Kinder erwerben Passivstrukturen später als die meisten anderen syntaktischen Strukturen. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob dies auf informationsstrukturelle Faktoren zurückzuführen sein könnte. Probleme beim Erwerb von Passivsätzen wurden in vorhergehenden Studien unter anderem auf ihre geringe Inputfrequenz oder bestimmte syntaktische Charakteristika von Passivsätzen zurückgeführt. Jedoch konnte bisher keiner dieser Ansätze ihr spätes Erwerbsalter umfassend erklären.
Während Aktivsätze, die kanonische, unmarkierte Satzstruktur im Deutschen, in jeglichem Diskurskontext verwendet werden können, werden Passivsätze fast ausschließlich dann verwendet, wenn der Patiens der beschriebenen Handlung schon vorerwähnt war und/ oder als Topik eines Satzes fungieren soll. Passivsätze sind also nicht in jedem Kontext informationsstrukturell adäquat.
Kinder haben im Gegensatz zu Erwachsenen aufgrund ihrer geringeren syntaktischen Fähigkeiten Probleme, Sätze zu verarbeiten, die nicht in einem adäquaten Kontext stehen. Der Einfluss dieser Kontextbedingungen auf das Satzverständnis wurde in der vorliegenden Studie bei deutschsprachigen Kindern untersucht. Kindern zwischen 3;0 und 4;11 Jahren wurden Aktiv- oder Passivsätze präsentiert, denen informationsstrukturell adäquate, inadäquate oder neutrale Kontextsätze vorangingen. Wie erwartet verstanden die Kinder Aktivsätze besser als Passivsätze und 4-jährige Kinder zeigten bessere Leistungen als 3-jährige. Es gab Tendenzen, dass die 3-jährigen Kinder Passivsätze besser, aber Aktivsätze schlechter verstanden, wenn ihr Subjekt vorerwähnt wurde. Statistisch signifikante Kontexteffekte fanden sich jedoch im Gegensatz zu einer vergleichbaren Studie mit englischsprachigen Kindern (Gourley und Catlin, 1978) in keiner Testbedingung. Außerdem zeigte sich, dass die Kinder Passivsätze insgesamt besser und Aktivsätze insgesamt schlechter verstanden als englischsprachige Kinder in anderen Studien.
Die Ergebnisse werden mit dem Competition Modell (Mac Whinney und Bates, 1987) und einer Sprachverarbeitungstheorie von Stromswold (2002) erklärt. Außerdem wird diskutiert, warum die deutschsprachigen Kinder in der vorliegenden Studie andere Sprachverständnisleistungen zeigten als englischsprachige Kinder. / Children acquire passive constructions later than most other syntactic structures. The purpose of the present study was to investigate whether this phenomenon can be explained with an information-structural account. In former studies problems in the acquisition of the passive voice have often been attributed to its low input frequency or to its specific syntactic characteristics. However, none of these theories could sufficiently explain the late age of acquisition of passive structures.
Sentences in the active voice, the canonical, unmarked, structure in German can be used in any discourse context while passive sentences are almost always used if the patient of the described action is GIVEN in the context and/ or serves as the TOPIC of the sentence. Therefore passive sentences cannot be used in any context without violating information structural constraints.
It is more difficult for children – due to their less developed syntactic abilities – than for adults to process sentences which do not occur in an information structurally appropriate context. The present study examines the influence of the context on sentence comprehension abilities of German speaking children. Children at the age of 3;0 – 4;11 years were presented active or passive sentences in an information structurally appropriate, inappropriate or neutral context.
As expected, children comprehended active sentences better than passive sentences, and 4-year olds performed better than 3-year olds. There was a tendency that 3-year olds comprehended passive sentences better but active sentences worse if the subject of the sentence was GIVEN in the context. However, there were no statistically significant context effects, in contrast to a similar study with English-speaking children (Gourley and Catlin, 1978). In addition, it could be shown that German-speaking children comprehended passive sentences better than English-speaking children in other studies.
The results are explained with the Competition Model (Mac Whinney and Bates, 1987) and Stromswold’s (2002) theory of language processing. It is also discussed why German-speaking children showed different language comprehension abilities than English-speaking children.
Identifer | oai:union.ndltd.org:Potsdam/oai:kobv.de-opus-ubp:5956 |
Date | January 2010 |
Creators | Meinhardt, Miriam |
Publisher | Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät. Institut für Linguistik / Allgemeine Sprachwissenschaft |
Source Sets | Potsdam University |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | MastersThesis |
Format | application/pdf |
Rights | http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/ |
Page generated in 0.0027 seconds