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Zusammenhang zwischen Bestands-, Gruppengröße und Indikatoren des Tierwohls in der konventionellen Schweinemast / Relationship between herd-, group size and indicators of animal welfare in conventional pig fattening farmsMeyer-Hamme, Sophie 11 February 2016 (has links)
In der Vergangenheit hat der Tierschutzgedanke in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen. Viele Verbraucher verbinden moderne landwirtschaftliche Nutztierhaltung primär mit hohen Tierzahlen auf engem Raum und daraus vermeintlich resultierenden Defiziten im Tierschutz. Der Begriff „Massentierhaltung“ wurde zum Synonym für wenig tiergerechte Haltungssysteme. Er wird vor allem in den Medien stark diskutiert und ist eindeutig negativ besetzt. Neben der Bestandsgröße steht besonders die Gruppengröße in der Kritik. Die Kenntnisse über die kausalen Beziehungen zwischen Tierwohl/Tierverhalten und konventioneller Tierhaltung bzw. Bestands- und Gruppengrößen sind dabei ausgesprochen gering, und zwar sowohl auf theoretischer wie auf empirischer Ebene. In der Literatur vorhandene Studien beziehen lediglich einzelne Teilaspekte des Tierschutzes und nur bestimmte Tierarten in ihre Auswertungen mit ein. Insbesondere für die Mastschweinehaltung, die in der aktuellen Tierschutzdebatte besonders im Fokus steht, gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit dem Einfluss der Bestands- bzw. Gruppengröße auf das Tierwohl beschäftigen.
Aus diesem Grund sollten im Rahmen der vorliegenden Studie belastbare Aussagen über den Zusammenhang von Tierwohlindikatoren und der Bestands- sowie Gruppengröße abgeleitet werden. Die Bestandsgröße wurde definiert als die gesamte Anzahl Tiere einer Nutzungsrichtung an einem Standort. Die Gruppengröße beschreibt die Anzahl Schweine pro Bucht bei konstantem Platzangebot pro Tier. Darüber hinaus sollte Auskunft über die Tiergerechtheit konventioneller Schweinemastbetriebe gegeben werden. Dies könnte zu einer wesentlichen Versachlichung der gesellschaftlichen Diskussion beitragen.
Insgesamt wurden 60 Schweinmastbetriebe mit Hilfe des Welfare Quality®-Protokolls für Schweine bewertet. Unter Berücksichtigung der Betriebsgrößenentwicklung in der deutschen Schweineproduktion und in Anlehnung an die Einteilung der Betriebe nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG, 2013) wurden die untersuchten Betriebe in drei Bestandsgrößen-Kategorien (jeweils 20 Betriebe/Kategorie) eingeteilt: 1) klein = < 1.500 Mastplätze, 2) mittel = 1.500 bis 3.000 Mastplätze und 3) groß = 3.000 Mastplätze. Es wurden nur konventionell arbeitende Betriebe mit den am weitesten verbreiteten Haltungsverfahren (Planbefestigter Boden, Zwangsbelüftung, Automatische Fütterung) in die Untersuchungen einbezogen. Die teilnehmenden Betriebe hielten durchschnittlich 2.641 Schweine, wobei die Zahl der Mastplätze zwischen 260 und 11.000 variierte. Die Mehrheit der Betriebe (92%) hielt die Tiere auf Voll- und 8% auf Teilspaltenböden. Die Gruppengröße variierte von 10 bis 350 Schweinen pro Bucht (Mittelwert: 20 Schweine/Bucht, Median 16 Schweine/Bucht). Um den Einfluss der Gruppengröße auf das Tierwohl betrachten zu können, wurden drei Gruppengrößen-Kategorien definiert: klein: < 15 Schweine/Bucht, n = 207 Buchten; mittel: 15 bis 30 Schweine/Bucht, n = 257; groß: > 30 Schweine/Bucht, n = 136. Im Durchschnitt betrug das Platzangebot 0,83 m2/Schwein (0,31 m2 bis 2,5 m2/Schwein).
Das Welfare Quality® Protokoll ist ein vornehmlich tierorientiertes Indikatorensystem, das der umfassenden Beurteilung des Wohlergehens von Nutztieren auf Betriebsebene dient. Es beinhaltet vier verschiedene Stufen, über die aus den ursprünglich 34 Indikatoren in einem hierarchischen Aggregierungsprozess 12 Kriterien, 4 Grundsätzen und schließlich ein einziger Gesamtscore gebildet wird. Die Betriebe wurden auf dieser Basis als „ausgezeichnet“, „verbessert“, „akzeptabel“ oder „nicht klassifiziert“ eingestuft. Die drei Bestandsgrößen- sowie Gruppengrößen-Kategorien wurden anhand der Mittelwerte aus der Tierwohl-Bewertung des Protokolls miteinander vergleichen. Der Betrieb wurde als zufälliger Effekt berücksichtigt.
Annähernd 80% der Betriebe wurden als „verbessert“ klassifiziert; alle anderen Betriebe als „akzeptabel“. Grundsätzlich ist das Tierwohl-Niveau damit als eher niedrig einzustufen. Die Bestandsgröße hatte keinen signifikanten Effekt auf die Ausprägung des Gesamtscores. Auf der Grundsatz- und auf der Kriterienebene konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bestandsgrößen-Kategorien abgesichert werden. Der Grundsatz „Gute Fütterung“ erzielte mit Abstand die höchste Punktzahl, obwohl das dazugehörige Kriterium „Abwesenheit von Durst“, aufgrund teilweise erheblicher Mängel bei der Wasserversorgung nicht die volle Punktzahl erreichte. Das Kriterium „Liegekomfort“ des Grundsatzes „Gute Haltung“ wird mit Hilfe des Verschmutzungsgrades und dem Vorkommen von Bursitis bewertet. Im Mittel waren auf den 60 Betrieben, unabhängig von der Bestandgröße, 34,7% der Schweine von moderater Bursitis betroffen. Damit war Bursitis der am häufigsten vorkommende Indikator. Der Verschmutzungsgrad der Tiere nahm dagegen signifikant mit steigender Bestandsgroße zu (P < 0,05): in kleinen Betrieben betrug der Anteil moderat verschmutzter Tiere 10,7%, in mittleren 14,7% und in großen Beständen 20,6%. Hierbei ist das Fütterungssystem als möglicher Einflussfaktor zu diskutieren. Der Score für das Kriterium „Bewegungsfreiheit“ betrug im Durchschnitt 72 von 100 erreichbaren Punkten. Unter Berücksichtigung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (2006) wurde festgestellt, dass etwa 40% der Buchten überbelegt waren.
Der Grundsatz „Gute Gesundheit“ erzielte mit durchschnittlich 29,1 von 100 Punkten den schlechtesten Wert aller Grundsätze. Das dazugehörige Kriterium „Abwesenheit von Verletzungen“ bezieht unter anderem den Indikator Wunden ein. Mit einem Durchschnitt von 10,5% moderat verwundeten Schweinen über alle 60 Betriebe ist der Anteil vergleichsweise hoch. Die Schlachtbefunde fließen in das Kriterium „Abwesenheit von Krankheiten“ ein. Der Anteil Tiere mit veränderten Lungen war in kleinen Betrieben (4,2%) tendenziell geringer als in mittleren (11,6%) und größeren Betrieben (10,7%). Bei dem Schwänzekupieren und Kastrieren der Ferkel wurde kein Anästhetikum verwendet. Dadurch erzielte das Kriterium „Abwesenheit von Schmerzen“ eine geringe Punktzahl.
Der Grundsatz „Artgemäßes Verhalten“ erreichte im Schnitt ebenfalls nur einen geringen Score von knapp über 30 von 100 Punkten. Ursächlich hierfür waren Defizite beim Erkundungsverhalten (Kriterium „Sonstiges Verhalten“) und die schlechte Bewertung des „emotionalen“ Zustandes der Tiere. Intensive Haltungssysteme werden oft hinsichtlich der mangelnden Ausübung von arttypischen Normalverhalten kritisiert.
Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass die Bestandsgröße als Indikator für unzureichendes Wohlergehen nicht geeignet ist. Eine hohe Anzahl an Mastschweinen pro Bestand deutet nicht automatisch auf eine niedrige Tierwohlbewertung hin.
Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den drei Gruppengrößen-Kategorien und ausgewählten Indikatoren des Welfare Quality® Protokolls wurde festgestellt, dass die Gruppengröße einen signifikanten Effekt auf den Verschmutzungsgrad der Schweine (P < 0,05) hat. In der größten Gruppengrößen-Kategorie (15,8%) waren signifikant mehr Tiere moderat verschmutzt als in der kleinen Gruppengrößen-Kategorie (10,4%). Der Anteil moderat verwundeter Schweine nahm ebenfalls mit steigender Gruppengröße signifikant zu. In der größten Gruppengrößen-Kategorie (16,3%) war der Anteil signifikant höher als in der mittleren (11,3%) sowie der kleinen Gruppengrößen-Kategorie (8,5%). Sowohl die Indikatoren Verschmutzungsgrad und Verwundung stellen wichtige Parameter bezüglich tiergerechter Haltungssysteme da. Das Vorkommen von Schweinen mit moderater Bursitis wurde dagegen nicht von der Gruppengröße beeinflusst (P > 0,5). Allerdings wurde in großen Gruppen signifikant häufiger eine gute Mensch-Tier-Beziehung beobachtet. Damit war keine der untersuchten Gruppengrößen-Kategorien bezüglich der Indikatoren des Welfare Quality® Protokolls konsistent überlegen. Vielmehr scheint die Bedeutung der Gruppengröße, ebenso wie die der Bestandsgröße, hinsichtlich des Wohls der Tiere überschätzt zu sein. Gleichzeitig muss allerdings festgestellt werden, dass die Gesamtsituation u.a. auf Grundlage der erfassten Prävalenzen der Technopathien als unbefriedigend bezeichnet werden muss. Die Diskussion um Tierschutz und Tierwohl muss weiter geführt werden. Es müssen andere Faktoren wie z.B. das Management oder das Haltungssystem in den Fokus der Untersuchungen genommen werden, um das Tierwohl auf den Betrieben nachhaltig zu verbessern.
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