Die Prävalenz für Adipositas nimmt in den industrialisierten Ländern stetig zu. Für Adipöse besteht ein 30-60-fach erhöhtes Risiko zur Ausbildung eines manifesten Diabetes mellitus 2. Der Typ-2-Diabetes ist der Endpunkt eines progressiven metabolischen Syndroms, zu dessen konstituierenden Elementen neben Hyperlipidämie primär eine Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie zählt. Die Ausbildung und Progression der Insulinresistenz wird insbesondere durch eine Adipositas gefördert. Mit dem Diabetes mellitus 2 einhergehende tonisch erhöhte Blutzuckerwerte begünstigen die Ausbildung einer diabetischen kardialen autonomen Neuropathie, welche beeinträchtigte kardiovaskuläre Anpassungsreaktionen und eine reduzierte Herzfrequenzvariabilität (HFV) bedingt.
Primärer Gegenstandsbereich dieser Arbeit ist die Identifikation von HFV-Maßen mittels einer Receiver-Operating-Characteristic-Analyse, die geeignet sind, unterschiedliche Grade der diabetischen autonomen Neuropathie zu differenzieren. Da bei Diabetikern eine erhöhte Prävalenz für eine depressive Symptomatik besteht, welche ebenfalls mit einer verminderten HFV assoziiert werden, wurde die Ausprägung der Depressivität als Kontrollvariable miterhoben. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte allerdings keine Konfundierung von Depressions- und Neuropathieeffekten bei der Neuropathiediagnostik mittels Maßen der HFV festgestellt werden. Es zeigt sich, daß die über eine Spektralanalyse ermittelte VLF- und LF-Power bzw. der SDNN-Index sensitiv für leichte diabetische Neuropathie ist. Demgegenüber ist der im Rahmen dieser Arbeit über ein regressionsanalytisches Verfahren für den spezifischen Frequenzbereich 0.09-0.5Hz bestimmte ß-Exponent des 1/fß-Spektrums besonders sensitiv für schwere diabetische Neuropathie. Dies ermöglicht erstmals eine differentielle Neuropathiediagnostik, die ausschließlich auf einer HFV-Analyse beruht. Es zeigte sich weiterhin, daß gegenüber der üblichen HFV-Analyse eines 24h-Zeitraums (Tag u. Nacht) mit der ausschließlichen HFV-Analyse des Tageszeitraums eine signifikant höhere diagnostische Performance bei der Neuropathiediagnostik zu erzielen ist.
Eine Analyse des emotionalen Befindens der Adipösen in Abhängigkeit von der Ausprägung der diabetischen Neuropathie unterstützt die Annahme, daß eine leichte Neuropathie mit einer vorübergehenden Verbesserung des emotionalem Befindens assoziiert ist. Es werden die Implikationen für die Neuropathiebehandlung diskutiert.
Eine weiterer Gegenstandsbereich dieser Arbeit ist die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Nüchternblutzucker, Körperfettanteil, systolischem Ruheblutdruck, körperlicher Fitneß, emotionalem Befinden, Depressivität und sympathovagaler Balance bei adipösen Personen ohne Anzeichen einer Neuropathie. In diesem Kontext wird die HFV als hinreichend valider Indikator für den Status der sympathovagalen Balance interpretiert. Die Untersuchungsergebnisse unterstützen die Annahme einer gleichsinnigen Kovariation zwischen beeinträchtigem emotionalen Befinden und sympathovagaler Balance bzw. zunehmendem Körperfettanteil und sympathovagaler Balance. Dies läßt den Schluß zu, daß eine mehrfach rückgekoppelte selbstverstärkende Dynamik zwischen beeinträchtigem emotionalen Befinden, zunehmendem Körperfettanteil und abnehmender körperlicher Fitneß besteht, welche die Progression eines metabolischen Syndroms fördert. Diesen Schluß unterstützt ein Vergleich des emotionalen Befindens einer Normgruppe mit dem emotionalem Befinden der untersuchten Adipositasgruppe, nachdem sich Adipöse als depressiver und erschöpfter und weniger aktiv und entspannt einschätzen.
Der Vergleich der Ausprägung spezifischer Persönlichkeitsdispositionen einer Normgruppe mit der Ausprägung der entsprechenden Persönlichkeitsdispositionen in der untersuchten Adipositasgruppe lassen auf eine verminderte Kompetenz adipöser Personen schließen, negativen Affekt intrinsisch herabzuregulieren. Des weiteren konnte bei Adipösen eine Disposition für Kompulsivität festgestellt werden. Es wird daraus der Schluß abgeleitet, daß bei Adipösen vermutlich eine Serotoninbalance vorherrscht, die das Auftreten depressiver Stimmungslagen begünstigt. Vor diesem Hintergrund wird angenommen, daß das emotionale Essen (speziell von Kohlenhydraten) bei Adipösen eine externalisierte Form der Herabregulation negativen Affekts ist und tendenziell antikompulsiv und antidepressiv wirkt. Im Kontext mit dem tonisch beeinträchtigtem emotionalen Befinden Adipöser werden auch die neurophysiologischen Implikationen für die Etablierung von suchtähnlichem Eßverhalten analysiert.
Des weiteren wurde in dieser Arbeit die mathematische Formalisierung der basalen Bestimmungsstücke der PSI-Theorie mit dem PSI-Modell erfolgreich abgeschlossen. Das PSI-Modell erlaubt die konsistente Ableitung der Persönlichkeitsstile im STAR-Modell über die entsprechende Parametrisierung der Sensibilitäten für (die Selbstverstärkung bzw. Herabregulation) positiver und negativer Affekt(e).
Schlüsselwörter in Englisch:
Obesitas, Syndrome X, Neuropathy, Heart Rate Variability, Power spectral analysis, 1/f-noise, Approximate Entropy, Emotional State, Personality Traits, PSI-Model.
Schlüsselwörter in Deutsch:
Adipositas, Metabolisches Syndrom, Neuropathie, Herzfrequenzvariabilität, Spektralanalyse, 1/f-Rauschen, Approximative Entropie, Emotionales Befinden, Persönlichkeitsdispositionen, PSI-Modell.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-osnabrueck.de/oai:repositorium.ub.uni-osnabrueck.de:urn:nbn:de:gbv:700-2000091415 |
Date | 14 September 2000 |
Creators | Bröcker, Thomas |
Contributors | Prof. Dr. Josef Rogner, Prof. Dr. Jürgen Kriz |
Source Sets | Universität Osnabrück |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/zip, application/pdf |
Rights | http://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/ |
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