Die flexible Anpassungsfähigkeit an Umgebungsbedingungen und äußere Einwirkungen ist der Schlüssel zur weiteren energetischen Optimierung der Gebäudehülle. Bisherige Glasfassaden mit statischem Eigenschaftsprofil können auf tages- und jahreszeitliche Änderungen von solarer Einstrahlung oder Temperaturverläufen nur unzureichend reagieren. Dynamische Verglasungen gewinnen daher im Fassadenbau immer stärker an Bedeutung. Neben bereits etablierten Systemen wie elektrochromen Gläsern werden in aktuellen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben diverse Konzepte für adaptive, multifunktionale Gebäudehüllen untersucht. Einen innovativen Ansatz bildet der Einsatz von Flüssigkeiten im Scheibenzwischenraum von Mehrscheiben-Isolierverglasungen. Diese können thermisch reguliert, mit speziellen Partikeln versetzt oder sogar zur Algenkultivierung verwendet werden und ebnen so den Weg für den Bau von Niedrigstenergiegebäuden. Neben Problemstellungen zur Bauphysik und Gebäudeautomation ergibt sich insbesondere bei der Verbindungstechnik für die einzelnen Glasscheiben aufgrund der direkten Flüssigkeitsexposition ein erheblicher Forschungsbedarf.
In ersten, bereits realisierten Pilotprojekten wird der aus der Flüssigkeit resultierende hohe hydrostatische Druck, der auf die Verglasung und damit auch auf den Randverbund wirkt, durch aufgesetzte Klemmleisten abgetragen. Die mechanische Klemmung stellt sicher, dass die Randabdichtung in der Lage ist, ihre Funktion dauerhaft zu erfüllen. Diese aufgesetzte Haltekonstruktion durchbricht jedoch die ebenen Oberflächen, die den Reiz schlanker Glasfassaden ausmachen.
Der hohe gestalterische Anspruch, der bei großen Bauprojekten von Architekten und Bauherren nachgefragt wird, kann nur mit einem strukturell geklebten Randverbundsystem erfüllt werden, das für den Einsatz im flüssigen Medium geeignet ist.
Bisher sind keine geeigneten Klebverbindungen bekannt, die eine dauerhafte Dichtigkeit und ständigen Abtrag hoher mechanischer Lasten gleichzeitig gewährleisten können. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass aus der eindiffundierenden Feuchtigkeit ein wesentlicher Schädigungsmechanismus für die geklebte Verbindung resultiert. Die Klebstoffsteifigkeit nimmt dadurch in der Regel ab; auch ein Haftverlust kann die Folge sein. Die vorliegende Arbeit stellt sich der beschriebenen Herausforderung einer strukturellen Klebverbindung unter Einfluss einer dauerhaften Flüssigkeitsexposition. Durch ein zweistufig geklebtes Randverbundsystem sollen die wesentlichen Funktionen Dichten und Lastabtragen spezifisch auf separat wirksame Klebstoffe aufgeteilt werden und dadurch ein wesentlicher Vorteil gegenüber bisherigen Klebverbindungen geschaffen werden.
Ausgehend von diesem Lösungsansatz werden für die Klebstoffauswahl und Materialcharakterisierung ein umfangreiches, maßgeschneidertes Versuchsprogramm sowie Bewertungskonzept entwickelt. Standardisierte Substanz- und Verbundprüfungen umfassen Zug- und Haft-Zugversuche sowie Versuche zur Materialverträglichkeit. In Anbetracht der speziellen Anforderungen der geplanten Anwendung lassen bis dato existierende Bewertungsgrundlagen und Nachweisverfahren jedoch keine hinreichend zuverlässige Aussage zu.
Deshalb werden in dieser Arbeit speziell auf diese Anwendung abgestimmte Versuchsverfahren entwickelt, mit denen die Klebstoffdichtigkeit und Flüssigkeitsaufnahme sowie das Verhalten unter Dauerbeanspruchung analysiert werden. Basierend auf den gewonnenen Ergebnissen werden zwei geeignete Klebstoffsysteme ausgewählt, jeweils eines für die dichtende und eines für die lastabtragende Klebstufe.
Weitere experimentelle Versuche fokussieren sich auf die Überprüfung der Funktionalität des neuartigen Randverbundsystems unter Realbedingungen. Mit diesem Ziel wird ein Bauteilprüfstand entwickelt, der die realitätsnahe Prüfung des komplexen Beanspruchungszustands im Randverbundsystem erlaubt. Die Versuche im Bauteilmaßstab 1:2 liefern die notwendige Datengrundlage zur Validierung eines numerischen Berechnungsmodells. Mithilfe des Modells werden der Glasaufbau und das neuartige Randverbundsystem dimensioniert und nachgewiesen. Die gewählte Abstraktionstiefe des Modells ermöglicht dabei sowohl eine wissenschaftlich präzise Beurteilung des Tragverhaltens als auch eine praxistaugliche Bemessung.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Kombination der ausgewählten Klebstoffe eine ausreichende Dichtigkeit und Tragfähigkeit aufweist. Experimentell ermittelte, zeitabhängige Verformungen erlauben eine positive Prognose der zu erwartenden Standzeit. In den Bauteilversuchen bleibt der entwickelte Randverbund selbst im teilzerstörten Zustand der Verglasungen und daraus resultierenden, sehr großen Verformungen intakt. Die Klebfuge wird auch unter gemeinhin kritischen Dauerlasten auf hohem Lastniveau rechnerisch nachgewiesen werden, wenngleich dann die Elementabmessungen gegenüber der ursprünglich angestrebten Elementgröße reduziert werden müssen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die Umsetzung eines zweistufig geklebten Randverbundsystems für den Einsatz in flüssigkeitsgefüllten Isolierverglasungen möglich ist. Die entwickelten Prüfverfahren mit definierten Beurteilungsmethoden sowie das ausgearbeitete Versuchsprogramm können für ähnlich gelagerte Fragestellungen herangezogen werden.:1 Einleitung
2 Grundlagen
3 Beispielkonstruktion und Beanspruchungsanalyse
4 Klebstoffauswahl und Charakterisierung
5 Anwendungsspezifische Klebstoffuntersuchungen
6 Untersuchungen im Bauteilmaßstab
7 Berechnung und Dimensionierung
8 Handlungsempfehlungenn
9 Zusammenfassung und Ausblick
10 Literatur / Flexible adaptability to environmental conditions and external influences is a key to further energy optimisation of the building envelope. Current glass façades with a fixed characteristics cannot respond adequately to changes in solar radiation or temperature during the day and over the seasons. Dynamic glazing is therefore becoming increasingly important in façade construction. In addition to established solutions such as electrochromic glazing, research and development activities are currently investigating various concepts for adaptive, multifunctional building envelopes. One innovative approach is the use of fluids in the cavity between the panes of insulating glass units. The fluid can be thermally regulated, mixed with functional particles or even used to cultivate algae. This paves the way for the design of ultra-low energy buildings. In parallel with the building physics and automation issues, there is a particular need for research into the connection techniques for the individual panes due to the direct contact with a fluid.
In the first completed pilot projects, the high hydrostatic pressure acting on the glazing and therefore also on the edge seal, is dissipated by means of attached clamping bars. These external mechanical clamps ensure that the edge seal is able to fulfil its function permanently. However, external mechanical clamps disrupt the smooth surfaces that define the visual appearance of slim glass façades. This high design requirement, often demanded by architects and clients on high value projects, can only be met by a structurally bonded edge seal system designed for use in a fluid medium.
To date, there are no suitable adhesive bonds that can provide both a permanent seal and the ability to withstand high mechanical loads. One of the main reasons for this is the diffusion of moisture, which causes significant damage to the bond. Moisture generally reduces the stiffness of the adhesive and can also cause a loss of adhesion. The present work addresses the challenge of a structural adhesive connection that is permanently exposed to a fluid. By using a two-stage bonded edge seal system, the main functions of sealing and structural load transfer are specifically allocated to the separate adhesives. This results in a significant improvement over conventional bonded joints.
Based on this approach, a comprehensive test programme and evaluation scheme is developed to select and characterise the adhesives. Standardised material and adhesive bonding tests include tensile, adhesion and material compatibility tests. Given the specific requirements of the proposed application, conventional evaluation principles and design methods do not provide sufficient assurance. Therefore, this thesis deals with the development of customised test procedures to analyse the adhesive permeability and fluid absorption as well as the structural behaviour under permanent load. Based on the results obtained, two suitable adhesives are selected, one for sealing and one for structural load transfer.
Further experimental investigations are focusing on testing the functionality of the novel bonded edge seal system under realistic operating conditions. This includes the development of a component test rig that allows the structural behaviour to be realistically investigated under complex loading conditions. Tests on a 1:2 component scale provide a comprehensive data base for the validation of a numerical model. Numerical simulations are used to dimension and verify the glass composition and the adhesive joint. The high level of detail in the numerical modelling allows a scientifically accurate assessment of the load-bearing behaviour as well as a practical design.
The results show that the combination of the selected adhesives provides permanent seal and excellent load carrying capacity. The experimentally determined time-dependent deformations allow for a positive prediction of the service life. Even when the glazing is partially destroyed and the resulting deformations are very large, the developed edge seal remains fully intact during the component tests. The adhesive joint is verified by calculations under generally critical permanent loads at a high stress level, even though the unit dimensions have to be reduced from the original target size.
This study demonstrates the feasibility of utilising a two-stage bonded edge seal system in fluid-filled insulating glass units. The customised test methods consisting of specified assessment procedures and an elaborated test programme can be applied to address and overcome forthcoming challenges.:1 Einleitung
2 Grundlagen
3 Beispielkonstruktion und Beanspruchungsanalyse
4 Klebstoffauswahl und Charakterisierung
5 Anwendungsspezifische Klebstoffuntersuchungen
6 Untersuchungen im Bauteilmaßstab
7 Berechnung und Dimensionierung
8 Handlungsempfehlungenn
9 Zusammenfassung und Ausblick
10 Literatur
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:89153 |
Date | 14 February 2024 |
Creators | Katzera, Alina Fiona Larissa |
Contributors | Weller, Bernhard, Böhm, Stefan, Pfanner, Daniel, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | info:eu-repo/grantAgreement/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)/VDI/VDE Innovation + Technik GmbH/16KN086023//Entwicklung eines Randverbundsystems für eine flüssigkeitsgefüllte Mehrscheiben-Isolierverglasung/fluidIGU |
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