Trotz der Existenz einer Lebendvakzine gegen Masernvirusinfektionen erkranken jährlich 30-40 Millionen Menschen an Masern und mehr als 1 Million versterben daran. Besonders Kleinkinder besitzen innerhalb des ersten Lebensjahres ein hohes Risiko an Masern zu erkranken und der Anteil an schweren Krankheitsverläufen mit letalem Ausgang ist in dieser Altersgruppe besonders hoch. Aus diesem Grund wäre es sehr wichtig, wenn man Säuglinge bereits in den ersten Lebensmonaten erfolgreich immunisieren könnte. Da eine Immunisierung mit dem derzeitigen MV-Impfstoff in den ersten Lebensmonaten durch maternale MV-spezifische Antikörper inhibiert wird, hat die WHO dazu aufgerufen neuartige Impfstoffe zu entwickeln, die in Gegenwart maternaler Antikörper effektiv sind. Zur Entwicklung und Erprobung von alternativen Impfstoffen in Gegenwart maternaler Antikörper konnte bislang nur das Affenmodell benutzt werden, welches durch das geringe Angebot an Tieren und aus praktischen Gründen nur beschränkt einsetzbar ist. In der hier vorgestellten Dissertation wurde gezeigt, daß Baumwollratten (Sigmodon hispidus) alternativ zum Affen ein hervorragendes Tiermodell sind, um die Immunogenität potentieller Impfstoffvektoren und ihre Effektivität in Gegenwart maternaler Antikörper zu testen. Baumwollratten sind das einzige Nagetiermodell, in dem das Masernvirus wie beim Menschen im Respirationstrakt replizieren und auch in der Peripherie nachgewiesen werden kann. Nach Immunisierung mit MV-Impfstämmen entwickeln Baumwollratten wie der Mensch eine MV-spezifische Immunantwort und sind gegen eine anschließende Infektion mit MV-Wildtypstämmen geschützt. Um zu überprüfen, ob maternale Antikörper wie bei Säuglingen auch bei Baumwollratten die Vakzine-induzierte Serokonversion inhibieren, wurden zwei Modellsysteme für maternale Antikörper entwickelt. MV-immune Weibchen übertragen MV-spezifische maternale Antikörper auf ihre Jungtiere und stellen ein Modell für natürliche maternale Antikörper dar. Im zweiten Modell können nach Injektion eines humanen MV-spezifischen Serums in Baumwollratten maternale Antikörper simuliert werden. Die Vakzine-induzierte Serokonversion wurde sowohl durch natürliche maternale Antikörper, als auch durch passiv transferierte humane MV-spezifische Antikörper inhibiert. Die Verwendung eines heterologen Serums als Modell für maternale Antikörper bietet drei Vorteile: die Gabe von Humanserum ist gut reproduzierbar, humane MV-spezifische Antikörper werden schneller abgebaut, als natürliche maternale Antikörper und passiv transferierte (“maternale”) Antikörper können im ELISA von aktiv induzierten Antikörpern unterschieden werden. Mit Hilfe der DNS-Immunisierung konnte gezeigt werden, daß das MV-Hämagglutinin, das Fusionsprotein und das Nukleokapsidprotein (MV-Hauptantigene) in der Baumwollratte MV-spezifische Antikörper und eine MV-spezifische T-Zellantwort induzieren. Aber nur die beiden Glykoproteine F und H konnten im Gegensatz zum Nukleokapsidprotein MV-neutralisierende Antikörper induzieren und gegen eine Infektion des Respirationstraktes schützen. In Gegenwart maternaler Antikörper führte diese Form der Immunisierung nicht zu einer Vakzine-induzierten Serokonversion und zu Protektion. Um in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine Infektion mit MV zu induzieren, wurde ein rekombinantes vesikuläres Stomatitis Virus (VSV-H) verwendet, welches das MV-Hämagglutinin (Hauptantigen für MV-neutralisierende Antikörper) in der Hülle von VSV exprimierte. Eine alternative MV-Vakzine muß die beiden MV-Glykoproteine (Hämagglutinin- und Fusionsprotein) enthalten, da sie sonst die atypischen Masern (eine schwere Verlaufsform der akuten Masern) in immunisierten Individuen nach Infektion mit dem Wildtypvirus induzieren kann. Da VSV das Fusionsprotein nicht stabil exprimiert, kann VSV nicht als Impfvektor bei Patienten eingesetzt werden. Im Baumwollrattensystem ließen sich mit diesem Vektorsystem jedoch wichtige Untersuchungen zur Immunisierung in Gegenwart maternaler Antikörper duchführen. Das MV-Hämagglutinin ist als zusätzliches Protein ("passenger protein") in die Hüllmembran von VSV inkorporiert und hat keine funktionelle Bedeutung für die virale Replikation. In vitro konnte gezeigt werden, daß VSV-H im Gegensatz zu MV durch MV-spezifische Antikörper nicht neutralisiert werden kann. Eine Immunisierung mit VSV-H induzierte sehr schnell hohe Titer an MV-neutralisierenden Antikörpern, die höher waren als nach Immunisierung mit MV. In vivo konnte bestätigt werden, das VSV-H durch maternale Antikörper nicht neutralisiert wird und auch in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine respiratorische MV-Infektion induziert. Hierbei ist die Stimulation des mukosalen Immunsystems sehr wichtig, da VSV-H nur nach intranasaler und nicht nach intraperitonealer Immunisierung maternale Antikörper umgehen kann. Die Replikationsfähigkeit von VSV-H ist ebenfalls essentiell, da Immunisierungsversuche mit UV-inaktiviertem VSV-H bzw. mit VSV-H Deletionsmutanten, die eine stark verminderte Replikationsfähigkeit aufweisen, nicht zu Vakzine-induzierter Serokonversion und zu Schutz in Gegenwart maternaler Antikörper führten. An alternative Vektorsysteme muß deshalb die Forderung gestellt werden, daß sie das Schleimhaut-assoziierte Immunsystem stimulieren, Masernvirusproteine als akzessorische Proteine exprimieren und eine gewisse Restvirulenz aufweisen. Für die Untersuchung derartiger Vakzine-Kandidaten auf die Induktion der Serokonversion in Gegenwart maternaler Antikörper und Schutz gegen MV Infektion ist das Baumwollrattenmodell hervorragend geeignet. / Although measles vaccination with an attenuated live vaccine has proven to be successful, forty million cases of measles continue to occur annually worldwide, of which more than one million are fatal. Especially infants in the first year of life are at high risk for measles virus (MV) infection and MV associated mortality is very high in this age group. For this reason it would be desirable to be able to immunize infants in the first year of life. As immunization of infants with the current MV-vaccine is inhibited by the presence of maternal MV-specific antibodies, the World Health Organization (WHO) has called to develop alternative MV vaccines which are effective in the presence of maternal antibodies. For the development and testing of vaccine candidates rhesus macaques were so far the only animal model. Due to the restricted availability of monkeys and due to practical reasons we have set up a cotton rat animal model for MV-infections in which we could test the immunogenicity of new MV vaccines and evaluate their efficiency in the presence of maternal antibodies. Cotton rats (Sigmodon hispidus) are the only rodents in which MV replicates in the respiratory tract after intranasal infection. After immunization with MV vaccine strains cotton rats develop a MV-specific immune response and are protected against challenge with MV wildtype strains. To investigate whether maternal antibodies inhibit vaccine-induced seroconversion in cotton rats we have developed two models for maternal antibodies in cotton rats. MV immune dams transmit MV specific maternal antibodies to their offspring and represent a model for natural maternal antibodies. In a second model we use a human MV specific serum to simulate maternal antibodies. Vaccine-induced seroconversion is efficiently inhibited in both models. The use of a heterologious serum as model for maternal antibodies offers three advantages: the transfer of human serum is well reproducible, human MV specific antibodies decline more rapidly than natural maternal antibodies and the use of a human serum allows us to differentiate between passively transferred human antibodies (”maternal antibodies”) and actively generated cotton rat antibodies by ELISA. By DNA immunization we could show that plasmids expressing the MV hemagglutinin-, the MV fusion- and the MV nucleocapsid protein induced MV specific antibodies and MV specific T cell response. In contrast to the nucleocapsid protein the two glycoproteins F and H induced MV neutralizing antibodies and gave full protection against MV infection of the respiratory tract. In the presence of maternal antibodies plasmid immunization doesn’t result in vaccine-induced seroconversion and protection against respiratory infection with MV. To induce MV neutralizing antibodies and protection against MV infection we have used a recombinant vesicular stomatitis virus (VSV-H) expressing the MV hemagglutinin (major target antigen for the induction of MV neutralizing antibodies). An alternative MV vaccine has to express both the MV hemagglutinin and the MV fusionprotein. Otherwise atypical measles (a severe form of acute measles) may occur in immunized individuals after infection with wildtyp measles virus. With the VSV expression system it was not possible to stably express the MV fusionprotein. For this reason it is not possible to use VSV as immunization vector in humans. Using VSV-H in the cotton rat animal model for maternal antibodies we were able to investigate the problem of immunization in the presence of maternal antibodies. In the recombinant VSV-H the MV hemagglutinin is incorporated as passenger protein in the bullet-shaped envelope of VSV and the MV hemagglutinin has no functional relevance in viral replication. In vitro we could show that VSV-H is in contrary to MV not neutralized by MV specific antibodies. Immunization with VSV-H induced very fast high titers of MV neutralizing antibodies that were even higher than after immunization with MV. In vivo we could confirm that VSV-H is not neutralized by maternal antibodies and that VSV-H is able to induce MV neutralizing antibodies and protection in the presence of maternal antibodies. To overcome maternal antibodies it is essential to stimulate the mucosal immune system as VSV-H is able to circumvent maternal antibodies after intranasal immunization whereas after intraperitoneal immunization it is not. The use of replication competent virus is also essential as immunization with UV-inactivated VSV-H or immunization with VSV-H deletion mutants with highly reduced replication capability doesn’t result in seroconversion and protection in the presence of maternal antibodies. Our data demonstrate that alternative MV vaccine vectors should stimulate the mucosa-associated immune system, express MV proteins as passenger proteins and retain a certain virulence. To investigate the ability of vaccine vectors to induce seroconversion and protection in the presence of maternal antibodies the cotton rat is a well suited animal model.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:158 |
Date | January 2000 |
Creators | Schlereth, Bernd |
Source Sets | University of Würzburg |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralthesis, doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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