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Einfluss des Schleifprozesses auf die Kantenfestigkeit von thermisch entspanntem Floatglas

Im Bauwesen kommen verschiedene Kantenausführungsarten von Glas zum Einsatz. In Abhängigkeit ihrer Art erfüllen sie Anforderungen an den Schnittschutz, die Maßhaltigkeit und die Ästhetik. Nach DIN 1249-11 erfolgt die Einteilung
entsprechend des äußeren Erscheinungsbildes in geschnittene (KG), gesäumte (KGS), maßgeschliffene (KMG), geschliffene (KGN) und polierte (KPO) Kanten.
Die mechanische Festigkeit der Glaskante ist jedoch gesondert zu betrachten. Die charakteristische Biegezugfestigkeit von Glas ist maßgeblich von dessen Oberflächenzustand abhängig. Die Herstellung und Bearbeitung der Kante erfolgt durch einen Materialeingriff mit harten Schneid- und Schleifwerkzeugen. Dabei werden die Oberflächenbeschaffenheit verändert und das Bruchverhalten beeinflusst. Bisher regelt die europäische Normung Kantenfestigkeiten in der Bemessung in Form von Beiwerten, welche die charakteristische Biegezugfestigkeit pauschal oder in Abhängigkeit der Kantenausführungsart abmindern. Bestehende Untersuchungen zeigen jedoch wesentliche Unterschiede der Kantenfestigkeit in Abhängigkeit von Kantenausführungsart und Herstellungsprozess. Die Bemessungswerte der Kantenfestigkeit gelten als untere Grenze der auf dem Markt verfügbaren Qualitäten.
Wissenschaftlich belegte Beurteilungen der visuellen Kantenqualität mit Einschätzung ihrer mechanischen Festigkeit liegen bisher nur für die geschnittene Kantenausführung vor. Für den industriellen Schneidprozess wurden auf Basis systematischer Untersuchungen Parameter detektiert, die sich positiv auf die Kantenfestigkeit auswirken. Es ist unbekannt, wie sich der Oberflächeneingriff durch Schleif- und Polierprozesse auf die mechanische Festigkeit der dabei hergestellten Kantenausführungsarten auswirkt und welche Ursachen dafür zu benennen sind. Zudem fehlen geregelte, einheitliche Methoden, um die Kantenqualitäten optisch und mechanisch zu erfassen.
Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Versuchsmethodik entwickelt, welche über mikroskopische Analysen und Bruchversuche die Erfassung vergleichbarer optischer und mechanischer Kennwerte ermöglicht. In einer Zusammenführung der Methoden erfolgt erstmalig die Charakterisierung bruchverursachender Fehlstellen und deren Rückführung auf den Entstehungsort im Herstellungsprozess. Anhand einer systematischen Untersuchung verschiedener Kantenausführungsarten eines Herstellers findet die Erprobung und Bewertung der entwickelten Versuchsmethodik statt. Anschließend werden Prozessanpassungen zur Fehlstellenreduzierung vorgenommen und in Bezug auf eine Steigerung der Kantenfestigkeit untersucht. Weitere Analysen des Herstellungsprozesses eines zweiten Herstellers erfolgen für verschieden polierte Kanten. Entsprechend der ermittelten bruchverursachenden Fehlstellen werden Hypothesen für zukünftige Untersuchungen abgeleitet. Die Erkenntnisse dieser Arbeit stellen die wissenschaftliche Grundlage für verfahrenstechnische Handlungsempfehlungen zur Herstellung von Glaskanten dar. Der aktuelle Stand bedeutender europäischer Bemessungsregeln wird für abschließende normative Empfehlungen einbezogen.
Die gesäumte Kante ergibt sich beim ersten Hersteller als Kantenausführungsart mit der höchsten Kantenfestigkeit. Für die maßgeschliffene, geschliffene und polierte Kante ergeben sich im Vergleich zur geschnittenen und gesäumten Kante geringere Festigkeiten. Die Untersuchung der polierten Kantenausführung des zweiten Herstellers ergibt, verglichen mit der polierten Kante des ersten Herstellers, eine
höhere Kantenfestigkeit. Daraus leitet sich der Einfluss der Maschinenkonfiguration als einflussreicher Prozessparameter ab. Die Analyse der bruchverursachenden Fehlstellen zeigt, dass höherfeste Kanten mit einer Reduzierung von mikroskopisch erfassbaren Fehlstellen für die geschnittene, gesäumte und polierte Kante korrelieren. Darüber hinaus gewährleisten die in dieser Arbeit entwickelten Fehlstellenanalysen eine Detektion festigkeitsmindernder Fehlstellen, die auf eine Einbringung nach der Herstellung hindeuten und somit die Notwendigkeit von Kantenschutzmaßnahmen nach sich ziehen.
Definitionen allgemeingültiger Prozessparameter in Schleif- und Polierprozessen, die eine positive Auswirkung auf die Kantenfestigkeit bearbeiteter Kanten haben, sind bisher in der Literatur nicht vorhanden. Die in dieser Arbeit beschriebenen Ergebnisse dienen als Grundlage zur Optimierung der Prozessparameter für hohe Kantenfestigkeiten. Experimentelle Nachweise der mechanischen Festigkeit sind dabei unabdingbar.
Die Kantenqualität ist in optische und mechanische Eigenschaften zu unterscheiden. Die optisch als am hochwertigsten geltende polierte Kante geht nicht zwangsläufig mit einer hohen Kantenfestigkeit einher, was eine in der Praxis weitverbreitete Annahme widerlegt. In diesem Kontext leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zum Verständnis der Herstellungsprozesse und der Bemessung von Glasbauteilen, um den steigenden Anforderungen im konstruktiven Glasbau gerecht zu werden.:1 Einleitung
2 Grundlagen zu Glaskanten
3 Wissensstand zur Kantenfestigkeit
4 Entwicklung einer Versuchsmethodik zur Erfassung der Kantenqualität
5 Systematische Analyse der Kantenqualität eines Herstellers
6 Einfluss von Prozessparametern auf die Kantenfestigkeit nach Kantenausführungsart
7 Diskussion der Ergebnisse
8 Bemessungsansätze für Glaskanten
9 Handlungsempfehlungen
10 Zusammenfassung und Ausblick
11 Literatur / In the building industry, different types of glass edges are used. Depending on their type, they fulfil requirements for cutting protection, dimensional accuracy, and aesthetics. According to DIN 1249-11, the classification is based on the
visual appearance and includes cut (KG), arrissed (KGS), ground (KMG), smooth ground (KGN), and polished (KPO) edge finishing type. However, the mechanical strength of the glass edge requires additional consideration.
The characteristic bending tensile strength of glass depends mostly on its surface condition. During production and processing the edge comes in contact with hard tools, which modifies the optical appearance and influences the strength. Presently, the European standardization regulates the edge strength in the design by general coefficients, which reduce the characteristic bending tensile strength depending on the edge finishing type. Existing studies show a large range of values in edge strength depending on the edge finishing and the manufacturer. The design edge strength considers the lower limits of the available glass edge finishing types.
Scientifically based evaluation of the optical edge quality with assessment of the mechanical strength is available only for the cut edge. For the industrial cutting process, parameters have been determined on the basis of systematic investigations that show a positive influence on edge strength. It is still unknown how surface interferences by grinding and polishing processes affect the edge strength of processed glass edges and what are the underlying mechanisms. In addition, there is a lack of unified methods for assessing the mechanical edge quality.
Within the scope of this work, a test methodology is developed that enables the determination of comparable optical and mechanical characteristics by means of microscopic analysis and destructive tests. A combination of different methods is used to characterize fracture-causing defects and to identify the location of their creation in the manufacturing process. The testing methods are approved and evaluated on the basis of a systematic examination of different edge types of one manufacturer. Subsequently, process adjustments for defect reduction are conducted and investigated with regard to an increase in edge strength. Moreover, the manufacturing process of various polished edge types of a second manufacturer are examined. Thereby, fracture-causing flaws are identified and hypotheses for future investigations are derived that form the basis for processing recommendations for the manufacturing of glass edges. The current status of relevant European design rules is finally discussed for normative recommendations.
The arrised edge finishing type revealed the highest edge strength. For the ground, smooth ground, and polished edges, the edge strength is lower compared to the cut and arrised edges. The examination of the polished edge from the second manufacturer resulted in a higher edge strength compared to the polished edge from the first manufacturer. Therefore, the influence of the machine configuration is derived as an impacting process parameter. The analysis of fracturecausing defects has confirmed that a higher edge strength correlates with a reduction in microscopically detectable defects for the cut, arrised, and polished edge types. The defect analysis also enables the detection of strength-reducing defects that are introduced after production and require edge protection measures.
Definitions of generally valid process parameters in grinding and polishing that positively affect the edge strength of machined edges are unknown. However, the results of this work enable manufacturers to optimize processes specific to their (manufacturing) process in order to ensure high values of edge strength. Nonetheless, experimental verifications are indispensable in this respect.
Optical and mechanical properties of glass edges need to be considered separately. For example, the polished edge is considered to offer the highest optical quality. However, contrary to a widespread assumption, it does not necessarily display high edge strength. A better understanding of the manufacturing processes and the verification of edge strength are necessary for the design to meet the increasing demands in structural glass applications.:1 Einleitung
2 Grundlagen zu Glaskanten
3 Wissensstand zur Kantenfestigkeit
4 Entwicklung einer Versuchsmethodik zur Erfassung der Kantenqualität
5 Systematische Analyse der Kantenqualität eines Herstellers
6 Einfluss von Prozessparametern auf die Kantenfestigkeit nach Kantenausführungsart
7 Diskussion der Ergebnisse
8 Bemessungsansätze für Glaskanten
9 Handlungsempfehlungen
10 Zusammenfassung und Ausblick
11 Literatur

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:90036
Date04 March 2024
CreatorsBukieda, Paulina
ContributorsWeller, Bernhard, Siebert, Geralt, Reich, Stefan, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationinfo:eu-repo/grantAgreement/Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz/AiF ZIM/ZF4123712TA7//Neuartiger Schleifprozess für Bauteile aus Glas/Saum 2.0, info:eu-repo/grantAgreement/Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz/AiF ZIM/ZF4123721HF9//Kante 4.0: Floatgläser mit definierter Kantenfestigkeit für den Einsatz im Fassadenbau/Kante 4.0

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