Zur Behandlung von Tumorerkrankungen sind radioaktiv markierte Antikörper als hochaffine und selektive Radioimmuntherapeutika von zunehmender Bedeutung. Allerdings ist der Einsatz solcher radioaktiv markierter Antikörper bei der Behandlung strahlenresistenter solider Tumore limitiert, weil infolge ihrer hohen Blutverweildauer und nur langsamen Anreicherung im Zielgewebe, bedingt durch ihre Molekülgröße, der gesamte Organismus einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt wird. Eine Alternative dazu stellt die Strategie des Pretargeting von Tumoren dar. Die Intention dieses Prinzips besteht darin, mittels einer mehrstufigen Applikationsfolge die Injektion eines targetspezifischen Antikörper-Konjugates und einer kleinen radioaktiv markierten Verbindung zu trennen, welche zueinander ein komplementäres System bilden.
Eine Substanzklasse die erstmals von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) als potentielles komplementäres System für Tumor-Pretargeting-Anwendungen untersucht wurden ist, sind spiegelbildliche bzw. L konfigurierte Oligonukleotide. Aufgrund ihrer hohen metabolischen Stabilität, geringen Immunogenität und sehr geringen Spezifität zu natürlich vorkommenden potentiellen Bindungspartnern sind L-Oligonukleotide, im speziellen L-DNA-Derivate, das ideale System bzgl. der In-vivo-Hybridisierung zwischen einem tumorspezifischen Antikörper und der radioaktiv markierten Chelateinheit. Das verwendete Pretargeting-System besteht aus den Radionuklid markierbaren Komponenten NOTA-L-DNA-(0-20kDa)-PEG 6a-e sowie DOTA-GA-L-DNA-10kDa-PEG 8d und aus der targetspezifischen Antikörper-Einheit, deren Entwicklung eines der Aufgabengebiete der vorliegenden Arbeit darstellte. Als Antikörper wurde dabei der klinisch zugelassene chimäre monoklonale Antikörper Cetuximab (Handelsname Erbitux®, C225) verwendet, welcher mit sehr hoher Affinität an das Oberflächenprotein „Epidermaler Wachstumsfaktor Rezeptor“ (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR) bindet.
Die Zielstellung dieser Arbeit beinhaltete vor allem die In-vitro- und In-vivo-Charakterisierung des L-DNA basierenden Pretargeting-Systems im Hinblick darauf, ob das Internalisierungsverhalten von Cetuximab einen limitierenden Faktor für seine Anwendung in Pretargeting-Experimenten darstellt.
Es konnten zwei mit der komplementären L-DNA (c-L-DNA) modifizierte Cetuximab-Derivate mit einem niedrigen (n = 1,5) und einem hohen (n = 5) Konjugationsgrad an c-L-DNA hergestellt werden. Zur radiopharmakologischen Charakterisierung wurden beide Konjugate zusätzlich mit NOTA funktionalisiert und entsprechende Verfahren zur Markierung mit dem Radiometallnuklid 64Cu erarbeitet. Die Reaktionsparameter sowohl bei der Synthese als auch bei der Radiomarkierung wurden hinsichtlich des pH-Wertes, der Temperatur und der mechanischen Beanspruchung so gewählt, dass einerseits der Affinitätsverlust in Bezug zum nativen Cetuximab möglichst gering gehalten wird und andererseits die erarbeiteten Protokolle sich perspektivisch auch auf andere Antikörper übertragen lassen.
Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit bestand darin, die Internalisierungsgeschwindigkeit der beiden Cetuximab-Konjugate NOTA3-C225-(c L DNA)1,5 und NOTA3-C225-(c-L-DNA)5 im Hinblick auf deren Eignung für In vivo-Pretargeting-Experimente zu bewerten. Dabei wurde festgestellt, dass bereits nach 24 h an A431- und FaDu-Zellen 50 - 70% des auf der Zelloberfläche gebundenen Antikörpers nicht mehr für die Bindung der radioaktiv markierten Komponente zur Verfügung stand. 72 h nach der Antikörperapplikation waren sogar 80 - 90% des extrazellulär gebundenen Antikörpers internalisiert. Besonders diese hohe Internalisierungsrate könnte im Hinblick auf In-vivo-Anwendungen problematisch sein und eine geringe Tumorakkumulation der radioaktiv markierten Komponente bewirken.
Infolge der Konjugation von Cetuximab mit p-SCN-Bn-NOTA 3, GMBS 9 und 17mer-c-L-DNA 2 war eine Änderung der pharmakologischen Eigenschaften von Cetuximab nachweisbar. Insbesondere dadurch, dass die Antikörpermodifikation vorrangig an den Aminogruppen der Lysin-Einheiten erfolgte und durch das 17fach negativ geladene Phosphatrückgrat des Oligonukleotids, wurde eine starke Anionisierung der Oberflächenladung und damit eine Verringerung des isoelektrischen Punktes festgestellt. Dennoch bestätigten Kompetitionsbindungsstudien an A431- und FaDu-Gesamtzellhomogenat für alle untersuchten Antikörper-Derivate unabhängig vom Konjugationsgrad deren sehr hohe Affinität zum EGFR. Auch die an intakten Zellen berechneten KD-Werte unterstreichen dies. Einzig die Bindungskapazität weist dabei eine Abhängigkeit zum Konjugationsgrad auf, sodass trotz sehr guter Ki- und KD-Werte auf eine Verringerung der Affinität infolge der Antikörpermodifikation zu schließen ist. Interessant ist auch, dass nach einem Zeitraum > 4 h eine zweite Bindungsphase auftritt, welche möglicherweise durch eine Reexpression des EGFR aus intrazellulären Kompartimenten, infolge der Internalisierung des Rezeptor-Antikörperkomplexes, hervorgerufen wird.
Außerdem wurde untersucht, inwieweit die unterschiedlichen und sterisch sehr anspruchsvollen PEG-Substituenten der 17mer-L-DNA die Hybridisierung am Antikörper sowie am Rezeptor-Antikörper-Komplex an A431- und FaDu-Zellen beeinflussen. Dabei stellte sich heraus, dass die Hybridisierung am Immunkomplex in Abhängigkeit des PEGylierungsgrades vom nicht PEGylierten Konjugat [64Cu]Cu6a zum 20kDa-PEG-Derivat [64Cu]Cu6e sukzessive abnimmt. Hingegen scheint der PEGylierungsgrad bei der Hybridisierung am im Phosphatpuffer und im humanen Vollblut inkubierten Antikörper keinen Einfluss zu haben. Weiterhin wurde im Zellversuch gezeigt, dass am hoch modifizierten Cetuximab-Konjugat NOTA3-C225-(c L-DNA)5 in Abhängigkeit des Konjugationsgradunterschiedes zum niedrig modifizierten Derivat NOTA3-C225-(c L-DNA)1,5 ca. dreimal mehr Ligand hybridisiert.
Erste In-vivo-Pretargeting-Untersuchungen bestätigten, dass NOTA-L-DNA-10kDa-PEG 6d der ideale „Kandidat“ für das Pretargeting-Konzept basierend auf L-konfigurierten Oligonukleotiden ist. Besonders die wesentlich höhere Tumorakkumulation von [68Ga]Ga6d (10kDa-PEG) im Vergleich zu den anderen untersuchten L-DNA-Konjugaten [68Ga]Ga 6a-c (0, 2, 5kDa PEG) und [68Ga]Ga6e (20kDa-PEG) ist dabei von besonderer Bedeutung. Zukünftige Pretargeting-Studien sollten demnach ausschließlich mit der 10kDa-PEG modifizierten 17mer-L-DNA durchgeführt werden. Die Substitution des bifunktionalen Chelators p-SCN-Bn-NOTA 3 durch DOTA-GA-Mal 7 ermöglicht den Einsatz eines breiten Spektrums therapeutisch relevanter Radionuklide wie beispielsweise 90Y, 177Lu oder auch 67Cu. Dies konnte anhand eines ersten Pretargeting-Experimentes mit NOTA3-C225-(c L DNA)1,5 und [177Lu]Lu-DOTA-GA-L-DNA-10kDa-PEG [177Lu]Lu8d bestätigt werden.
Zusammenfassend muss aber festgestellt werden, dass Cetuximab als Antikörper für das Pretargeting aufgrund seiner Internalisierungscharakteristik nicht geeignet ist. Es zeigte sich zwar, dass nach 24 h mittels Pretargeting eine verringerte Leberakkumulation im Vergleich zum direkt markierten Cetuximab-Derivat [64Cu]Cu-NOTA-C225-(c-L-DNA)1,5 erzielt werden kann, allerdings fällt die Tumorakkumulation ebenfalls um ca. 40 – 70% niedriger aus und demnach wird eine deutlich geringere Dosis im Tumor angereichert. Dies lässt den Rückschluss zu, dass in vivo eine ähnlich hohe Internalisierung auftritt wie im In-vitro-Zellversuch ermittelt. Das Pretargeting-Intervall musste demnach auf 24 h festgesetzt werden, auch wenn zum Zeitpunkt der Applikation der radioaktiv markierten Komponente der Antikörper immer noch im vaskulären System zirkulierte. Kleintier-PET-Aufnahmen lassen allerdings vermuten, dass eine Applikation der radioaktiv markierten Komponente 48 h nach der Antikörper-Gabe bessere Verteilungsverhältnisse ergeben hätte. Der eigentliche Vorteil des Pretargetings, innerhalb weniger Stunden eine ähnlich hohe Tumorakkumulation zu erzielen, wie sie direkt markierte Antikörper erst nach mehreren Tagen aufweisen, konnte mit Cetuximab nicht verwirklicht werden.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-193974 |
Date | 14 January 2016 |
Creators | Schubert, Maik |
Contributors | Technische Universität Dresden, Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften, Prof. Dr. Jörg Steinbach, Prof. Dr. Jörg Steinbach, Prof. Dr. Marina Vogel |
Publisher | Saechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
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