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Methodik zur flächendifferenzierten Analyse und Bewertung von stofflichen Hochwasserrisiken

Die bisherigen Untersuchungen zu den Folgen extremer Hochwasserereignisse beschäftigten sich überwiegend mit den durch hohe Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten verursachten direkten und tangiblen Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen. Den durch schadstoffhaltiges Hochwasser hervorgerufenen direkten und indirekten sowie in der Regel intangiblen Konsequenzen für Mensch und Umwelt ist - insbesondere im Hinblick auf deren räumliche Verteilung - im Rahmen des Hochwasserrisikomanagements nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet worden.

Während Hochwasserereignissen können toxische Stoffe - wie beispielsweise Arsen, Blei, Cadmium oder Quecksilber sowie persistente organische Kontaminanten wie DDT oder HCH - aus belasteten Gewässer- und Ufersedimenten sowie Altstandorten und Altablagerungen freigesetzt werden. Diese Stoffe werden von der Hochwasserwelle aufgenommen, zum überwiegenden Teil partikulär gebunden transportiert und bei nachlassender Fließgeschwindigkeit und ablaufendem Hochwasser als Sedimente in den Überflutungsbereichen deponiert. In Abhängigkeit von der Nutzung der überschwemmten Gebiete sind nach einem Hochwasser unterschiedliche Rezeptoren den abgelagerten Sedimenten und darin enthaltenen Schadstoffen in der Regel langfristig ausgesetzt. Mögliche Rezeptoren sind zum Beispiel Menschen, Nutz- und Wildtiere, Futter- und Nahrungspflanzen sowie Böden mit ihren spezifischen Bodenfunktionen.

Kern dieser Arbeit ist die Entwicklung einer räumlich differenzierten Methodik zur integrierten Analyse und Bewertung von stofflichen Hochwasserrisiken. Um deren Anwendbarkeit zu überprüfen, wird die entwickelte Methodik im Rahmen einer Fallstudie an Überflutungsbereichen entlang des Unterlaufes der Vereinigten Mulde zwischen Bitterfeld und Priorau erprobt, wobei der Fokus auf dem Rezeptor Mensch liegt.

Die Methodik basiert auf der Integration von Verfahren der Hochwasserrisikoanalyse und der Schadstoffrisikoanalyse. Diese werden unter Verwendung eines angepassten Source-Pathway-Receptor-Consequence-Konzeptes kombiniert. Die Methodik besteht aus drei größeren Hauptelementen: (1.) der Gefahrenanalyse, (2.) der Expositionsanalyse und (3.) der Schadstoffrisikocharakterisierung und -bewertung. Die Gefahrenanalyse beschreibt die Freisetzung, den Transport und die Ablagerung der Stoffe in Abhängigkeit von der Hochwassercharakteristik, den Substanzeigenschaften sowie den Verteilungsprozessen nach der Ablagerung, beispielsweise dem Transfer vom Boden in die Pflanze. Ergebnisse der Gefahrenanalyse sind Karten der Schadstoffquellen in Form räumlich verteilter Stoffkonzentrationen in Umweltmedien wie Böden und Pflanzen.

Die Expositionsanalyse stellt die Verbindung zwischen den Schadstoffquellen und den Rezeptoren her. Bindeglied sind Expositionspfade, beispielsweise die orale Aufnahme von kontaminiertem Boden oder der Verzehr von Pflanzen, die auf belasteten Böden angebaut werden. Teil der Expositionsanalyse ist eine so genannte Rezeptoranalyse, die - aus Landnutzungstypen abgeleitet - Vorkommen bestimmter Rezeptoren identifiziert und diese charakterisiert. Dabei bezieht die Rezeptoranalyse sowohl die räumliche Verteilung der Rezeptoren als auch deren Eigenschaften ein. Für den Rezeptor Mensch sind dies etwa physiologische Parameter wie Körpergewicht oder Atemrate sowie verhaltensbezogene Parameter wie Zeit-Aktivitätsbudgets oder Nahrungsaufnahmeraten. Daran anschließend wird mit der Expositionsanalyse im engeren Sinne die Exposition der Rezeptoren gegenüber bestimmten Stoffen quantifiziert, indem Transfer- und Aufnahmeraten von Expositionsmedien wie Boden, Nahrung oder Luft ermittelt und mit den darin enthaltenen Stoffkonzentrationen in Beziehung gesetzt werden. Ergebnis der Expositionsanalyse sind räumlich explizite Darstellungen der inneren Exposition, d.h. täglich aufgenommener resorbierter Schadstoffmengen.

Darauf folgend werden im Zuge der Risikocharakterisierung die Effekte der Exposition mit Hilfe von Dosis-Wirkungsbeziehungen analysiert, die dann in Form von toxikologisch begründeten Referenzwerten als Basis für die finale stoffbezogene Risikobewertung dienen. Diese erfolgt durch Vergleich der inneren Exposition mit toxikologischen Referenzwerten in Form von tolerablen Aufnahmeraten. Die gesundheitlichen Risiken werden durch den Quotienten aus resorbierter Dosis und tolerabler Dosis beschrieben und als stoff- und pfadspezifischer Risikoindex flächenhaft dargestellt. Abschließend erfolgt eine Bewertung der Risiken mittels einer die Unsicherheiten der Referenzwerte berücksichtigenden Bewertungsfunktion.

Die Methodik ist in Form eines GIS-basierten Rechenmodells umgesetzt und im Rahmen einer Fallstudie an der Vereinigten Mulde für verschiedene hydraulische Szenarien im Sinne simulierter Abflüsse verschiedener Jährlichkeiten - 100, 200 und 500 Jahre - erprobt worden. Als ausgewählte Ergebnisse liegen räumlich differenzierte Risikobewertungen für die Stoffe Arsen, Cadmium, Quecksilber und Blei unterschieden nach den Expositionsmedien Boden/Hausstaub, Luft sowie pflanzliche Nahrung vor. Exemplarisch seien hier ausgewählte Bewertungsergebnisse in Form des sogenannten Gefahrenwertes für ein HQ500-Szenario dargestellt: Durch die orale Aufnahme von Arsen über Boden/Hausstaub wird für den Rezeptor Kleinkinder räumlich begrenzt die Risikoschwelle überschritten, wobei die Handlungsschwelle nicht erreicht wird. Die Ergebnisse für Cadmium, Quecksilber und Blei liegen deutlich unter der Risikoschwelle. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Aufnahme über die Luft. Hier wird bei lebenslanger Exposition für Arsen die Risikoschwelle überschritten, für die anderen Stoffe werden Gefahrenwerte weit unter der Risikoschwelle ermittelt. Bezogen auf den Verzehr von Nahrungspflanzen aus Eigenanbau zeigen sich bei lebenslanger Exposition für Cadmium großräumig erhebliche Überschreitungen des Handlungsschwellenwertes. Für die anderen Stoffe finden sich nahezu flächendeckend Überschreitungen des Risikoschwellenwertes, die aber nicht an die Maßnahmenschwelle heranreichen. / Research on the consequences of flood events has so far focused on direct tangible damages to buildings and infrastructure caused by high water levels and flow velocities. In the context of flood risk management only little interest has been paid to direct and indirect as well as dominantly intangible consequences caused by flood pollutants to human and ecological receptors - especially taking their spatial distribution into account.

During floods toxic substances such as trace elements (e.g. Arsenium, Cadmium, Mercury, Lead, Zinc) and persistent organic pollutants (e.g. HCHs, DDX) can be released from contaminated river bank sediments or former industrial sites. These substances are taken up by the flood water, get transported - mainly bound to fine particles - and get deposited as sediments in the floodplain in case of decreasing flow velocities. Depending on the land use in the floodplain, different receptors can be exposed to the sediments with the associated contaminants. Potential receptors are humans, livestock, wild animals, food and fodder plants as well as soils with their specific soil functions.

The core of this thesis is the development of a spatially explicit methodology which enables the integrated analysis and evaluation of substance-based flood risks. To test the applicability, the developed methodology is applied within a case study dealing with floodplains along the lower reaches of the Vereinigte Mulde River situated between Bitterfeld and Priorau (Saxony-Anhalt, Germany). In this case study, the focus is on the receptor man or, more specifically, human health.

The methodology is based on an integration of procedures from the fields of flood risk analysis and contaminant risk analysis. These procedures are integrated using an adopted Source-Pathway-Receptor-Consequence concept. The three main elements of the methodology are hazard analysis, exposure analysis and contaminant risk determination and evaluation. At first, the hazard analysis describes the release, transport and deposition of substances based on flood characteristics and substance properties as well as fate and transfer processes after sedimentation (e.g. soil-to-plant transfer). Results of the hazard analysis are maps of spatially distributed substance concentrations in environmental media such as soils and plants, i.e. the (secondary) contaminant sources.

Within the exposure analysis the linkages between the contaminant sources and the receptors are described. Connecting elements are exposure pathways such as the ingestion of contaminated soil or the consumption of food produced on such soils. Part of the exposure analysis is a so-called receptor analysis which indicates and characterises potential human receptors that are derived from land-use types. The receptor analysis takes the receptors\' spatial distribution as well as certain properties into account. Taking the receptor human, these properties are physiological parameters such as body weight or respiration rate and behavioural parameters, e.g. activity budgets or food consumption patterns. Subsequently, with the exposure analysis in a narrower sense, the exposure of the receptors to a certain substance is quantified by calculating transfer and intake rates of exposure media such as soil, food or air taking into account the corresponding substance concentrations in these media. Results of the exposure analysis are spatially explicit representations of absorbed contaminant amounts for a certain receptor, i.e. daily resorbed exposure doses.

In the course of the contaminant risk determination, the effects (consequences) of the receptors\' exposure are analysed by dose-response relationships, setting the basis for the final substance-based risk assessment in terms of toxicologically derived reference values. Health risks are expressed as ratio between calculated resorbed dose and tolerable resorbed dose and are presented as maps of substance- and pathway-specific risk indices. In a final step, an evaluation is carried out based on a method that takes the uncertainty of the toxicological reference values into account.

The methodology has been implemented in a GIS-based calculation model and was applied within a case study to simulate floods with certain return periods (100, 200, and 500 years). Selected results are spatially differentiated risk evaluations for the substances arsenic, cadmium, mercury and lead distinguished based on the exposure media soil/house dust, air and home-grown vegetable food. Taking the 500-year flood-scenario and the risk evaluation value as an example, the following results have been derived: the oral intake of arsenic via soil/house dust leads to a spatially restricted exceedance of the risk level of the receptor infant, whereas the action level is not reached. The results of cadmium, mercury and lead are clearly below the risk level. A similiar pattern shows for the pulmonary intake via air. Based on lifetime exposure, the risk level for arsenic is exceeded, for all other substances the values are far below the risk level. Considering the intake of cadmium via consumption of home-grown vegetables, the action level is notably exceeded in large areas. The other substances show a nearly general exceedance of the risk level without reaching the action level.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:14-qucosa-138404
Date25 March 2014
CreatorsSauer, Axel
ContributorsTechnische Universität Dresden, Fakultät Umweltwissenschaften, Prof. Dr. Jochen Schanze, Prof. Dr. Gerd Wessolek, Prof. Dr. Jochen Schanze, Prof. Dr. Gerd Wessolek
PublisherSaechsische Landesbibliothek- Staats- und Universitaetsbibliothek Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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