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Theoretische, skalenübergreifende Untersuchungen von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen molekularer Materialien in der Organischen Elektronik

Organische Halbleiter bieten vielfältige Vorteile gegenüber konventionellen Halbleitern wie Silizium oder Galliumarsenid. Hierzu zählen beispielweise die Strukturvielfalt der Moleküle, welche eine anwendungsbezogene Optimierung der Materialeigenschaften erlaubt, die ressourcenschonenden Herstellungsprozesse elektronischer Bauelemente oder die mechanische Flexibilität entsprechender Filme. Während organische Leuchtdioden bereits in kommerziellen Produkten eingesetzt werden und die Entwicklung hochauflösender Displays erlauben, verhindern Defizite in der Performanz den weitreichenden Einsatz von Technologien wie organischen Feldeffekttransistoren oder Solarzellen. Für die Optimierung organischer Bauelemente ist ein detailliertes Verständnis zugrundeliegender Effekte auf molekularer Ebene erforderlich. Auf diese Weise können zielgerichtet optimierte Materialien entwickelt und Veränderungen an der Architektur der Bauelemente vorgenommen werden.
Ziel dieser Dissertationsschrift ist ein Erkenntnisgewinn für niedermassige organische Halbleiter auf der Grundlage hierarchischer Materialsimulationen. Das bedeutet, dass die Eigenschaften dieser Materialklasse skalenübergreifend studiert und auf die Molekülstruktur bezogen werden. Die parallel stattfindende Modellentwicklung für die Simulation der Materialien erlaubt die systematische Studie von Molekül- und Filmstrukturen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um Designstrategien für verbesserte Materialien zu definieren.
Einzelmolekülstudien auf der Grundlage quantenchemischer Methoden ermöglichen eine kriterienbasierte Vorselektion geeigneter Moleküle. Damit reduzieren sie den Aufwand für Synthese und experimentelle Charakterisierung. Exemplarisch erfolgt eine Analyse der Materialklasse der BODIPYs als nahinfrarot-absorbierende Donatormaterialien für organische Solarzellen als auch für radikalische Moleküle. In beiden Fällen erweist sich die Manipulation der Grenzorbitale bzw. der Wellenfunktionen der ungepaarten Elektronen unter anderem durch Benzanellierung, Push-Pull-Strategien sowie die Kontrolle der molekularen Sterik als zielführende Designstrategie.
Die Weiterentwicklung dieser Struktur-Eigenschafts-Beziehungen erfolgt auf der Grundlage der quantenchemischen Analyse von Molekülclustern. Auf diese Weise lassen sich intermolekulare Effekte auf Längenskalen von bis zu 5 nm systematisch analysieren. Dabei unterstützen Einzelmolekülstudien die Interpretation der Resultate und reduzieren die erforderlichen Rechenressourcen. Die Simulation niederenergetischer Ladungstransferabsorption an der Donator-Akzeptor-Grenzfläche erlaubt beispielsweise die Analyse von Unordnungsprozessen und elementaren Eigenschaften organischer Materialien. Entgegen der vielfältig genutzten Marcus-Theorie zeigt sich dabei, dass sich hochenergetische molekulare Schwingungsmoden bei Raumtemperatur nicht klassisch verhalten. Hieraus folgt die Definition der temperaturabhängigen reduzierten Relaxierungsenergie, welche allein Beiträge klassischer niederenergetischer Moden berücksichtigt, oder die Nutzung alternativer Modelle zur Beschreibung von Ladungstransport. Abseits dieser Einzelmolekülbeiträge kann der Einfluss umgebungsabhängiger molekularer Deformationen durch eine Verbindung von Molekulardynamik-Simulationen und zeitabhängigen Dichtefunktionaltheorie-Rechnungen beobachtet werden. In aktiven Schichten mit geringer Donatorkonzentration tragen diese neben den Beiträgen der intramolekularen, reduzierten Relaxierungsenergien dominant zur Verbreiterung niederenergetischer Ladungstransferabsorption bei. Damit führen sie in organischen Solarzellen zu einem Spannungsverlust und können in organischen Nahinfrarotdetektoren zur Erweiterung des spektroskopischen Fensters genutzt werden. Basierend auf den Resultaten lassen sich verbesserte Designregeln für Donatormaterialien ableiten. Zum Beispiel können die Versteifung des molekularen Grundgerüsts oder die Anbringung kleiner funktioneller Gruppen eine Reduktion dieser Beiträge bewirken.
Auch wenn Einzelmolekül- und Molekülclustersimulationen helfen, das Verhalten von organischen Materialien in elektronischen Bauelementen und ihren Einfluss auf die Performanz zu verstehen, so gelten die extrahierten Tendenzen für weitestgehend homogene strukturelle Umgebungen. Dies ist in organischen Filmen oftmals nicht gewährleistet, was die Simulation repräsentativer Filmausschnitte motiviert. Theoretische Studien beschreiben bisher weitestgehend die Eigenschaften kristalliner oder amorpher Strukturen. Um polykristalline Filmstrukturen zu charakterisieren, eignet sich die Verbindung eines statistischen Wachstumsalgorithmus mit Kraftfeld-basierten Molekulardynamik-Simulationen. Dieser Ansatz ist für vielfältige Moleküle anwendbar und erfordert mit Kristallstrukturdaten und Kraftfeldparametern einen vergleichsweise geringen Satz an Inputinformationen. Die auf diese Weise konstruierten Strukturen stellen eine Grundlage für die systematische, ordnungsabhängige Analyse der Ladungsträgermobilität dar, wie für C60 demonstriert wird. Entgegen der Annahme, dass Ladungstransport mit geringerer struktureller Ordnung innerhalb des Films üblicherweise schlechter wird, zeigt sich für C60, dass energetische Homogenität wichtiger sein kann als strukturelle Ordnung. In polykristallinen C60-Strukturen kommt es zu einem energetischen Gefälle zwischen Molekülen an Korngrenzen und Molekülen innerhalb der Kristallite, was teilweise zu kleineren Elektronenmobilitäten als für amorphe Strukturen führt.
Mit der Abfolge aus Einzelmolekülstudien, Molekülclusteranalysen und Filmsimulationen gibt die Dissertationsschrift vertiefte Einblicke in die Struktur-Eigenschafts-Beziehungen organischer Halbleiter und liefert zugleich methodisch neue Impulse für die weiterführende theoretische Untersuchung dieser. Über diese individuellen Fortschritte hinausgehend zeigt sie auf, dass ein Verständnis der Einzelmoleküle erforderlich ist, um Phänomene in Molekülclustern zu modellieren und zu verstehen. Zudem sind sowohl Einzelmolekül- als auch Molekülclusterstudien notwendig, um Effekte in Filmausschnitten zu beschreiben. Damit wird die Durchführung von hierarchischen Materialstudien bzw. Multiskalensimulationen weiter motiviert.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72159
Date17 September 2020
CreatorsSchellhammer, Karl Sebastian
ContributorsCuniberti, Gianaurelio, Vandewal, Koen, Reineke, Sebastian, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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