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Disubstituted 1,2,3-Triazoles: A Multitool for Biomolecular Chemistry

Der zentrale chemische Baustein der vorliegenden kumulativen Dissertation ist der 1,2,3-Triazol und dessen unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten in der Peptidchemie. Die hier präsentierten Studien können grob in zwei Teilgebiete eingeordnet werden: Gerüstmolekül-basierte Multimerisierung peptidischer Liganden durch Kupfer(I)-katalysierte Azid-Alkin Cycloaddition (CuAAC) und der Einsatz von 1,2,3-Triazolen als nichtnatürliche Struktur¬bausteine von Peptidomimetika. Der zweite Themenkomplex umfasst sowohl den biomimetischen Ersatz von Peptidrückgratelementen als auch die Substitution von makrozyklischen und linearen Seitenkettenmotiven. Hierfür kam zusätzlich zu der genannten CuAAC-Chemie auch eine Ruthenium(II)-katalysierte Variante (RuAAC) zum Einsatz. Die genannten synthetischen Methoden wurden erfolgreich für die Synthese verschiedener Triazol-haltiger peptidischer Substanzen angewendet und hinsichtlich der Durchführung in Lösung vor allem aber auch an der festen Phase vorangebracht.
Experimente zur Konstruktion wohldefinierter multivalenter Biokonjugate wurden mit fünf unterschiedlichen Peptidliganden und zwei regioselektiv addressierbaren funktionalisierten Platformmolekülen  so genannten RAFT (regioselectively addressable functionalized template)  durchgeführt. Die CuAAC-Kupplung gelang mit stöchiometrischer Konversion der Edukte zu den gewünschten verzweigten Peptidoligomeren und lieferte moderate bis gute Ausbeuten. Eines der synthetisierten Konstrukte beinhaltete vier Kopien einer „RGD“ Sequenz und zusätzlich einen Fluoreszenzmarker. Die genannten bioaktiven Peptidliganden können den GPIIb/IIIa Rezeptor binden und dadurch die Aggregation von Bltuplättchen inhibieren. Somit könnte dieses Gerüstmolekül-basierte multivalente Konstrukt für Fluoreszenzmikroskopie von GPIIb/IIIa-exprimierenden Zellen geeignet sein. Allerdings wurden keine detaillierten biologischen Untersuchungen mit diesem Biokonjugat durchgeführt, da ohnehin nur mit einem sehr geringen therapeutischen bzw. diagnostischen Nutzen zu rechnen ist. Desweiteren bleibt anzumerken, dass bis zum heutigen Zeitpunkt fortschrittlichere Biokonjuga¬tionsmethoden entwickelt worden sind, die nicht der Übergangsmetallkatalyse bedürfen. Dennoch stellt die beschriebene Studie eine Blaupause für die erfolgreiche Synthese heteromultivalenter Peptidkonjugate dar. Die berichtete Methode wird unter anderem weiterhin in der Arbeitsgruppe von Prof. Kolmar in verschiedenen Projekten zum Aufbau Gerüstmolekül-basierter Konstrukte mit anderen Peptidliganden verwendet, die therapeutisches oder diagnostisches Potential besitzen.
Eine weitere sehr vielversprechende Anwendung von 1,2,3-Triazolen beruht auf den besonderen physikochemischen Eigenschaften dieser stickstoffhaltigen aromatischen Heterozyklen. Sie können in Wasserstoffbrückenbindungen sowohl als Akzeptoren als auch Donatoren wirken, sind polar und besitzen eine gute Wasserlöslichkeit. Diese Faktoren und die Möglichkeit, selektiv 1,4- oder 1,5-disubstituierte 1,2,3-Triazole durch die Wahl des Übergangsmetallkatalysators der verwendeten Azid-Alkin Zykloaddition auszubauen, machen diese Baueinheit zu einem geeigneten nichtnatürlichen Ersatz von Amidbindungen. Es ist somit möglich, das Peptidrückgrat durch ein Hydrolyse-resistentes Biomimetikum zu ersetzen und darüber hinaus entweder in der trans- oder der cis-Konformation einzufrieren. Dieses Konzept wurde für das Design und die Synthese von peptidomimetischen Varianten des monozyklischen sunflower trypsin inhibitor-1 (SFTI-1[1,14]) herangezogen. Zu diesem Zweck wurde eine Strategie verwendet, welche Mikrowellen-unterstützte Fmoc-basierte Peptidfestphasensynthese (Fmoc-SPPS) mit CuAAC- oder RuAAC-Kupplungen an der festen Phase kombinierte. Die gewünschten Verbindungen konnten so in ausreichenden Mengen synthetisiert werden, um damit sowohl strukturelle Untersuchungen als auch in vitro Inhibitionstests durchzuführen. Die gelösten Kristallstrukturen von Trypsin-Inhibitor-Komplexen durch Röntgenbeugungsexperimente beweisen die erfolgreiche Synthese der funktionalen Peptidomimetika mit nichtnatürlichen Rückgratelementen. Desweiteren konnte gezeigt werden, dass mit diesem Ansatz auch die der nativen Struktur entgegenstehenden Amidkonformationen erzwungen werden können. Somit kann zum Beispiel an einer ausgewählten Stelle in der Aminosäurensequenz ein cis-Mimetikum installiert werden. Dieses ist insofern bemerkenswert, als cis-Peptidbindungen sehr selten in der Natur zu finden sind und meist nur vor Prolinresten auftreten. Diese Technik ermöglicht es demnach, neue peptidische Strukturen zu erzeugen, die mit dem kanonischen Repertoire nicht erreichbar wären. Wie erwartet führte das „Einfrieren“ einer dem natürlichen Rückgrat gegensätzlichen Amidkonformation beim SFTI-1 zu einer signifikant verminderten Bioaktivität. Schließlich gibt einem diese Methode die Möglichkeit an die Hand, bestimmte Peptidsegmente in einem Molekül gegen enzymatische Degradation zu schützen, was zu einer verbesserten in vivo Stabilität führen sollte.
Zwei weitere Studien hatten zum Inhalt, den Effekt von 1,2,3-Triazol-basierten Disulfidaustauschen auf die Bioaktivität von SFTI-1[1,14] zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden vier Seitenkettenmakrozyklisierungsmotive unterschiedlicher Länge und Form anstatt des natürlichen Cystins mittels kommerziell erhältlicher Bausteine installiert. Wieder kam einer Kombination aus Fmoc-SPPS und CuAAC oder RuACC an der festen Phase zum Einsatz. Die intramolekulare Reaktion ergab die gewünschten Triazole-verbrückten peptidomime¬tischen Verbindungen mit einem 1,4- oder einem 1,5-Disubstitutionsmuster. Die reinen Produkte wurden sowohl mittels Infrarot- und 2D-Kernresonanzspektroskopie als auch durch Massenspektrometrie (Elektrospray-Ionisation) charakterisiert. In vitro Inhibitionsunter¬suchungen zeigten, dass die Substitutionsart des Makrozyklisierungsmotivs einen dramatischen Einfluss auf die Bioaktivität hatte. Interessanterweise waren die Varianten mit einem 1,5-Muster potente Trypsininhibitoren und besaßen Substrat-unabhängige Inhibitionskonstanten Ki im einstellig nanomolaren bis subnanomolaren Bereich. Die 1,4-Gegenstücke hingegen zeigten eine signifikant verminderte Bioaktivität im Vergleich zum Wildtyp. Die Länge der verbrückenden Einheit zwischen dem Peptidrückgrat und dem Triazolebaustein hatte einen nicht so entscheidenden Einfluss. Diese in vitro-Ergenisse wurden durch molekulare Modellierung bestätigt, da in diesen in silico Experimenten eine bessere Übereinstimmung mit der Struktur des nativen Peptids für das RuAAC-Produkt beobachtet wurde. Somit wird die Verwendung von 1,5-disubstituierten 1,2,3-Triazolen als Disulfidbrückenersatz empfohlen. Allerdings sollte die geeignete Länge des Makrozyklisier¬ungsmotivs für jeden biologischen Kontext neu evaluiert werden.
Sowohl die vier SFTI-1-Derivate mit „Triazolbrücken“ als auch die beiden nativen mono- und bizyklischen Varianten wurden auf ihre Aktivität gegen die pharmazeutisch relevante Protease Matriptase getestet. Überraschenderweise wurde für alle sechs genannten Peptide eine dramatisch schlechtere Affinität als gegen Trypsin gemessen. Diese Beobachtung war unerwartet, da ein negatives elektrostatisches Oberflächenpotential am aktiven Zentrum von Matriptase Anlass für ausgeprägte attraktive Wechselwirkungen zwischen dem positiv geladenen SFTI-1-Gerüst und dem Enzym geben sollte. Um dieses kontraintuitive Ergebnis weiter zu untersuchen, wurde ein in silico Experiment mit Hilfe der Software YASARA structure und einem angepassten AMBER-basierten Kraftfeld in zwei Schritten durchgeführt. Zuerst, wurde eine Molekulardynamik Simulation durchgeführt. Danach wurden 100 Einzelstrukturen aus den erhaltenen Trajektorien für ein lokales Docking Experiment extrahiert. Durch den zugrundeliegenden AUTODOCK-Algorithmus konnten so die freien Bindungsenergien für alle Inhibitor-Enzym-Komplexe berechnet werden. In der Tat deuteten die in silico Affinitäten auf eine stärkere Interaktion zwischen dem SFTI-1-Gerüst und Matriptase im Vergleich zur Bindung an Trypsin hin. Allerdings wurde im Vergleich zu Trypsin eine erheblich reduzierte Rate, die obligatorische canonische Orientierung im aktiven Zentrum des Enzyms zu treffen, bei den Docking Experimenten gegen Matriptase ermittelt. Eine Normalisierung der berechneten freien Bindungsenergien mit Hilfe dieses Hitfaktors gab die tatsächlich gemessenen Affinitäten aus den in vitro Assays relativ gut wieder. Eine anschließende Strukturanalyse der simulierten Trajektorien und die Berechnung der Wurzel der mittleren quadratischen Abweichung (root-mean-square deviation, RMSD) einzelner Segmente der jeweiligen SFTI-1-Varianten gaben Anlass zu der Vermutung, dass negative entropische Beiträge, die ihren Ursprung in den terminalen Regionen der Peptide haben, die generell reduzierte Bioaktivität gegen Matriptase verursachen.
Die Ergebnisse der in silico Untersuchungen lieferten wertvolle Hinweise für mögliche Strategien zur Optimierung des Inhibitors gegen die pharmazeutisch relevante Serinprotease, welche in einer weiteren Studie untersucht wurden. Es wurde beobachtet, dass die offenkettige Variante von SFTI-1 (SFTI-1[1,14]) eine leichte Präferenz in ihrer Anti-Matriptase-Wirkung gegen über dem bizyklischen Wildtyp zeigte. Somit war dieses monozyklische Peptid ein geeigneter Startpunkt für die weiteren Versuche. Struktur-geleitete Überlegungen führten zu der Identifikation von drei Positionen innerhalb der Aminosäuresequenz, die potentiell für inkrementelle verteilhafte Modifikationen geeignet waren. Zwei dieser Reste wurden jeweils mit Azid-funktionalisierten nichtnatürlichen Baueinheiten ausgestattet, um eine divergente Synthese mittels eines kombinatorischen Ansatzes zu ermöglichen. Zusätzlich wurden auch Substitutionen mit ausgewählten kanonischen Aminosäuren durchgeführt. Zusammen ermöglichte dies den raschen Aufbau einer kleinen Molekülbibliothek mit 22 Peptiden, die sich durch jeweils eine einzelne andere Seitenkettenmodifikation unterschieden. Matriptaseinhibitionstests wiesen auf mehrere vorteilhafte Seitenkettenaustausche hin. Diejenigen Modifikationen mit den ausgeprägtesten Verbesserungen wurden in einer Verbindung vereint, welche eine Ki im einstellig nanomolaren Bereich besaß. Dieses Peptid wurde SFTI-1-derived matriptase inhibitor-1 (SDMI-1) genannt und beinhaltete ausschließlich Standardaminosäuren. Dennoch wurden auch signifikante Affinitätsverbesserungen für einzelne Triazol-haltige Verbindungen gegen Matriptase beobachtet. Dies zeigte die Nützlichkeit dieses Ansatzes einer „Click-Bibliothek“ für die rasche Sondierung diverser Seitenkettenfunktionalitäten hinsichtlich bestimmter gewünschter Eigenschaften.
Wie bereits erwähnt könnte ein möglicher nachteilbehafteter entropischer Beitrag durch die Sekundärschleife von SFTI-1 die Bindung an Matriptase beeinflusst haben. Deshalb wurden die zwei C-terminalen Reste von SDMI-1 in einer weiteren Variante trunkiert. Dieses Dodecapeptid wurde SDMI-2 genannt und besaß eine vergleichbare Aktivität wie SDMI-1. Darüber hinaus wurde ein verbessertes Selektivitätsprofil für das kürzere Peptid festgestellt, da es eine sechsfach schlechtere Aktivität gegen Trypsin als gegen Matriptase zeigte. Die entwickelten Verbindungen könnten wertvolle Peptidliganden für weitere Biokonjugationseperimente darstellen und werden derzeit auf eine mögliche Patentanmeldung geprüft. So zum Beispiel würde die direkte Ankopplung von Radionukliden, welche für Positronenemissions- oder Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (positron emission tomography  PET, single-photon emission computed tomography  SPECT) geeignet sind, evtl. eine Anwendung als diagnostische Werkzeuge für in vivo Bildgebung ermöglichen. Desweiteren ist das Potential für weitere Affinitäts- und Selektivitätsverbesserungen in Bezug auf Matriptase oder auch andere Proteasen von pharmazeutischer Relevanz noch nicht erschöpft.
Die in dieser kumulativen Dissertation vorgestellten und durch Fachleute begutachteten Artikel tragen dazu bei einen vielseitigen Werkzeugkasten für das Design und die Synthese von peptidomimetischen Verbindungen mit Hilfe von disubstituierten 1,2,3-Triazolen aufzubauen. Die vorgestellten Ergebnisse sind von Interesse für die biomolekulare Chemie im Allgemeinen und die Peptidchemie im Speziellen sein.

Identiferoai:union.ndltd.org:tu-darmstadt.de/oai:tuprints.ulb.tu-darmstadt.de:3304
Date January 2013
CreatorsEmpting, Martin
Source SetsTechnischen Universität Darmstadt
LanguageGerman, English
Detected LanguageGerman
TypePh.D. Thesis, NonPeerReviewed, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis
Formattext
RightsCC-BY-NC-ND 2.5 de - Creative Commons, Attribution Non-commerical, No-derivatives, info:eu-repo/semantics/openAccess
Relationhttp://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/3304/

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