Escherichia coli als probiotischer Wirkstoff von Arzneimitteln - Molekulare und funktionelle Charakterisierung gesundheitsfördernder Stämme

Aus E. coli bestehende probiotische Produkte wie Mutaflor (Ardeypharm, Herdecke) und Symbioflor 2 (SymbioPharm, Herborn) werden seit Jahrzehnten erfolgreich für die Behandlung gastroenterologischer Erkrankungen verwendet. Die Probiotika gelten aufgrund der langjährigen Erfahrung als sicher. Seit ca. 20 Jahren werden zunehmend Studien ins Leben gerufen, welche sowohl die Wirkung der Produkte klinisch bestätigen als auch die bisher unbekannten Wirkmechanismen aufklären sollen.
Das in Mutaflor enthaltene Bakterium E. coli Nissle 1917 wurde bereits erfolgversprechend in klinischen Studien zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa getestet und wird seither als therapeutische Alternative zur Standardmedikation eingesetzt. Auch die Wirkung von Symbioflor 2 bei Erwachsenen und Kindern mit Reizdarmsyndrom konnte in ersten klinischen Studien belegt werden.
Es gibt bereits zahlreiche Forschungsarbeiten mit E. coli Nissle 1917, die sich mit der molekularen Charakterisierung des Stamms befassen. Auch das Genom des Stamms wurde sequenziert. Dennoch fehlen schlüssige Argumente, welche Gene, Genprodukte und molekularen Mechanismen den probiotischen Effekt von EcN bewirken.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde nun das Produkt Symbioflor 2 näher untersucht. Es besteht aus den sechs E. coli-Genomotypen G1/2, G3/10, G4/9, G5, G6/7 und G8, die ursprünglich aus dem Habitat eines Spenders isoliert wurden. Alle sechs Genome inklusive der insgesamt zwölf natürlich enthaltenen Plasmide wurden sequenziert, annotiert und manuell nachbearbeitet. Die sechs E. coli-Genomotypen repräsentieren zusammen das im Produkt Symbioflor 2 enthaltene Pangenom. Somit konnten genomisch kodierte Virulenz- und Fitnessfaktoren analysiert werden. Ein Vergleich mit einer Vielzahl anderer bisher sequenzierter E. coli ermöglichte eine Einordnung der Symbioflor 2 E. coli in das Cluster der apathogenen E. coli.
Unter Verwendung eines in vitro Testsystems mit humanen intestinalen Epithelzellen konnte gezeigt werden, dass die probiotischen Stämme E. coli Nissle 1917 und E. coli G3/10 im Gegensatz zu Kontrollstämmen die Adhärenz enteropathogener E. coli signifikant hemmen. In weiteren Versuchen konnten dann kleine ribosomal synthetisierte und antibakteriell wirksame Moleküle, in EcN die Mikrozine M und H47, für diesen Effekt verantwortlich gemacht werden. In der Folge wurde auch in E. coli G3/10 ein neues, bisher unbeschriebenes Mikrozin detektiert, welches Mikrozin S genannt wird. Zudem konnten vier Gene auf dem Plasmid pSYM1 lokalisiert werden, die unterschiedliche Funktionen bei der Produktion von Mikrozin S haben. Zwei der Gene kodieren am Transport beteiligte Proteine. Ein kleiner Leserahmen konnte als das Mikrozin S-kodierende Gen mcsS identifiziert werden. Ein weiteres Gen vermittelt eine Immunität gegenüber Mikrozin S. Seine Expression in einem zuvor sensitiven Stamm macht diesen resistent gegenüber der Wirkung von Mikrozin S. Erst im September 2011 erfolgte ein erster Eintrag in die NCBI-Datenbank, in dem die Gensequenz von mcsS plasmidkodiert in einer Shigelle annotiert als hypothetisches Protein aufgeführt ist. Dem Gen wurde keine Funktion zugewiesen. Wird die Expression von mcsS in dem E. coli-Laborstamm MDS42 in Abwesenheit eines Immunitätsproteins induziert, wirkt das Peptid toxisch auf die bakteriellen Zellen. Mikrozin S kann zudem anhand seiner Aminosäuresequenz und der genetischen Organisation in die Mikrozine-Klasse IIa eingeordnet werden.
Mikrozine können vielfältig verwendet werden, haben jedoch im Vergleich zu Bakteriozinen Gram-positiver Bakterien bisher zu wenig Beachtung gefunden. Anwendungsmöglichkeiten liegen in der Lebensmittelindustrie, der Human- und Veterinärmedizin, wo Mikrozin S nah verwandte Gram-negative Bakterien im Wachstum hemmen bzw. abtöten könnte. Zum Beispiel wird im Rahmen dieser Arbeit die Wirkung von E. coli Nissle 1917 und E. coli G3/10 auf enterohämorrhagische E. coli in vitro getestet. Es wird gezeigt, dass das von E. coli G3/10 gebildete Mikrozin S eine Adhärenzminderung aller verwendeten EHEC-Stämme an humane intestinale Epithelzellen vermittelt. Da EcN nur einen der vier getesteten EHEC-Stämme inhibiert, wurden Untersuchungen begonnen, die die Ursache dafür thematisieren.
Die in dieser Arbeit generierten Ergebnisse bilden die Grundlage für weitere Studien zu den in dem Produkt Symbioflor 2 enthaltenen E. coli. Zudem können umfangreiche Analysen von Mikrozin S, wie die Reinigung des Proteins, seine Produktion in großem Maßstab und die Testung von Anwendungsmöglichkeiten fortgeführt werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:26109
Date26 July 2012
CreatorsZschüttig, Anke
ContributorsGunzer, Florian, Röske, Isolde, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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