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Zeitskalen und Synchronisierung. Zeitverständnis in Natur und Gesellschaft

Die Zeitenwende zum neuen Jahrtausend christlicher Zeitrechnung fasziniert die Welt - obwohl das neue Jahrtausend erst am 1. Januar 2001 beginnt. Die Magie des Datums verwundert, lässt sich doch jede Chronologie auf simple Konvention zurückführen und beginnt bei willkürlich gesetzten Zeitpunkten, von denen es im Laufe der Kulturentwicklung bereits viele gegeben hat und gibt. Naturgegeben sind dagegen Zeitskalen - Maßstäbe, die Prozesse in der Natur widerspiegeln, seien es die Periodendauern der (scheinbar!) unveränderlichen Bewegungen von Planeten, Doppelsternen, Pulsaren und anderen astronomischen Objekten, mechanische oder elektrische Schwingungen, die moderne Uhren steuern, Zeitkonstanten biochemischer Prozesse in den Zellen aller Lebewesen, Biorhythmen der Lebensprozesse, Generationsdauern von Lebewesen oder auch Werden und Vergehen geologischer Strukturen sowie der Entwicklung von Ökosystemen. Andererseits hat unser Zeitbewusstsein tiefgehende kulturelle Wurzeln und eine soziale Dimension, die unauflösbar mit dem politisch, wirtschaftlich und religiös geprägten Weltbild der Gesellschaft verwoben ist. Unser individuelles Zeitempfinden, die physiologisch gesteuerte innere Uhr, ist damit in das Spannungsfeld zwischen biologischer und kultureller Tradition einerseits und dem Arbeits- und Lebensrhythmus der modernen Umwelt andererseits gestellt. Sehr viele der unterschiedlichen Prozesse in Natur und Gesellschaft stehen in enger Wechselwirkung und gleichen sich damit in ihrem zeitlichen Ablauf aneinander an. Diese Synchronisierung ist in einfachen Fällen ganz offensichtlich, etwa bei jahreszeitlichen Veränderungen in Ökosystemen, in anderen Fällen (bei Wechselwirkungen mehrerer Prozesse mit inkommensurablen Zeitskalen) aber unter Umständen sehr kompliziert. Charakteristisch für die Neuzeit ist einerseits die Globalisierung wirtschaftlicher und kultureller Prozesse, andererseits die Beschleunigung aller Prozesse in unserer Lebensumwelt, wobei im Gegensatz zu traditionellen Gesellschaften die Zeitkonstanten der Veränderungen in der Lebensumwelt zum Teil erheblich kürzer sind als die Generationsfolge. Dies erfordert hohe Anpassungsleistungen, die Menschen in ihrer bisherigen Entwicklung noch nie abverlangt wurden. Insbesondere betrifft dies die Kommunikation, die hinsichtlich Umfanges und Geschwindigkeit des Informationsangebotes alles bisher Dagewesene weit übertrifft.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72304
Date02 October 2020
PublisherUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:lecture, info:eu-repo/semantics/lecture, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-722327, qucosa:72232

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