Im Mittelpunkt der in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen steht die Aufklärung der Strukturen der Komplexe von Uran mit aliphatischen (Hydroxy-)Carbonsäuren als Liganden sowie die Strukturen, die bei Sorption von Uran an dem Eisenmineral Hämatit in An- und Abwesenheit organischer Säuren gebildet werden. Das ternäre System aus Hämatit, Uran(VI) und organischem Ligand ist sehr komplex. Daher ist es notwendig eine Aufspaltung in einfachere binäre Systeme vorzunehmen und die Ergebnisse dieser Teilsysteme heranzuziehen, um das komplexere ternäre System zu verstehen.
Anhand der umfangreichen durchgeführten Arbeiten zu den wässrigen Uran(VI)-Komplexen können nun Rückschlüsse von der Struktur einer Carbonsäure auf die Struktur der gebildeten Uran(VI)-Komplexe in Abhängigkeit vom pH getroffen werden. Zuerst sollte festgehalten werden, dass Uran(VI) üblicherweise pentagonal-bipyramidale Komplexe ergibt. Das Pentaaquauranylion zeigt beispielsweise zwei axiale Sauerstoffatome (Oax) bei einem Abstand von 1,76 Å und fünf äquatoriale Sauerstoffatome (Oeq) bei einem Abstand von 2,40 Å, die von koordinierten Wassermolekülen stammen. Im Zuge der Komplexierung mit organischen Liganden werden die Wassermoleküle durch organische Liganden ersetzt, was zu messbaren Veränderungen der Bindungsabstände führt.
Monocarbonsäuren bilden mit Ausnahme der Ameisensäure nacheinander mit steigendem pH 1:1-, 1:2- und 1:3-Komplexe. Die teilweise in der Literatur postulierten 1:4-Komplexe beschränken sich wahrscheinlich auf extrem hohe Ligandkonzentration (>>1 M) oder nicht-wässrige Lösungen (z. B. 1:4-U-ac-Komplex [Ryan 1967]). Anhand der Verringerung der spektralen Aufspaltung Δν der symmetrischen und antisymmetrischen Valenzschwingung der Carboxygruppe konnte für diese Komplexe eine bidentate Koordination nachgewiesen werden. Mittels EXAFS konnte die bidentate Struktur anhand einer Verlängerung des Oeq-Abstandes auf 2,47 Å im Falle der 1:3-Komplexe in den Systemen U-ac und U-prop bestätigt werden. Die Ameisensäure hingegen bildet monodentate Komplexe. Dies konnte durch eine Erhöhung von Δν und eine Verkürzung des Oeq-Abstandes gezeigt werden. Ursache für dieses Verhalten ist der fehlende +I-Effekt durch den organischen Rest, der unter anderem eine deutliche Erhöhung der Säurestärke im Falle der Ameisensäure nach sich zieht.
Bei Bi- und Tricarbonsäuren bestimmt der Abstand der Carboxygruppen zueinander, welche Art der Koordinierung auftritt. Werden die Carboxygruppen durch maximal ein Kohlenstoffatom voneinander getrennt (Oxal- und Malonsäure) oder wird durch eine cis-Doppelbindung eine cis-Konfiguration der Carboxygruppen zueinander erzwungen (Maleinsäure), treten 1:1- und 1:2 , sowie für Oxalsäure auch 1:3-Komplexe mit chelatartiger Koordinierung auf. Dies wird durch eine Erhöhung von Δν und eine Verringerung von r(U-Oeq) auf 2,36 Å (1:2-Komplexe) untermauert. Liegen mindestens zwei Kohlenstoffatome zwischen den Carboxygruppen (Bernsteinsäure, Tricarballylsäure), so bilden sich überwiegend bidentate Komplexe aus. Der 1:3-Komplex im System U-suc ist allerdings gemischt bidentat/monodentat und erreicht deshalb auch einen gegenüber dem 1:3 U-ac Komplex etwas verkürzten Oeq-Abstand von 2,45 Å.
Eine weitere wichtige Gruppe von Liganden sind die α- und β-Hydroxycarbonsäuren. Die α-Hydroxycarbonsäuren bilden 1:1-, 1:2-, 2:2- und 3:3-Komplexe aus. Der Ligand koordiniert dabei als 5-Ring-Chelat an Uran(VI). Die Bildung polynuklearer Spezies wird belegt mit einem stufenweisen und sehr starken Ansteigen der Absorption im UV/VIS-Bereich, der durch eine Deformation der linearen O=U=O-Bindung hervorgerufen wird. Außerdem zeigt die EXAFS-Spektroskopie, dass bei pH ~ 2–4 eine U-U-Wechselwirkung bei r(U-U) ~ 3,92 Å auftritt, wodurch die Bildung eines µ2-O verbrückten Dimers nachgewiesen ist. Im nahneutralen pH-Bereich (pH 6–7) ist eine sehr starke U-U-Wechselwirkung bei r(U-U) ~ 3,83 Å er-kennbar. Diese kann durch Ausbildung einer µ3-O verbrückten dreikernigen Struktur erklärt werden. Zwischen den α-Hydroxymonocarbonsäuren und den α-Hydroxydi- und -tricarbon-säuren, die als substituierte Äpfelsäure aufgefasst werden können, besteht der wesentliche Unterschied, dass die Homologen der Äpfelsäure das Dimer im oben genannten pH-Bereich als dominierende Spezies aufweisen, während es bei den Monocarbonsäuren erst bei höheren pH-Werten (pH ~ 4–5) und lediglich zu ~50 % (lac) auftritt. Die β-Hydroxycarbonsäuren bilden hingegen bidentat koordinierende 1:1-, 1:2- und 1:3-Komplexe. Die 1:3-Komplexe sind isostrukturell zum 1:3-U-ac-Komplex. Die Hydroxygruppe in β-Position beteiligt sich folglich nicht an der Komplexierung.
Bei der Sorption von Uran(VI) an Hämatit in An- und Abwesenheit organischer Liganden ergibt sich ein breit gefächertes Spektrum an Möglichkeiten. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Sorption etwa bei pH 3–4 einsetzt und im nahneutralen pH-Bereich (pH 6–7) maximal wird. Die Anwesenheit organischer Liganden bewirkt im Allgemeinen eine Verschiebung der Sorptionskante zu höheren pH-Werten, wobei folgende Reihenfolge der pH-Werte bei 50 %iger Sorption zu beobachten war: ohne Ligand ~ Protocatechusäure < Essigsäure < Bernsteinsäure < Weinsäure. Weiterhin kann festgestellt werden, dass die Sorptionskomplexe in der Nähe der Sorptionskante monomer sind und in oligomere Urankomplexe im nahneutralen pH-Bereich übergehen.
Ohne Zugabe eines Liganden bildet sich mit steigendem pH zuerst ein über Kante verknüpfter, monomerer Sorptionskomplex (ES-Monomer) aus, der sich durch einen Fe-Abstand von ~3,45 Å und einen Oeq-Abstand von ~2,40 Å auszeichnet. Im neutralen pH-Bereich sorbiert Uran als oligomerer (wahrscheinlich dreikerniger) Sorptionskomplex (ES-Trimer) mit r(U-U) = 3,82–3,88 Å und r(U-Oeq) = 2,33–2,37 Å. Im Übergangsbereich kann sich zu geringen Teilen ein einfach oder doppelt über Ecke verknüpfter Sorptionskomplex (SCS- oder DCS-Monomer), wobei das SCS-Monomer einen Fe-Abstand von ~3,70–3,75 Å und einen Oeq-Abstand von ~2,40 Å aufweist, bilden. In Gegenwart von Essigsäure ändern sich lediglich die Strukturparameter minimal.
In Gegenwart von Bernstein- und Weinsäure bilden sich im Gegensatz dazu über den Liganden verknüpfte Sorptionskomplexe aus, die also keine U-Fe-Wechselwirkung zeigen und sich besonders durch ihren sehr niedrigen DW(Oeq) von den anderen Sorptionskomplexen unter-scheiden. Im neutralen pH-Bereich liegen wiederum dreikernige Sorptionskomplexe vor, wo-bei es im Falle der Weinsäure auch möglich wäre, dass das aus dem aquatischen System be-kannte Trimer über die Weinsäure an die Oberfläche bindet.
Im Unterschied dazu sorbiert Uran(VI) in Gegenwart der Protocatechusäure nahe der Sorptionskante als Gemisch eines monomeren ES- und DCS-Komplexes. Bei weiterer Erhöhung des pH dominiert der DCS-Komplex, der eine starke U-Fe-Wechselwirkung bei r(U-Fe) = 4,19 Å zeigt. Eine Oligomerisierung bleibt in diesem Falle aus.
Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkung von Uran(VI) mit organischen Säuren, sowie von Uran(VI) mit Hämatit in Gegenwart organischer Säuren, bei und liefern die Strukturen für die gebildeten wässrigen Komplexe und die Sorptionskomplexe. Damit unterstützen sie den Aufklärungsprozess des Transports radioaktiver Stoffe und können somit zuverlässigere Risikobewertungen für Endlager nuklearer Abfälle und für Rückstände des Uranerzbergbaus ermöglichen. / This study is focussed on throwing light on the structures of uranium(VI) complexes with aliphatic (hydroxy-) carboxylic acids and on the structures of the sorption complexes on the iron mineral hematite in presence and absence of organic acids. The ternary system of hematite, uranium(VI), and organic ligand is very complicated, thus it is necessary to decompose it in binary systems. The results within these binary systems are used to better understand the complicated ternary system.
Based on the comprehensive investigations on the aqueous uranium(VI) complexes, it is now possible to draw inferences from the structure of the carboxylic acid about the structure of the formed uranium(VI) complex in dependence of the pH. At first it has to be mentioned that uranium(VI) commonly gives pentagonal bipyramidal complexes. The pentaaquauranylion is formed by two axial oxygen atoms (Oax) at a distance of 1.76 Å and five equatorial oxygen atoms (Oeq) at 2.40 Å stemming from coordinated water molecules. Due to complexation with organic ligands water is replaced by the ligand, thus the interatomic distances change.
Monocarboxylic acids, except for formic acid, form with rising pH 1:1, 1:2, and 1:3 complex-es, successively. 1:4-complexes that were sometimes postulated in literature are probably restricted to very high ligand concentrations (>>1 M) or to non-aqueous solutions. On the basis of the decrease of the spectral splitting Δν of the symmetric and antisymmetric vibration mode of the carboxylic group bidentate coordination is verified. By using EXAFS spectros-copy the structure of the 1:3 complexes with acetic and propionic acid shows an elongation of the U-Oeq distance (r(U-Oeq)) to 2.47 Å and a six fold coordination in the equatorial plane. This distance is characteristic for bidentate coordination of the carboxylic group. In contrast, formic acid gives monodentate complexes. This is proved by an increase of Δν and a shortening of r(U-Oeq). The reason for this behaviour is the missing +I effect from the organic chain that accounts for a dramatically stronger acidity of formic acid.
Among the bi- and tricarboxylic acids, the distance between the carboxylic groups is decisive for the prevailing mode of coordination. If the carboxylic groups are only separated by no more than one carbon atom (oxalic and malonic acid) or if the cis-configuration of the carboxylic groups is enforced by a cis-configuration of the ligand (maleic acid), 1:1 and 1:2 complexes with chelating coordination will be formed. This is evidenced by an increase of Δν and a decrease of r(U-Oeq) to 2.36 Å (1:2-complexes). If at least two carbon atoms separate the carboxylic groups from each other (succinic acid), the coordination will be mainly bidentate. However, the 1:3 complex in the U-suc system gives a mixed bidentate/monodentate coordination, thus r(U-Oeq) is only increased to 2.45 Å.
Another important group of ligands are the α- and β-Hydroxy acids. α-Hydroxy acids form 1:1, 1:2, 2:2, and 3:3 complexes with rising pH. In all cases the ligand gives 5-membered ring chelates. The formation of polynuclear species is evidenced by a stepwise and very strong increase of the absorption in the UV-Vis range that is caused by a deformation of the linear O=U=O moiety. Moreover, EXAFS spectroscopy shows a uranium-uranium interaction at r(U-U) ~ 3.92 Å in the pH range of 2–4. This distance gives evidence for the formation of a µ2-O bridged dimer. In the near neutral pH range (pH 6–7) a very strong U-U interaction is visible at r(U-U) ~ 3,83 Å. This feature can be explained by the formation of a µ3-O bridged trimeric structure. The main difference between the α-Hydroxy diacids that can be understood as homologues of malic acid and the α-Hydroxy monoacids (glycolic acid, lactic acid, etc.) is the strength of the dimeric complex. Among the homologues of malic acid the complex sta-bility constant of the dimer is so high that the formation of a 1:2 complex is suppressed and the relative concentration of the dimer is at least 90 % in the pH range of 2–4. Among the α-Hydroxy monoacids the occurrence of the dimer is shifted to higher pH values and the relative concentration is limited (e.g. ~50 % in the U-lac system). On the contrary, β-Hydroxy acids form bidentate coordinated 1:1, 1:2, and 1:3 complexes. The 1:3 complexes are isostructural to the 1:3 complex in the U-ac system. Hence, the β-Hydoxy group does not participate in the coordination.
For the sorption of uranium(VI) on hematite in absence and presence of organic ligands a widespread array of opportunities exists. In general, sorption starts at pH 3–4 and reaches its maximum in the near neutral pH range (pH 6–7). The presence of organic ligands leads to a shift of the sorption edge to higher pH. The following sequence of the pH where 50 % sorp-tion is reached were found: without ligand ~ protocatechuic acid < acetic acid < succinic acid < tartaric acid. Moreover, it can be stated that the complexes near to the sorption edge are monomeric and merge into oligomeric uranium(VI) complexes in the near neutral pH range.
In the absence of organic ligands a monomeric edge-sharing complex (ES monomer) is formed at low pH which is characterized by an U-Fe distance of ~3.45 Å and an Oeq distance of ~2.40 Å. In the near neutral pH range an oligomeric edge-sharing complex (ES trimer) is formed with r(U-U) = 3.82–3.88 Å and r(U-Oeq) = 2.33–2.37 Å. It is possible that in the intermediate pH range a small fraction of single or double corner-sharing (SCS or DCS) complexes occur. The SCS monomer is characterized by r(U-Fe) ~3,70–3,75 Å and r(U-Oeq) ~2,40 Å. The presence of acetic acid has only small effects on the structural parameters.
In presence of succinic and tartaric acid and at low pH the sorption complexes are of the type hematite-ligand-uranium, thus no uranium-iron interaction can be found and the DW(Oeq) is very small in contrast to all the other investigated sorption complexes. In the neutral pH range trimeric sorption complexes are formed again. In case of tartaric acid it is conceivable that the trimeric complex known from the aqueous U-tar system is sorbed to the hematite surface.
In contrast, the presence of protocatechuic acid results in the formation of a mixture of ES and DCS monomeric complexes at low pH. With ongoing increase of pH the fraction of the DCS monomer rises. This DCS complex shows a strong uranium-iron interaction at r(U-Fe) = 4,19 Å. A formation of oligomeric complexes at neutral pH does not appear.
The results gained during all these investigations can help to better understand the interaction of uranium(VI) and carboxylic acids, and beyond that the sorption of uranium(VI) on hematite in the presence of carboxylic acids. Structures of the aqueous and sorption complexes are proposed. All these findings support the ongoing research on the transport behaviour of radioactive matter and may lead to more reliable risk assessment in connection with the permanent disposal of nuclear waste and the residues of uranium mining.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:26910 |
Date | 23 April 2013 |
Creators | Lucks, Christian |
Contributors | Bernhard, Gert, Steinbach, Jörg, Geckeis, Horst, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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