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Spektroskopische Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen Uranyl(VI) und den Cellulose-Abbauprodukten α-Isosaccharinsäure und Acetat

Neben der Industrie, der Medizin und Forschung führt vor allem die Energieproduktion durch Kernspaltung zu großen Mengen an radioaktiven Abfällen. Diese gilt es sicher von der Umwelt isoliert zu verwahren. In Deutschland sollen radioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen endgelagert werden. Die dort erwarteten harschen Bedingungen haben nicht nur einen Einfluss auf die Speziation der Radionuklide, sondern ebenso auf den Verbleib anderer Bestandteile des Abfalls. Cellulosische Materialien werden unter endlagerelevanten Bedingungen schnell zu kleinen wasserlöslichen organischen Verbindungen abgebaut. Diese können als Komplexbildner für Radionuklide agieren und somit deren Rückhaltung negativ beeinflussen. Um gesicherte Vorhersagen über das Verhalten bestimmter Radionuklide in der Umwelt machen zu können, ist ein molekulares Verständnis über auftretenden Wechselwirkungen zwischen Radionukliden und organischen Liganden notwendig.
In dieser Arbeit wurde die Wechselwirkung zwischen UO22+ und den Cellulose-Abbauprodukten Acetat (AcO-) und α-Isosaccharinsäure (ISA) untersucht. Acetat wird zwar bei dem abiotischen Abbau von Cellulose nur in sehr geringen Anteilen gebildet, besitzt jedoch als Modell für komplexe organische Liganden mit Carboxygruppen im Rahmen von Untersuchungen zur Metall-Ligand-Wechselwirkung eine besondere Bedeutung. Dementsprechend sollten Lücken hinsichtlich der spektroskopischen Charakterisierung der UO22+-AcO--Spezies geschlossen werden.
In der Literatur wurde bisher lediglich beschrieben, dass der [UO2(AcO)]+-Komplex bei Zimmertemperatur nicht luminesziert, wobei das Auftreten von statischem und dynamischen Quenchen nachgewiesen wurde. Der zugrundeliegende Quenching-Mechanismus konnte in einer Folgestudie, basierend auf theoretischen Berechnungen, nicht identifiziert werden. Die experimentellen Bedingungen wurden in dieser Arbeit so gewählt, dass die drei in der Literatur beschriebenen UO22+-AcO--Komplexe erfasst werden sollten. Dies wurde unter Zuhilfenahme der UV/VIS-Spektroskopie parallel zu den Lumineszenzmessungen untersucht. Die Aufnahme von statischen und zeitaufgelösten Lumineszenzspektren erfolgte bei 20°C und bei -125°C. Bei tiefen Temperaturen konnte eine intensive Lumineszenz des [UO2(AcO)]+-Komplexes nachgewiesen werden. Um eine Erklärung für das Quenchen bei Zimmertemperatur zu finden, wurden theoretische Berechnungen durchgeführt, wobei Bindungsstärken sowie die Ladungen der einzelnen Atome im Grund- und niedrigsten angeregten Zustand berechnet wurden. So konnte gezeigt werden, dass die Anregung der UO22+-Einheit zu einer Schwächung der UO22+-AcO--Bindung führt. Infolgedessen kann der Komplex im angeregten Zustand leichter dissoziieren und so die Anregungsenergie der UO22+-Einheit strahlungslos abgegeben werden. Die Energiebarriere dieses dynamischen Prozesses kann jedoch bei tiefen Temperaturen nicht überwunden werden, was die Lumineszenz bei -125°C erklärt. Somit konnte im Rahmen dieser Arbeit erstmals das Quenchen im UO22+-AcO--System beschrieben und so das generelle Verständnis photophysikalischer Prozesse in UO22+-Systemen erweitert werden.
Im Rahmen der Lumineszenzmessungen konnte keine dritte UO22+-AcO--Spezies gefunden werden, weshalb bei der gleichen UO22+-Konzentration (50 µM) UV/VIS-Messungen durchgeführt wurden. Die Auswertung erfolgte unter den Annahmen dass entweder zwei oder drei UO22+-AcO--Komplexe existieren. Die Bildung von nur zwei Komplexen war ausreichend, um die gemessenen UV/VIS-Spektren zu beschreiben. Dies stimmt jedoch nicht mit der generellen Annahme in der Literatur überein, dass es sich um drei Komplexe handelt. Dahingehend wurde die Potentiometrie als Ausgangspunkt dieser Annahme genau analysiert und unter Berücksichtigung der chemischen Eigenschaften der UO22+-Einheit diskutiert. Ergebnisse aus anderen Studien deuten auf die Wechselwirkung von UO22+ mit der protonierten Form des Liganden, der Essigsäure, hin. Diese wird jedoch bei der Auswertung potentiometrischer Daten und damit bei der Bestimmung der durchschnittlichen Anzahl koordinierender AcO--Moleküle pro UO22+-Einheit (n) nicht berücksichtigt. Eine Berücksichtigung würde zu niedrigeren Werten für n führen, was den Widerspruch zwischen den Ergebnissen dieser und denen anderer Arbeiten erklären kann.
Im zweiten Teil der Arbeit wurde die Wechselwirkung von UO22+ mit der Polyhydroxycarbonsäure α-Isosaccharinsäure, dem Hauptprodukt des Cellulose-Abbaus, umfassend charakterisiert. Da die Untersuchungen unter sauren Bedingungen durchgeführt wurden, stellte die Umwandlung von der Säure- in die Lactonform einen wichtigen Aspekt in diesem System dar. Mittels NMR-Messungen konnte gezeigt werden, dass die Umwandlung der offenkettigen in die Lactonform des Liganden in Gegenwart von UO22+ deutlich schneller verläuft. Dabei wurde weiterhin gezeigt, dass dieser Effekt auf die Wechselwirkung zwischen UO22+ und der protonierten Form der α-Isosaccharinsäure zurückzuführen ist. Die theoretisch berechnete Verschiebung der Elektronendichte, welche bei der Wechselwirkung der beiden Komponenten auftritt, lieferte die Erklärung für die katalytische Aktivität der UO22+-Einheit bei der Lactonbildung. Durch die elektronenziehende Wirkung wird die Elektronendichte am C-Atom der Carboxygruppe verringert. Infolgedessen kann der nukleophile Angriff durch den sekundären Alkohol an dem aktivierten C-Atom leichter erfolgen, was den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bei dieser intramolekularen Reaktion darstellt.
Die Identifizierung und Charakterisierung sowie die Beschreibung von Bildungsmechanismen von UO22+-ISA-Komplexen auf molekularer Ebene erfolgte durch einen Multi-Methoden Ansatz. UV/VIS-, ATR-FTIR-, NMR-, EXAFS- und ESI-MS-Messungen in Kombination mit theoretischen Berechnungen erlaubten eine Beschreibung des Systems von der Metall- und der Ligandseite aus. Basierend auf UV/VIS-Messungen wurden vier dominante UO22+-ISA-Spezies identifiziert. Durch die komplementäre Anwendung von NMR- und ATR-FTIR- sowie der Kombination dieser Methoden mit UV/VIS-Spektroskopie konnten die strukturellen Eigenschaften der identifizierten Spezies bestimmt werden. Es wurde gezeigt, dass UO22+ an zwei verschiedenen Bindungsstellen eines ISA-Moleküls binden kann. Die Koordination erfolgt zum einen über ein O-Atom der Carboxygruppe und zum anderen über ein O-Atom der α- oder β-Hydroxygruppe, sodass es sich bei den dominanten Bindungsmotiven um einen fünf- oder sechsgliedrigen Ring handelt. Durch die Kombination von EXAFS- und UV/VIS-Spektroskopie wurden Spezies mit vergleichbaren Strukturmotiven identifiziert.
Sowohl UV/VIS- als auch ESI-MS-Messungen belegten die Bildung von polynuklearen Spezies. Die Bildung dieser Komplexe konnte mit der Existenz von zwei Bindungsstellen an einem ISA-Molekül erklärt werden. Ausgangspunkt für die Bildung von polynuklearen Spezies sind [(UO2)2(ISA)]3+-Komplexe. Es konnte gezeigt werden, dass die nachgewiesene Wechselwirkung zwischen UO22+ und HISA die Bildung dieser initialen Spezies sowie deren Verbrückung und infolgedessen auch die Bildung polynuklearer Spezies unterdrückt. Basierend auf diesen neuen Erkenntnissen wurden zwei Komplexbildungsmechanismen, welche in erster Linie von dem UO22+-ISA-Verhältnis in Lösung abhängen, identifiziert und beschrieben.
Diese Arbeit offenbart die Notwendigkeit der Kombination von verschiedenen Methoden zur Beschreibung von Metall-Ligand-Wechselwirkungen. Nur so konnte die komplexe Wechselwirkung von UO22+ mit ISA auf molekularer Ebene beschrieben sowie das Quenchen im UO22+-AcO--System aufgeklärt werden. Aus den neuen Erkenntnissen lassen sich aber auch neue vielversprechende Untersuchungen, unter anderem im Bezug auf die katalytische Aktivität der UO22+-Einheit oder auch hinsichtlich der Anwendung von theoretischen Berechnungen zur Generierung experimentell nicht oder nur schwer zugänglicher Informationen, ableiten. Ferner tragen die in dieser Arbeit erhaltenen Ergebnisse zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkung von Uran mit Cellulose-Abbauprodukten bei und stellen damit einen wichtigen Baustein zur umfassenden Sicherheitsanalyse eines nuklearen Endlagers dar.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72403
Date09 October 2020
CreatorsBrinkmann, Hannes
ContributorsStumpf, Thorsten, Eychmüller, Alexander, Technische Universität Dresden, Helmholtz-Zentrum Dresden - Rossendorf e. V.
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
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