Die Verbraucherakzeptanz von fermentierten Milchprodukten wie Joghurt oder Frischkäse ist von ihrer Textur abhängig. Zur Einstellung der produktspezifischen Textur ohne Zusatz von spezifischen Milchproteinen zur Basismilch oder milchfremden Hydrokolloiden werden in der Milchindustrie spezielle Starterkulturen eingesetzt, die während der Fermentation Exopolysaccharide (EPS) bilden. Diese EPS werden in der Regel als freie EPS ins Serum abgegeben oder verbleiben als kapsuläre EPS an der Bakterienzelle. Freie EPS lassen sich weiter anhand ihres Effektes im Produkt in fadenziehend und nicht-fadenziehend unterteilen. Aufgrund der hohen Biodiversität der EPS sowie des komplexen Zusammenhanges zwischen EPS-Eigenschaften, Substratzusammensetzung und Verfahrensbedingungen existieren jedoch widersprüchliche Ergebnisse zu ihrer Funktionalität im Produkt. Ziel dieser Arbeit war es, die wichtigsten Einflussfaktoren durch Einsatz verschiedener EPS von Lactococcus lactis und Streptococcus thermophilus in definierten Modellsystemen für stichfeste, gerührte und konzentrierte fermentierte Milchprodukte zu identifizieren und die Textureigenschaften mit den strukturellen und makromolekularen Eigenschaften der EPS in Verbindung zu bringen.
Neunundzwanzig Einzelstämme von verschiedenen Starterkulturherstellern wurden auf Basis von der Fadenlänge als Indikator für den Fadenzug und der EPS-Menge in sechs Cluster eingeteilt. Aus jedem Cluster wurden Vertreter zur Herstellung von Modellsystemen genutzt, die Textur und Synärese der Produkte instrumentell erfasst und statistisch bewertet, um Einflussfaktoren auf die Eigenschaften der Modellprodukte zu identifizieren.
Stichfester Modelljoghurt mit fadenziehenden EPS wies eine höhere Steifigkeit auf als jener mit nicht-fadenziehenden EPS, welche nicht mit der EPS-Menge oder der Fermentationszeit korrelierte. Unabhängig von der Art der freien EPS war beim Vorhandensein von kapsulären EPS die Gelsteifigkeit zusätzlich erhöht. Für gerührten Modelljoghurt ergab eine Komponentenanalyse zur EPS-Menge, zur Säuerungskinetik und zu Produkteigenschaften, dass fadenziehende EPS texturrelevante Eigenschaften wie Partikelgröße und Scherviskosität signifikant beeinflussen. Dies wurde auf die höhere intrinsische Viskosität für fadenziehende EPS im Vergleich zu nicht-fadenziehenden EPS zurückgeführt. Experimente mit einem Dehnrheometer ergaben, dass die Dehnviskosität stärker als die Scherviskosität mit der Fadenlänge zunahm. Ein Grund dafür sind intensivere Wechselwirkungen von fadenziehenden EPS mit Proteinen oder untereinander, was anhand höherer Relaxationszeiten in Dehnung bei höherer Fadenlänge geschlussfolgert wurde.
Fadenziehende EPS erhöhten zudem die Fließgrenze von Modellfrischkäse, was hauptsächlich auf EPS-Wechselwirkungen und nicht auf die EPS-Konzentration oder Partikelgröße zurückgeführt wurde. Eine niedrigere Synärese und höhere Steifigkeit wurde entweder beim Vorhandensein von kapsulären EPS oder freien EPS beobachtet, die in Experimenten mit dynamischer Wasserdampfsorption eine höhere Feuchtebeladung aufwiesen. Fadenziehende EPS und kapsuläre EPS besaßen auch im Doppelrahmfrischkäse nach moderater Bruchhomogenisierung (0,05 MPa oder 15 MPa) eine hohe Funktionalität, was mit der höheren intrinsischen Viskosität dieser EPS korrelierte. Die Bruchhomogenisierung bei einem Druck von 30 MPa führte jedoch zu einer niedrigeren Funktionalität aufgrund der scherinduzierten Reduzierung der molekularen Masse der EPS und Umlagerungen in der Mikrostruktur der Käse.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Technofunktionalität nicht von der Konzentration der in situ produzierten EPS abhängt. Schlüsselfaktoren sind insbesondere die EPS-Lokalisierung (frei oder kapsuläre), intensivere Wechselwirkungen der fadenziehenden EPS mit Proteinen oder untereinander und ein hohes Wasserbindungsvermögen der EPS. Jedoch sollte der Energieeintrag bei der postfermentativen Verarbeitung so niedrig wie möglich sein, um die Funktionalität der fadenziehenden EPS und kapsulären EPS weitestgehend zu erhalten. Dieses Wissen ist für die Auswahl von EPS-bildenden Starterkulturen für den industriellen Maßstab entscheidend, um die gewünschten Produkteigenschaften zu erhalten.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:79733 |
Date | 24 June 2022 |
Creators | Surber, Georg |
Contributors | Rohm, Harald, Kleinschmidt, Thomas, Babick, Frank, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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