dem Prozentsatz Ackerfläche innerhalb eines 500 m-Radius, aus.
Zunehmende Isolation verringerte die Zikadenartenzahl in einfachen (von Feldern geprägten), jedoch nicht in komplexen Landschaften. Dieser Effekt wurde von den Generalisten getrieben. Die Artenzahl der Generalisten nahm auf kleinen Fragmenten mit zunehmender Konnektivität zu, wogegen sie auf großen Flächen unverändert blieb. Weiterhin nahm die Artenzahl der Generalisten mit steigender Pflanzenartenzahl auf vernetzten Magerrasen stärker zu als auf unvernetzten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Insektenartenvielfalt auf Kalkmagerrasenfragmenten nicht nur durch Konnektivität allein geprägt wird, sondern vielmehr von einem Zusammenspiel aus Konnektivität, Landschaftszusammensetzung und Pflanzenartenzahl bestimmt wird.
Im zweiten Teil dieser Arbeit verfolgen wir das Ziel, zur Lösung der sogenannten SLOSS-Debatte (“Single Large Or Several Small”) beizutragen, in der diskutiert wird, ob es besser ist, wenige große oder mehrere kleine Fragmente eines Habitattyps zu erhalten. Man nimmt an, dass kleine Fragmente aufgrund der größeren abgedeckten geographischen Distanzen eine größere Heterogenität und dadurch eine höhere Gesamtartenzahl aufweisen. Dagegen weisen große Fragmente stabilere Lebensraumbedingungen und größere Populationen auf. Neben Zikaden und Pflanzen wurden auch Daten zu Wanzen und
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Schnecken aufgenommen. Sowohl die Gesamtartenzahl aller vier Taxa als auch die Zahl der Spezialisten war auf mehreren kleinen Fragmenten wesentlich höher als auf einem oder zwei großen Fragmenten gleicher Gesamtgröße. Jedoch war die Artenzusammensetzung auf großen und kleinen Fragmenten unterschiedlich und einige der seltensten Spezialisten waren an große Flächen gebunden. Hingegen spielte die Zusammensetzung der umgebenden Landschaft keine wichtige Rolle für Artenzahl und -zusammensetzung. Diese Ergebnisse stellen den Fokus auf entweder große oder kleine Habitatfragmente infrage. Für einen erfolgreichen Biodiversitätserhalt ist daher der Schutz sowohl großer als auch kleiner Habitatfragmente zwingend notwendig.
Im dritten Teil dieser Arbeit untersuchen wir den Einfluss der Bewirtschaftungsart (Beweidung, Mahd, Nutzungsaufgabe), der Landschaftszusammensetzung und Konnektivität auf die Artenzahl, Artenzusammensetzung und merkmalsbasierte Reaktionen (Körpergröße und Rote Liste-Status) von neun Taxa: Pflanzen, Schmetterlinge, Bienen, Heuschrecken, Schwebfliegen, Spinnen, Wanzen, Kurzflügler und Zikaden. Wir wählten 30 kleine Kalkmagerrasenfragmente (<1 ha) entlang von unabhängigen Konnektivitäts- und Landschaftskomplexitätsgradienten aus.
Ein zunehmender Prozentsatz an Ackerfläche in der Umgebung der Fragmente führte zu einem Verlust von 29 % der Gesamtartenzahl. Wir nehmen an, dass Landschaften, die von Ackerfläche dominiert werden, weniger Alternativhabitat und Nahrungsressourcen bieten, was zu einer verringerten Artenzahl führt. Habitatkonnektivität erhöhte im Allgemeinen die Artenzahl. Dieser Effekt war bei den großen, vermutlich ausbreitungsfähigeren Arten eines Taxons stärker ausgeprägt als bei den kleinen Arten. Beweidung hatte einen deutlich negativeren Einfluss auf die Artenzahl als Mahd (einmal jährlich) oder kurzzeitige Nutzungsaufgabe (5-15 Jahre). Der Grund dafür könnte der durch Beweidung verursachte größere Schaden und die Entnahme der Nahrungsressourcen phytophager Insekten sein. Zudem führte jeder der drei Bewirtschaftungsweisen zu einer unterschiedlichen Artenzusammensetzung aller Taxa. Daher sollte die bevorzugte Bewirtschaftungsoption kleiner Kalkmagerrasenfragmente ein Wechsel zwischen Mahd und kurzzeitiger Nutzungsaufgabe in Kombination mit einer Diversifizierung der umgebenden Landschaft sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die allgemein verbreitete Konzentration auf große Habitatfragmente überdacht werden sollte, da der Schutz sowohl kleiner als auch großer Fragmente unerlässlich ist. Bei der Planung von Schutzmaßnahmen für fragmentierte Offenlandlebensräume sind lokale Einflüsse wie Fragmentgröße und Bewirtschaftung zwar
wichtig, aber nicht ausreichend: Landschaftsfaktoren wie Habitatkonnektivität und Landschaftszusammensetzung müssen ebenfalls in die Schutzbemühungen mit einbezogen werden um das langfristige Überleben von spezialisierten Pflanzen- und Invertebratenarten zu sichern.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-0022-5FAA-9 |
Date | 22 July 2014 |
Creators | Rösch, Verena |
Contributors | Tscharntke, Teja Prof. Dr. |
Source Sets | Georg-August-Universität Göttingen |
Language | English |
Detected Language | German |
Type | doctoralThesis |
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