„Renewal“ bezeichnet das Wiederauftreten von Angst nach erfolgreicher Expositionstherapie in Folge einer erneuten Konfrontation mit dem phobischen Stimulus in einem neuen, sich vom Expositionskontext unterscheidenden Kontext. Bouton (1994) zufolge deutet diese Angstrückkehr durch einen Kontextwechsel darauf hin, dass die Angst nicht gelöscht wurde. Stattdessen wurde während der Expositionssitzung eine neue Assoziation gelernt, die das gefürchtete Objekt mit „keiner Angst“, also den konditionierten Reiz (conditioned stimulus, CS) mit „keinem unkonditionierten Reiz“ (no unconditioned stimulus, no US), verbindet. Bouton argumentiert weiter, dass diese Assoziation kontextabhängig ist, wodurch Effekte wie Angst-Renewal erklärt werden können. Da in einem neuen Kontext die CS-no US-Assoziation nicht aktiviert wird, wird die Angst auch nicht gehemmt. Die Kontextabhängigkeit der CS-no US-Assoziation wurde in mehreren Studien belegt (Balooch & Neumann, 2011; Siavash Bandarian Balooch, Neumann, & Boschen, 2012; Culver, Stoyanova, & Craske, 2011; Kim & Richardson, 2009; Neumann & Kitlertsirivatana, 2010). Aktuell konzentriert sich die Forschung zur Therapie von Angststörungen auf die Frage, wie Angst reduziert und gleichzeitig ein Rückfall verhindert werden kann. Hierzu werden verschiedene Expositionsprotokolle untersucht, wie zum Beispiel (1) Exposition in mehreren Kontexten (multiple contexts exposure, MCE), um Renewal zu reduzieren (z.B. Balooch & Neumann, 2011); (2) verlängerte Exposition (prolonged exposure, PE), um die hemmende Assoziation während des Extinktionslernes zu stärken (z.B. Thomas, Vurbic, & Novak, 2009) und (3) Rekonsolidierungs-Updates (reconsolidation update, RU), die den Rekonsolidierungsprozess durch eine kurze Exposition des CS+ vor der eigentlichen Exposition aktualisieren sollen (Schiller et al., 2010). Bisher liegen jedoch nur sehr wenige Studien vor, die diese neuen Expositionsprotokolle an klinischen Stichproben untersucht haben, und - soweit bekannt - keine Studie, welche die Wirkmechanismen dieser Protokolle an einer klinischen Stichprobe erforscht. Die vorliegende Dissertation hat drei Ziele. Das erste Ziel besteht darin zu prüfen, ob Expositionstherapie in multiplen Kontexten die Wahrscheinlichkeit von Renewal reduziert. Das zweite Ziel ist die Untersuchung der Mechanismen, die dem Effekt der Exposition in multiplen Kontexten zugrunde liegen und das dritte ist den Kontext im Zusammenhang mit Konditionierung und Extinktion zu konzeptualisieren. Insgesamt wurden drei Studien durchgeführt. Die erste Studie untersuchte den Effekt von Exposition in multiplen Kontexten auf Renewal, die zweite und dritte Studie die Wirkmechanismen von MCE. In der ersten Studie wurden spinnenphobische Probanden (N = 30) viermal mit einer virtuellen Spinne konfrontiert. Die Expositionstrials wurden entweder in einem gleichbleibenden Kontext oder in vier verschiedenen Kontexten durchgeführt. Am Ende der Sitzung absolvierten alle Teilnehmer einen virtuellen Renewaltest, bei dem die virtuelle Spinne in einem neuen Kontext gezeigt wurde, und einen in vivo Verhaltensvermeidungstest (behavioral avoidance test, BAT) mit einer echten Spinne. Die Ergebnisse zeigten, dass Probanden, welche die vier Expositionstrials in unterschiedlichen Kontexten erfuhren, weniger Angst, sowohl im virtuellen Renewaltest als auch im BAT, erlebten. In dieser Studie konnte die Wirksamkeit von MCE für die Reduktion von Renewal erfolgreich nachgewiesen werden. Studie 2 (N = 35) untersuchte die Wirkmechanismen von MCE in einem differentiellen Konditionierungsparadigma. Die Extinktion wurde in multiplen Kontexten durchgeführt. Hierbei war das Ziel, eine ähnliche Verminderung von Renewal wie in Studie 1 nachzuweisen. Der Extinktion folgten zwei Tests, mit dem Ziel mögliche hemmende Effekte des Kontexts, die während der Extinktionsphase erworben wurden, aufzudecken. Bezüglich des Effektes von MCE wurden drei Hypothesen aufgestellt: (1) Der Extinktionskontext wird mit der Exposition assoziiert, fungiert folglich während der Extinktion als Sicherheitssignal und konkurriert daher mit dem Sicherheitslernen des CS. Dies führt zu einem verminderten Extinktionseffekt auf den CS, wenn die Extinktion nur in einem Kontext durchgeführt wird. (2) Die Elemente im Extinktionskontext (z.B. Raumfarbe, Möbel) stehen im Zusammenhang mit der CS-no US-Assoziation und erinnern daher an die Extinktion, was zu einer größeren Angsthemmung führt, wenn sie während eines Tests gezeigt werden. (3) Nach der emotionalen Prozesstheorie (emotional process theory; Bouton, 1994; Foa et al., 1996) bestimmen die Therapieprozessfaktoren die Stärke des Renewals. Beispielsweise korrelieren initiale Angstaktivierung, Aktivierung in und zwischen den Sitzungen mit der Stärke des Renewals. Jedoch waren in dieser Studie keine Unterschiede zwischen den Gruppen im Renewaltest zu beobachten, weswegen die Ergebnisse der zwei Nachtests nicht zu interpretieren sind. Das Ziel von Studie 3 (N = 61) war es, das Konzept des Kontexts im Rahmen von Konditionierung und Exposition zu definieren. In Studie 3 wurde das Auftreten der Generalisierungsabnahme (generalization decrement) genutzt, bei der eine konditionierte Reaktion infolge eines Kontextwechsels nur reduziert auftritt. Auf diesem Weg kann Kontextähnlichkeit quantifiziert werden. Nach einer Akquisitonsphase in einem Kontext wurden die Teilnehmer in einem von drei verschiedenen Kontexten getestet. Zwei dieser Kontexte unterschieden sich nur in einer Dimension (Anordnung der Objekte vs. Objekteigenschaften). Die dritte Gruppe wurde im Akquisitonskontext getestet und diente als Kontrollgruppe. Es fanden sich jedoch keine Unteschiede zwischen den Gruppen in den Testphasen. Eine mögliche Erklärung ist die Neuartigkeit des Testkontextes. Teilnehmer, die nach der Extinktion einem neuen Kontext ausgesetzt waren, erwarteten in einem anderen Kontext eine zweite Extinktionsphase und zeigten daher mehr statt weniger Angst als erwartet. / Renewal of fear is one form of relapse that occurs after successful therapy, resulting from an encounter with a feared object in a context different from the context of the exposure therapy. According to Bouton (1994), the return of fear, provoked by context change, indicates that the fear was not erased in the first place. More importantly, the return of fear indicates that during the exposure session a new association was learned that connected the feared object with “no fear”; yet, as Bouton further argues, this association is context dependent. Such dependence could explain effects like renewal. In a new context, the therapeutic association will not be expressed and thus will no longer inhibit the fear. The assumption that an association is context dependent has been tested and showed robust results (Balooch & Neumann, 2011; Siavash Bandarian Balooch, Neumann, & Boschen, 2012; Culver, Stoyanova, & Craske, 2011; Kim & Richardson, 2009; Neumann & Kitlertsirivatana, 2010). Research for the treatment of anxiety disorders, aiming to reduce fear and, more importantly, prevent relapse, is flourishing. There are several exposure protocols currently under investigation: multiple contexts exposure (MCE), which aims at reducing the return of fear due to renewal (e.g., Balooch & Neumann, 2011); prolonged exposure (PE), which aims at strengthening the inhibitory association during the extinction learning (e.g., Thomas, Vurbic, & Novak, 2009); and reconsolidation update (RU), which aims at “updating” the reconsolidation process by briefly exposing the CS+ before the actual extinction takes place (Schiller et al., 2010). So far, however, few clinical studies conducted on humans have investigated these novel treatment protocols, and as far as I know none has investigated the mechanisms of action behind these protocols with a human clinical sample. The present thesis has three main goals. The first is to demonstrate that exposure therapy in multiple contexts reduces the likelihood of renewal. The second is to examine the mechanisms contributing to the effect of MCE and the third is to shed light on the concept of context in the framework of the conditioning and extinction paradigm. To this end, three studies were conducted. The first study investigated the effect of MCE on renewal, the second and third studies examined working mechanisms of MCE. In the first study thirty spider-phobic participants were exposed four times to a virtual spider. The exposure trials were conducted either in one single context or in four different contexts. Finally, all participants completed both a virtual renewal test, with the virtual spider presented in a novel virtual context, and an in vivo behavioral avoidance test with a real spider. This study successfully demonstrated the efficacy of MCE on reducing renewal. Study 2 investigated the working mechanisms behind MCE by utilizing a differential conditioning paradigm and conducting the extinction in multiple contexts, targeting similar renewal attenuation as achieved in study 1. This was followed by two tests that attempted to reveal extinction-relevant associations like ones causing context inhibitory effects. This study had three main hypotheses: (1) The extinction context is associated with the exposure, and thus operates as a safety signal at some point during the extinction; it will therefore compete with the safety learning of the CS, leading to a decreased extinction effect on the CS if the extinction is conducted in only one context. (2) The elements (e.g., room color, furniture) of the extinction context are connected to the therapeutic association and therefore should serve as reminders of the extinction, causing a stronger fear inhibition when presented during a test. (3) Therapy process factors, according to emotional processing theory, determine the renewal effect (e.g., initial fear activation, and within-session and between-session activation are correlated with the strength of renewal). In this study, however, no differences between the groups at the renewal phase were observed, presumably because the extinction was too strong to enable a renewal of fear at the test phase conducted immediately following the extinction. This hence rendered the two inhibitory tests useless. Study 3 aimed at defining the concept of context in the conditioning and exposure framework. Study 3 utilized the phenomenon known as generalization decrement, whereby a conditioned response is reduced due to change in the environment. This allowed context similarity to be quantified. After an acquisition phase in one context, participants were tested in one of three contexts, two of which differed in only one dimension (configuration of objects vs. features). The third group was tested in the same context and served as control group. The goal was to show that both configuration and features play an important role in the definition of context. There was, however, no significant statistical difference between the groups at the test phases, likely because of context novelty effects (participants exposed to a new context following extinction in another context expected a second extinction phase, and thus demonstrated greater fear than expected in all three groups).
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:6467 |
Date | January 2013 |
Creators | Shiban, Youssef |
Source Sets | University of Würzburg |
Language | English |
Detected Language | German |
Type | doctoralthesis, doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
Rights | https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/doku/lic_ohne_pod.php, info:eu-repo/semantics/openAccess |
Page generated in 0.0039 seconds