Die Beeinflussung der Magnetisierungsrichtung magnetischer Dünnschichten mittels einer elektrischen Spannung, anstatt eines elektrischen Stromes, ist vielversprechend für die energieeffizientere Nutzung magnetischer Bauelemente in der Datenspeicherung und in anderen Technologien. Ein neuartiger Ansatz für solche magnetoelektrischen Materialien ist die Kontrolle des Magnetismus über elektrochemische Reaktionen. Die elektrische Spannung wird dabei über einen flüssigen oder festen Elektrolyten an die magnetische Schicht angelegt, und elektrochemische Grenzflächenreaktionen führen zur reversiblen Kontrolle magnetischer Eigenschaften. Bisher wurden dazu hauptsächlich Schichten mit senkrechter magnetischer Anisotropie untersucht und zur Charakterisierung nur die Magnetisierungskurven bei angelegter elektrischer Spannung aufgenommen. Für ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen ist eine zusätzliche Untersuchung der magnetischen Mikrostruktur notwendig.
Im Rahmen der Arbeit wurde eine elektrochemische Zelle für flüssige Elektrolyten entwickelt, die mit magneto-optischer Kerr-Mikroskopie kompatibel ist. Mit dieser Messzelle wurden in situ Untersuchungen des Einflusses elektrochemischer Reaktionen auf die magnetischen Eigenschaften von FeOx/Fe-Dünnschichtsystemen durchgeführt.
Die mittels Sputtern hergestellten FeOx/Fe Schichten zeigen eine uniaxiale magnetische Anisotropie mit der Magnetisierungsrichtung in der Ebene. Winkelaufgelöste Kerr-Mikroskopiemesssungen zeigten einen magnetisch blockierten Zustand entlang der harten Achse, der eine erhöhte Koerzivität und Remanenz aufweist. Dieser konnte auf die Wechselwirkung zwischen geladenen Néel-Domänenwand-Ausläufern zurückgeführt werden. Anhysteretische Messungen entlang der magnetisch harten Achse ermöglichten die Quantifizierung der uniaxialen Anisotropiekonstanten KU.
Bei Anlegen einer elektrischen Spannung an die FeOx/Fe Schichten in einem 1 mol/l LiOH Elektrolyten wurde eine reversible elektrochemische Umwandlung von FeOx zu metallischen Fe mittels in-situ Ramanspektroskopie nachgewiesen. Diese Umwandlung führt gleichzeitig zu einer Aufhebung des blockierten magnetischen Zustands. Dadurch konnte ein reversibles An- und Ausschalten der Koerzivität und Remanenz erreicht werden.
Über in situ Kerrmikroskopiemessungen konnte nachgewiesen werden, dass gleichzeitig mit der Abnahme der Koerzivität bei der elektrochemischen Umwandlung auch eine Erhöhung von KU und eine Vergrößerung der magnetischen Domänen auftritt. Mit diesen Analysen konnte die Verringerung der Wechselwirkungen zwischen den Néel-Domänenwand-Ausläufern als Ursache für die elektrische Kontrolle der Koerzivität aufgedeckt werden. Weiterhin spielt eine verringerte Pinningkraft der magnetischen Pinningzentren durch die FeOx – Fe-Umwandlung eine Rolle.
Die elektrochemische Kontrolle der Koerzivität erlaubte es, bei einem geringen magnetischen Feld ein 180°-Schalten der Magnetisierung über eine elektrische Spannung zu erreichen. Die dazu benötigte Schaltenergie wurde zu 121 mJ pro 38.5 mm2 in 60 s abgeschätzt, was sehr vielversprechend für eine Steigerung der Energieeffizienz magnetischer Bauelemente ist.
Die elektrochemische Umwandlung von FeOx zu Fe in 1 mol/l LiOH wurde auf das Schichtsystem FeOx/Fe/IrMn mit unidirektionaler Anisotropie in der Schichtebene angewandt. In diesem System kommt es durch die Kopplung von Ferromagnet/Antiferromagnet zu einer unidirektionalen Verschiebung der Hysterese (Exchange Bias). Hier konnte erstmals eine nichtflüchtige, elektrische Kontrolle des Exchange Bias erreicht werden. Mit XPS und dem Vergleich mit einem Model für den Exchange Bias wurde die elecktrochemisch-induzierte Schichtdickenvariation des Ferro-magneten als Ursache aufgedeckt.
Die elektrochemische Kontrolle des Exchange Bias ermöglichte eine laterale Strukturierung der damit assoziierten magnetischen Domänen. Damit wurde hier eine neue Struk-turierungsmethode für unidirektionale Systeme vorgestellt. Gegenüber konventionellen Strukturierungsmethoden (beispielweise über Ionenbombardierung) kann so eine elektrochemische Strukturierung vorteilhaft sein, da sie bei Umgebungsbedingungen und ohne Vakuumtechnik funktioniert.
Eine unidirektionale Anisotropie mit der Magnetisierungsrichtung senkrecht zur Schichtebene wird im System GdOx/Pd/Co/Pd/NiO erzielt. In diesem System wird ausgenutzt, dass das Anlegen einer elektrischen Spannung über elektrochemische-Reaktionen zur H-Anlagerung in den Co- und Pd-Schichten führt, was eine Änderung der senkrechten magnetischen Anisotrope zur Folge hat. Im Schichtsystem mit Co als ferromagnetischer und NiO als antiferromagnetischer Schicht konnte erstmals mittels einer elektrischen Spannung eine senkrecht zur Schichtebene ausgeprägte Exchange-Bias-Hysterese reversibel an- und ausgeschaltet werden. Für mehrere Zyklen werden Effekte beobachtet, die Trainings-Effekten an konventionellen Exchange-Bias-Systemen ähneln.
Das Anlegen einer elektrischen Spannung an GdOx/Pd/GdCo/Pd/NiO mit GdCo als ferrimagnetischer Lage führt zu einer Umkehrung der Exchange-Bias-Hysterese und deren vorzeichenbehafteter Verschiebung, welches auf die Umkehrung der magnetischen Ausrichtung der Untergitter zurückgeführt wird.:1 Introduction 1
2 Fundamentals of magnetic thin films 5
3 State of the Art 11
3.1 Voltage control of magnetism 11
3.2 Electrochemical control of magnetism 14
4 Methods 21
4.1 Film fabrication 21
4.2 Ex-situ and in-situ analytical characterization 22
4.3 Electrochemical characterization 24
4.4 Magneto-optical Kerr Magnetometry and Microscopy 25
5 Combining Kerr microscopy and electrochemistry – the in situ cell 29
6 In-plane uniaxial anisotropy and blocked domain state in FeOx/Fe thin films 33
6.1 Microstructure and composition 33
6.2 Magnetically blocked state in pristine FeOx/Fe thin film 34
7 Voltage control of FeOx/Fe thin films with in-plane uniaxial anisotropy 41
7.1 Voltage control of hysteresis by electrochemical reduction of FeOx 41
7.2 Inverse scaling of coercivity and anisotropy revealed by anhysteresis 44
7.3 Voltage control of magnetic domains 46
7.4 Magnetic de-blocking due to change of Néel wall interactions 48
7.5 Switching of magnetization by a low voltage and energy efficiency 51
7.6 Energy efficiency and application potential for data storage and actuation 53
7.7 Interim conclusion 54
8 Voltage control of FeOx/Fe/IrMn thin films with in-plane unidirectional anisotropy 57
8.1 Characterization of the pristine state exchange biased thin films 57
8.2 Electrochemical modification of EB – voltage dependency 58
8.3 Electrochemical modification of EB – time dependency 61
8.4 Model for voltage control of EB by electrochemistry 64
8.5 Non-volatile and reversible voltage control of exchange bias 65
8.6 Nonvolatile change of oxidation state and layer thickness 67
8.7 Electrochemical patterning of EB and magnetic domain state 68
8.8 Interim conclusion 70
9 Voltage control of magnetic thin films with perpendicular unidirectional anisotropy 73
9.1 Co thin films with perpendicular unidirectional anisotropy 73
9.2 Voltage control of EB in Co/Pd/NiO thin films 73
9.3 Interim conclusion 81
9.4 Voltage control of ferrimagnetic GdCo/Pd/NiO thin film 81
10 Evaluation with regard to perspective applications 83
11 Summary 87
12 Appendix 93
References 107
List of Figures 121
Publication List 123
Acknowledgments 125
Symbols 127
Statement of Authorship 129
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:76130 |
Date | 01 October 2021 |
Creators | Zehner, Jonas |
Contributors | Nielsch, Kornelius, Gönnenwein, Sebastian, Herrera Diez, Liza, Leistner, Karin, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | English |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | 10.1002/aelm.201900296, 10.1002/aelm.202000406, 10.1103/PhysRevMaterials.5.L061401 |
Page generated in 0.0063 seconds