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Untersuchungen zur stabilen Bindung von kurzlebigen Alphaemittern für die Radionuklidtherapie

Die Progression von Tumorerkrankungen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und macht die fortwährende Forschungsarbeit in Bezug auf die Weiterentwicklung diagnostischer und therapeutischer Optionen unumgänglich. Für die Krebstherapie stehen neben den konventionellen Methoden wie der operativen Entfernung, Chemo- und Strahlentherapie auch spezialisierte Therapieformen zur Verfügung.
Die radiopharmazeutischen Wissenschaften in Verbindung mit der Nuklearmedizin als klinische Disziplin widmen sich diesen hoch spezialisierten Ansätzen unter Verwendung von Radioaktivität. Je nach verwendetem Radionuklid ist die Bearbeitung von diagnostischen oder therapeutischen Fragestellungen möglich. Während für diagnostische Zwecke Gamma- und Positronenemitter eingesetzt werden, sind es für die Therapie vor allem Betaemitter, aber auch Alphaemitter, zum Beispiel Radium-223/224 und Actinium-225. Alphaemitter besitzen eine sehr hohe Zerfallsenergie (meist mehrere MeV), welche sie über eine vergleichsweise kurze Wegstrecke abgeben. Dadurch können sie, wenn stabil an Krebszellen gebunden, Tumorgewebe effizient zerstören und das umliegende Gewebe bestmöglich schonen. Alphaemitter sind in ihrer Anwendungsbreite aus verschiedenen Gründen bislang limitiert: Fehlt für Radium-223/224 ein geeignetes System zur stabilen Bindung, sind es für Actinium-225 die noch fehlenden anwendungsspezifischen Studien und die limitierte globale Verfügbarkeit.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei Methoden verfolgt, Alphaemitter stabil einzuschließen und damit für therapeutische Anwendungen verfügbar zu machen. Es sollten geeignete Nanopartikel als Träger für die Radionuklide Radium-223/224 und Actinium-225 hergestellt werden. Diese sollten anschließend funktionalisiert und damit spezifisch gegen ein bestimmtes Tumortarget gerichtet sein. Durch Ergänzung mit dem Gammastrahler Barium-131 sollte das Potential des theranostischen Radionuklidpaars (Diagnostik und Therapie mit dem gleichen Trägersystem) Barium-131 / Radium-224 evaluiert werden. Die grundsätzliche Verfügbarkeit beider Radionuklide im Labormaßstab war sicherzustellen. Zusätzlich sollten Untersuchungen zur Radiomarkierung (unter milden Bedingungen) von funktionalisierbaren Komplexbildnern mit Barium-131 und Actinium-225 durchgeführt und an einem Tumortarget exemplarisch evaluiert werden.
Der Verfügbarkeit von Barium-131 und Radium-224 wurde im Labormaßstab sichergestellt. Bezüglich des Barium-131 wurde ein Zyklotron-basierter Herstellungsprozess etabliert und die entsprechenden Aufarbeitungs- und Reinigungsmethoden entwickelt. Es wurden reproduzierbar 190 MBq nach vierstündiger Bestrahlung eines CsCl-Targets bei (26,5-27,5) MeV erhalten. Hinsichtlich des Radium-224 wurde ein Thorium-228 / Radium-224-Generatorsystem erfolgreich entwickelt, welches die einfache und kontinuierliche Gewinnung von Radium-224 (ca. (5-10) MBq) in hoher Qualität ermöglichte, ohne größere Verluste des Mutternuklids in Kauf zu nehmen.
Bariumsulfat-Nanopartikel wurden als stabiles Trägersystem für Ionen, vor allem die des Bariums, Radiums und Actiniums, synthetisiert. Nach der Auswahl des geeigneten Lösungsmittelgemisches und der Testung verschiedener Zusätze für die nachträgliche Funktionalisierung wurden Nanopartikel in verschiedenen Etappen hergestellt. Während die Nanopartikel der ersten Generation mit ca. 150 nm Kristallgröße noch relativ groß in Hinblick auf die In-vivo-Anwendung waren, konnte durch Optimierungen der Methode eine Verkleinerung auf ca. 10 nm erzielt werden. Diese Nanopartikel beinhalteten Alendronat-Einheiten, welche über die Aminofunktion weiter funktionalisiert wurden. Die Radiomarkierung der Nanopartikel mit Barium und Radiumisotopen, aber auch anderen klinisch interessanten Radionukliden wurde erfolgreich getestet. Die Untersuchung der Partikel in Hinsicht auf ihre biologischen Interaktionen zeigte allerdings unspezifische Wechselwirkungen mit Serumproteinen und auch keine spezifische Anreicherung an Tumorzelllinien nach entsprechender Funktionalisierung. Ein erstes In-vivo-Experiment an einer gesunden Maus wies, verursacht durch massive Anreicherung in Leber und Milz, ebenfalls das unspezifische Verhalten nach.
Der vierte experimentelle Abschnitt behandelte die Entwicklung eines K2.2-basierten Komplexbildners für Actiniumionen, welcher die Radiomarkierung bei Raumtemperatur, im Gegensatz zum derzeit angewandten Chelator DOTA, ermöglicht. Es ist gelungen, funktionalisierbare Chelatoren herzustellen und die zwei Leitstrukturen 20 und 21, welche das PSMA-Bindungsmotiv (ein bzw. zwei Motive) tragen, wurden biologisch charakterisiert. Beide Konjugate (radiomarkiert mit Actinium-225) wurden auf zellulärer Ebene an PSMA-rezeptorpositiven Zellen hinsichtlich ihrer Bindungsaffinität und ihres Einflusses auf das klonogene Zellüberleben untersucht. Die radiomarkierte Verbindung 21 zeigte dabei gegenüber 20 sowohl eine höhere Affinität (9 nM vs. 38 nM) als auch ein stärkeres Schädigungspotential im Koloniebildungsversuch. Diese Tendenz wurde in Tierversuchen durch eine höhere prozentuale Tumoranreicherung (Mausmodell, LNCaPXenograft; 7% vs. 12%) bestätigt und liefert vergleichbare Daten mit dem aktuell in der Nuklearmedizin angewandten Konjugat Lutetium-177-PSMA-617.
Die Verfügbarkeit der Radionuklide wurde sichergestellt. Sollten hier weitere Optimierungen hinsichtlich der Aktivitätsmenge nötig sein, müsste vor allem für Barium-131 ein neues Targetsystem entwickelt werden, um die Bestrahlung effizienter durchzuführen und die Ausbeuten zu erhöhen. Weiterhin wäre die Aufstockung des Strahlenschutzes notwendig. Bezüglich der Bariumsulfat-Nanopartikel müssten zukünftige Optimierung auf das Erreichen einer biologischen Inertie und das Verhindern unspezifischer Anreicherungen in vivo abzielen. Dies könnte insbesondere dadurch erreicht werden, dass die Partikeloberfläche weiter
funktionalisiert wird. So bieten Polyethylenglykol-Einheiten oder die Umhüllung in Mizellen die Möglichkeit, das Partikel-Ladungspotential abzuschirmen und unspezifische Proteinadsorptionen zu unterdrücken. Weiterhin wäre das Anbringen eines sehr großen Biomoleküls an die Partikel denkbar, welches das Verhalten der Partikel dann stärker beeinflusst als die eigene Charakteristik. Die Synthese eines funktionalisierbaren und bei Raumtemperatur radiomarkierbaren Actinium-Komplexbildners ist erfolgreich gewesen. Die Untersuchungen bezüglich der Actinium-225-Anwendungen können vor allem hinsichtlich der Bioverteilungseigenschaften der radiomarkierten Konjugate verbessert werden. So könnte das Anfügen Albumin-bindender Einheiten (z.B. Iodphenylbuttersäure) am Bindungsmotiv die Verweilzeit im Blutkreislauf erhöhen und damit auch zu einer größeren Gesamttumoraufnahme beitragen. Perspektivisch können die Komplexbildner verwendet werden, um größere, temperatursensible Biomakromoleküle (z.B. Antikörper) zu funktionalisieren und für therapeutische Ansätze mit Actinium-225 zugänglich zu machen.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:76430
Date03 November 2021
CreatorsReissig, Falco
ContributorsSteinbach, Jörg, Mindt, Thomas L., Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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