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Neuron:Glia-Verhältnis in der Netzhaut verschiedener Raubtiere

Gegenstand dieser Arbeit war die Untersuchung von Raubtiernetzhäuten hinsichtlich ihrer zellulären Zusammensetzung in der Peripherie. Anhand der Neuron:Glia-Verhältnisse sollte festgestellt werden, ob alle Raubtiere ähnliche Zellverhältnisse in der Netzhaut aufweisen und welche funktionellen Besonderheiten daraus resultieren können. Es wurde nach Rückschlüssen gesucht auf allgemeine Regeln, nach welchen sich die Säugetiernetzhaut auch in der Peripherie abseits des zentralen scharfen Sehens in ihrer Funktion und Leistungsfähigkeit den Lebensbedingungen anpasst. Im Focus der Betrachtung stand dabei die Müller-Radialgliazelle mit den sie umgebenden Neuronen, welche gemeinsam als funktionelle Einheit in Form einer Zellsäule den Grundbaustein der Netzhaut darstellt. Bereits zuvor wurde bei diesen radiären Säulen eine nicht-stochastische Verteilung der Zellverhältnisse festgestellt, was bedeutet, dass die Anzahl der Neurone je Müllerzelle im Wesentlichen durch die Anzahl der Zellteilungen der späten Vorläuferzellen bestimmt wird und daher mit einer spezifischen Zunahme der Stäbchenanzahl verbunden ist. So wurde eine Korrelation der retinalen Zellverhältnisse mit der Art des vorherrschenden Photorezeptors bzw. der Lebensweise der betreffenden Spezies angenommen. Tagaktive Spezies waren in früheren Arbeiten durch oligozelluläre Netzhautsäulen aufgefallen, während sich nachtaktive Säugetiere durch zellreiche radiäre Säulen auszeichneten. Diese Ansätze sollten weiter verfolgt werden.
Raubtiere sind für eine erfolgreiche Jagd auf eine rasche und präzise Wahrnehmung ihrer Umwelt angewiesen. Dabei kommt dem Sehsinn besondere Bedeutung zu. Dieser muss den Lebens- und Jagdgewohnheiten optimal angepasst sein. Räumliches Sehen und Entfernungseinschätzung sind dabei ebenso wichtig wie eine besonders gute Sehschärfe, ein großes Gesichtsfeld und das Erkennen von Formen und Bewegungen bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen. Bei dem Zusammenspiel verschiedener Komponenten, welche den Raubtieren zu einem optimalen Sehen bei Tag und Nacht verhelfen, nimmt die Netzhaut eine zentrale Rolle ein.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden 17 Vertreter von neun verschiedenen Raubtierspezies betrachtet. Dazu wurden Präparate ihrer Netzhäute verwendet, in welchen die Müller-Radialgliazellen immunhistochemisch durch ein Immunperoxidaseverfahren dargestellt worden waren, jeweils mit dem Primärantikörper α–GFAP, α–Glutaminsynthetase oder α–Vimentin V3B4. Die Gegenfärbung der Zellkerne erfolgte mit Haemalaun. Von diesen Präparaten wurden am Lichtmikroskop mit einer digitalen Kamera Bilder erstellt und im Computer gespeichert. Die morphometrische Auswertung der Aufnahmen erfolgte mit der Software analySIS pro 5.0. Auf diese Weise konnten die Zelldichten in der Netzhaut bestimmt und die zelluläre Zusammensetzung der retinalen Säulen als Zahlenverhältnis von Neuronen je Gliazelle dargestellt werden.

Anhand der ermittelten Ergebnisse lassen sich zur vorliegenden Arbeit folgende wesentliche Aussagen treffen:
1. Unter Berücksichtigung der präparationsbedingten Gewebeschrumpfung liegt die Dichte der Müllerzellen etwa zwischen 8.000 – 14.000 Zellen/mm², die der Photorezeptoren im Wesentlichen bei 200.000 – 500.000 Zellen/mm².
2. Die Dichte der Müllerzellen ist zwischen den Arten relativ konstant und unabhängig von der Dichte der Neuronen in der Netzhaut.
3. Je Müllerzelle ist weniger als eine Ganglienzelle zu finden, in der inneren Körnerschicht sind einer Müllerzelle etwa drei bis sechs Neuronen zuzuordnen. In der äußeren Körnerschicht liegen annähernd 22 bis 42 Photorezeptoren pro Müllerzelle vor. Insgesamt findet sich ein Zellverhältnis von ca. 30 – 50 Netzhautneuronen je Müllerzelle.
4. Es wird ersichtlich, dass die radiären Säulen in der mittleren Netzhautperipherie eine vergleichsweise hohe Zellzahl aufweisen. Dabei ist in erster Linie die große Anzahl an Photorezeptorzellen maßgeblich.
5. Innerhalb der Ordnung der Raubtiere ist anhand der vorliegenden Ergebnisse keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Spezies oder zwischen der Familie der Felidae und der Canidae anhand der Neuron:Glia-Verhältnisse in der Netzhautperipherie möglich.
6. Die gefundenen Zellzahlenverhältnisse zeigen eine starke Konvergenz bei der Signalverarbeitung in der mittperipheren Netzhaut an. Dies lässt auf eine hohe Lichtempfindlichkeit im peripheren Gesichtsfeld auf Kosten der Sehschärfe in diesem Bereich schließen.
7. Alle untersuchten Raubtiere teilen die Eigenschaft der Nachtaktivität bzw. teilweise der Dämmerungsaktivität und alle weisen multizelluläre radiäre Säulen in der peripheren Netzhaut auf. Dies unterstützt die Hypothese, dass die Zusammensetzung der Netzhautsäulen neben der Verwandtschaft ganz wesentlich aus der Lebensweise der Säugetiere resultiert.
8. Für die Nutzung von Boden oder Bäumen als Jagd-/ Lebensraum ließ sich bei den untersuchten Raubtieren hingegen kein Zusammenhang mit einer entsprechenden Spezialisierung der peripheren Netzhaut finden.

Die ermittelten Ergebnisse ergänzen die vorhandene Datenlage in der Literatur hinsichtlich der zellulären Verhältnisse in der mittleren Netzhautperipherie von Raubtieren. Dies mag als Basis für künftige Untersuchungen sowie Vergleiche zwischen den Ordnungen dienen.
Abschließend werden in dieser Arbeit Überlegungen angestellt zu medizinischen Gesichtspunkten und Forschungsbestrebungen bei der Erkrankung von Auge und Netzhaut, und in wie weit dem wachsenden Wissen um die Müller-Radialgliazelle dabei eine tragende Rolle zufallen kann.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa.de:bsz:15-qucosa-115160
Date10 June 2013
CreatorsGörner, Andreas
ContributorsUniversität Leipzig, Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Reichenbach, Dipl.-Biochem. Heidrun Kuhrt, Prof. Dr. Ingo Bechmann, Prof. Dr. Johann Helmut Brandstätter
PublisherUniversitätsbibliothek Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf

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