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Gesetz und Zwang 2

Gesetz und Zwang - eine durchaus fragwürdige Begriffskombination, die auch im kommenden Semester als Motto über der interdisziplinären Ringvorlesung des Studium universale steht. Ist der Zwang als Sanktion nicht ein notwendiges Element des Gesetzes, das seine Durchsetzungskraft verbürgt? Oder: Übt nicht jedes Gesetz Zwang aus und muss daher bekämpft werden, wie manche meinen? Noch offensichtlicher wird die Ungleichwertigkeit beider Begriffe, wenn sie im Licht ihrer jeweiligen Gegensätze stärker an Profil gewinnen. Dem Gesetz sind Freiheit, aber auch Unterordnung, Chaos, Rechtlosigkeit entgegenzustellen, dem Zwang gleichfalls Freiheit, dazu Freiwilligkeit und andere Ableitungen des gleichen Stammes; er ist weniger vielschichtig und facettenreich und überwiegend negativ konnotiert. Jedenfalls gehören beide zusammen, und ihr Verhältnis ist einiger Überlegung wert. Zu dem allgemeinen Sprachgebrauch kommen die spezifischen Bedeutungsfelder in unterschiedlichen Anwendungsbereichen. In den Rechtswissenschaften sind Gesetze die von Zuständigen festgesetzte Norm des Rechts, die für alle gültig ist. Sie sind von anderen Arten von Verordnungen zu trennen. In den Naturwissenschaften bezeichnen Gesetze die objektiven, notwendigen, allgemeinen und wesentlichen Zusammenhänge zwischen den Dingen. Im religiösen Sprachgebrauch von Judentum und Christentum ist “das Gesetz”, d.h. sind die fünf Bücher Mose eine der Offenbarungen Gottes. Die Frage nach dem Urheber, hier eindeutig beantwortet, ist sonst meist offen. Die jeweiligen Antworten sind von großer wissenschaftlicher, philosophischer, politischer oder ethischer Relevanz. Nicht objektiv existierend und auch nicht von Zuständigen festgelegt sind Regularitäten, d. h. Normen im sozialen Bereich. Sie haben sich im Zusammenleben der Menschen als Orientierungshilfen, Wertvorstellungen und Verhaltensregeln, d.h. als für ihr Miteinander durchaus zwingende Steuerungsmechanismen herausgebildet und werden von den Sozialwissenschaften untersucht. Jede Disziplin, mit der es eine Universität zu tun hat, verfügt über einen eigenen Gesetzbegriff und eigene Gesetze - aber auch Zwänge, wer wüsste das nicht. Fraglos betrifft das Thema “Gesetz und Zwang” uns alle. Am Ende des Semesters, in dem elf Vertreter aus Wissenschaft und Öffentlichkeit ihre Perspektive darstellen, werden wir klüger sein, auch wenn nur eine Auswahl unter vielen Zugangsmöglichkeiten getroffen werden konnte.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72308
Date02 October 2020
PublisherUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:lecture, info:eu-repo/semantics/lecture, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-722327, qucosa:72232

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