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Bismutbasierte Nanoröhren und mesoskopische Partikel von intermetallischen Phasen des Typs BinM (n = 1 – 4, M = Ni, Rh)

Die grundlegende Frage- bzw. Problemstellung der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung innovativer Synthesemethoden für die nanoskalige, anorganische Festkörper- und Materialchemie, sowie die umfassende Charakterisierung der neuartigen Materialien und deren Untersuchung hinsichtlich potentieller Anwendungen. Die Arbeit umfasst dabei zwei große Themengebiete:
Das Kapitel Bismutbasierte Nanoröhren beschreibt detailliert die neuartige Synthese doppelwandiger Bismut-Nanoröhren (engl. Double Walled Bismuth Nanotubes, DWBiNTs) bei Raumtemperatur, durch die Umsetzung von Bismutmonoiodid mit n-Butyllithium (n-BuLi) zu elementarem Bismut. Elektronenmikroskopische Untersuchungen des resultierenden feinen schwarzen Pulvers zeigen homogen strukturierte, stark agglomerierte, anisotrope Partikel mit Längen von mehreren hundert Nanometer, welche an den Enden geöffnet vorliegen und zudem einen „zwiebelartigen“ Aufbau mit einem einheitlichen inneren Durchmesser von ca. 4,5 nm sowie einen äußeren Durchmesser von ca. 6 nm aufweisen (Abbildung 1 A – C). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden von Rasche quantenchemische Rechnungen am Modell einer (34,0)@(40,0)-DWBiNT durchgeführt, aus denen neben einer hexagonal facettierten Querschnittsgeometrie (Abbildung 1 D) durch Rechnungen der elektronischen Eigenschaften eine direkte Bandlücke von 0,5 eV hervorgeht, womit es sich bei diesen Strukturen um Halbleiter handeln sollte.
Im Gegensatz zu bislang bekannten Synthesemethoden für Bi-Nanoröhren kann die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Syntheseroute als chemische Top-Down-Bottom-Up-Methode verstanden werden. Hiermit soll die Kaskade des Herauslösens der im Festkörper vorgeprägten Strukturen (chemisch Top-Down) gefolgt von deren Reorganisation zu nanoskopischen Objekten (klassisch Bottom-Up) verdeutlicht werden. Diese Herangehens-weise der Niedertemperaturreduktion klassischer Festkörperverbindungen ist bislang einzigartig und konnte basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit innerhalb des Arbeitskreises bereits erfolgreich auf intermetallische Phasen übertragen werden.
Es konnte ferner gezeigt werden, dass es durch die milde Oxidation von DWBiNTs im O2-Strom möglich ist, unter Erhalt der Morphologie gezielt Nanoröhren der unter Normalbedingungen metastabilen β-Modifikation von Bi2O3 zu synthetisieren. Diese wurden in Zusammenarbeit mit dem Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e.V. Meinsberg hinsichtlich ihrer gassensitiven Eigenschaften untersucht. Während die oxidischen Nanoröhren keine Sensitivität gegenüber CO und nur eine geringe H2-Sensitivität aufweisen, zeigt sich eine signifikante Widerstandserhöhung mit sinkendem Sauerstoffpartialdruck im Gasgemisch. Diese Befunde zeigen eine mögliche, bislang nicht untersuchte Anwendung von Bi2O3 als Sauerstoffsensor.

Das Kapitel Mikrowellenunterstützte Niedertemperatursynthese der vorliegenden Arbeit widmet sich – basierend auf dem Polyolprozess (Abbildung 2) – der zeit- und energieeffizienten Synthese der intermetallischen Phasen BiNi, Bi3Ni und BiRh, welche durch herkömmliche metallurgische Hochtemperaturschmelz- oder sinterprozesse nur schwer zugänglich sind. Besonderer Schwerpunkt liegt in der gezielten Synthese mikro- und nanostrukturierter Proben.
Die intermetallische Phase Bi3Ni kann röntgenographisch phasenrein in Form homogener stäbchenförmiger Partikel mit Abmessungen von ca. 200 nm x 600 nm, so genanntes submikroskaliges Bi3Ni, synthetisiert werden (Abbildung 3 A). Ebenso erfolgreich gestaltet sich die Synthese der nickelreicheren Phase BiNi in Form von Nadeln mit Durchmessern von wenigen Nanometern und Längen von mehreren Mikrometern sowie der binären Phase BiRh in Gestalt wohl definierter hexagonal facettierter, plättchenartiger Partikel mit einem mittleren Durchmesser von ca. 50 nm und Dicken < 10 nm (Abbildung 3 B, C).
In Kooperation mit der Professur Anorganische Chemie I der TU Dresden konnte am Beispiel der intermetallischen Phase Bi3Ni erfolgreich die gezielte Einstellung der Partikelgröße und –morphologie unter Verwendung des mesoporösen Oxids SBA-15 als Exotemplat gezeigt werden. Die herausgelösten Proben zeigen röntgenographisch phasenreine, agglomerierte, sphärische Nanopartikel mit einem Durchmesser von < 8 nm.
Die statische Magnetisierung sowie die Transporteigenschaften an den morphologisch unterschiedlichen Proben des Typ-II Supraleiters Bi3Ni wurden in Kooperation mit dem Hochfeld-Magnetlabor des Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf untersucht. Es zeigt sich, dass durch chemische Nanostrukturierung physikalische Eigenschaften generiert werden, welche Volumenproben derselben Substanz nicht aufweisen: Die als unvereinbare Antagonisten angesehenen Grundzustände Ferromagnetismus und Supraleitung können in mesoskopischem Bi3Ni nicht nur koexistieren, sondern stärken einander sogar (Abbildung 4).
Diese Ergebnisse zeigen beispielhaft, dass Partikelgrößen im Zusammenspiel mit chemischer Substrukturierung in quasi-1D-Bindungssystemen essentiell für das Auftreten neuartiger Quanteneffekte sind.
In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe wurden die röntgenographisch phasenreinen Proben von BiNi (Nadeln), Bi3Ni (Stäbchen) und BiRh (hexagonale Nanoplättchen) hinsichtlich ihrer potentiellen Anwendung zur Semihydrierung von Acetylen untersucht. Für die Proben des Systems Bi/Ni kann keinerlei katalytische Aktivität gemessen werden, wohingegen die katalytischen Eigenschaften der BiRh Nanopartikel für die Semihydrierung von Acetylen hervorragend sind. So weisen die hexagonalen Nanoplättchen eine außerordentlich hohe Selektivität gegenüber Acetylen sowie eine sehr gute Langzeitstabilität, im Vergleich zu einem kommerziell erhältlichen Pd/Al2O3 Katalysator, auf.

Auf Basis der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten und in ihren Ergebnissen (Phase, Reinheit, verschiedene Morphologien) kontrollierbaren sowie zeit- und energieeffizienten reduktiven Solvothermalmethode zur Synthese von intermetallischen Verbindungen ist der Zugang zu weiteren neuartigen, mehrkomponentigen, metallischen Materialien, welche durch klassische metallurgische Hochtemperaturschmelz- oder -sinterprozesse nur schwer oder gar nicht zugänglich sind, möglich. Allgemein kann das beschriebene Verfahren als eine verlässliche, breit anwendbare Methode zur Synthese wohl strukturierter Verbindungen auf chemischem Weg bei Temperaturen bis maximal 250 °C angesehen werden, welches eine große Bandbreite an verschiedenen Einsatzmöglichkeiten bietet.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-77605
Date25 October 2011
CreatorsKöhler, Daniel
ContributorsTechnische Universität Dresden, Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften, Prof. Dr. Michael Ruck, Prof. Dr. Michael Ruck, Prof. Dr. Stefan Kaskel
PublisherSaechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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