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Selektive körperbezogene Aufmerksamkeitsprozesse und ihre Bedeutung für die Entstehung und Aufrechterhaltung des gestörten Körperbildes bei Jugendlichen mit Anorexia und Bulimia nervosa / Selective body-related attention allocation and its relevance for the development and maintenance of body image disturbance in adolescents with anorexia and bulimia nervosa

Bauer, Anika 11 August 2017 (has links)
Theoretischer Hintergrund: Die Entstehung und Aufrechterhaltung von Körperbildstörungen, einem Kernsymptom von Anorexia nervosa (AN) und Bulimia nervosa (BN), scheint Studien zufolge mit einer defizitorientierten Aufmerksamkeitsausrichtung bei der Be-trachtung des eigenen Körpers assoziiert zu sein. Die Befundlage hinsichtlich des körperbezogenen Aufmerksamkeitsbias ist jedoch diskrepant und basiert größtenteils auf Studien an erwachsenen Stichproben. Bislang ist ungeklärt, wie jugendliche Patientinnen mit Essstörungen ihren eigenen sowie einen fremden Körper visuell verarbeiten. Dies ist aufgrund des Manifestationsgipfels von AN und BN in der Adoleszenz jedoch von hoher Relevanz. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde zunächst in einer Überblicksarbeit die aktuelle Befundlage zu körperbezogenen Aufmerksamkeitsprozessen bei Frauen und Männern dargelegt. In Studie 1 wurde das körperbezogene Blickbewegungsmuster zwischen weiblichen Jugendlichen mit verschiedenen Essstörungsdiagnosen sowie klinischen und nicht-klinischen Kontrollprobandinnen verglichen. In Studie 2 wurde eine zeitliche Sequenzierung des körperbezogenen Blickbewegungsmusters bei weiblichen Jugendlichen mit AN und gesunden Kontrollprobandinnen vorgenommen, um potentiell unterschiedliche Verarbeitungsmodi in frühen oder späten Phasen des visuellen Verarbeitungsprozesses zu identifizieren. Hierbei sollte untersucht werden, ob sich die in der klinisch-psychologischen Angstforschung etablierte Vigilanz-Vermeidungs-Theorie auf den Essstörungskontext übertragen lässt. In Studie 3 wurde das körperbezogene Blickbewegungsmuster weiblicher Jugendlicher mit dem ihrer Mütter korreliert, um die intrafamiliale Transmission körperbezogener Aufmerksamkeitsprozesse zu überprüfen. Methode: Mittels Eye-Tracking wurden die Blickbewegungen von N = 141 Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren, darunter n = 30 mit AN vom restriktiven Typus, n = 26 mit AN vom Binge Eating/Purging-Typus, n = 22 mit BN, n = 20 klinische Kontrollprobandinnen mit Angststörungen sowie n = 43 gesunde Kontrollprobandinnen, bei der Betrachtung des eigenen sowie eines fremden Körpers erfasst und in Bezug zu subjektiven Attraktivitätseinschätzungen der eigenen und fremden Körperbereiche gesetzt (Studie 1). Bei n = 56 Jugendlichen mit AN und n = 43 gesunden Kontrollprobandinnen wurde der zeitliche Verlauf der Aufmerksamkeitsausrichtung bei Betrachtung des eigenen Körpers durch Sequenzierung des 6000-ms-Darbietungszeitraums in 1000-ms-Intervalle analysiert (Studie 2). Das Blickbewegungsmuster bei der Betrachtung des eigenen sowie eines fremden Körpers von n = 41 weiblichen Jugendlichen ohne psychische Störung und ihren Müttern wurde korreliert. Zudem wurde bei n = 36 Mutter-Tochter-Paaren der Zusammenhang zwischen dem Blickbewegungsmuster der Mutter bei der Betrachtung des Körpers ihrer Tochter und dem Blickbewegungsmuster der Tochter hinsichtlich ihres eigenen Körpers analysiert (Studie 3). Ergebnisse: Jugendliche mit und ohne Essstörungen blickten bevorzugt auf Körperbereiche des eigenen sowie des fremden Körpers, die sie als unattraktiv einschätzten, wobei dies bei Patientinnen mit AN vom restriktiven Typus signifikant stärker ausgeprägt war als bei den Kontrollprobandinnen (Studie 1). In der initialen Phase des visuellen Verarbeitungsprozesses zeigten Jugendliche mit AN eine signifikant stärkere Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu unattraktiv bewerteten Bereichen des eigenen Körpers als gesunde Kontrollprobandinnen (Studie 2). Das Blickbewegungsmuster von Müttern und ihren Töchtern hinsichtlich des jeweils eigenen Körpers sowie hinsichtlich des Körpers der Tochter korrelierte signifikant (Studie 3). Diskussion: Jugendliche mit Essstörungen zeigten ein defizitorientiertes Aufmerksamkeitsmuster sowie eine initiale Hypervigilanz für unattraktiv bewertete Körperbereiche. Diese Ergebnisse legen die Implementierung spezifischer therapeutischer Interventionen im Kontext der Körperbildtherapie nahe, beispielsweise die gezielte Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf positiv(er) bewertete Bereiche im Rahmen der Körperkonfrontation oder die Umlenkung des Aufmerksamkeitsfokus durch computergestützte Attentional-Bias-Modification-Trainings. Die signifikanten Zusammenhänge zwischen den Blickbewegungsmustern von Müttern und ihren Töchtern unterstreichen die Rolle des familiären Umfelds hinsichtlich der Entwicklung eines gestörten Körperbildes und bieten mögliche Ansatzpunkte für präventive und ggf. therapeutische Maßnahmen in der Kernfamilie.

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