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Etablierung einer neuen Blinkreflexvariante durch Stimulation des Ramus auricularis nervi vagi und Blinkreflex-Untersuchungen bei Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom

Busch, Friedrich Clemens 02 February 2022 (has links)
Die vorliegende Studie beschreibt eine neuartige Methode der Auslösung eines Blinkreflexes (BR), welcher ein unwillkürliches Zusammenkneifen der Augenringmuskulatur darstellt, wie sie nach elektrophysiologischer Reizung des somatosensiblen Anteils des Vaguskernkomplexes am äußeren Gehörgang am Ramus auricularis nervi vagi (RANV) und anderen Stimulationsorten auftritt. Durch den Vergleich dieser neuen Methode mit ähnlichen, bereits etablierten Methoden wurde diese validiert. Etablierte Methoden sind dabei die Stimulation des Nervus (N.) trigeminus (NT) über dem Auge oder des N. medianus (NM) am Handgelenk. Darüber hinaus wurde geklärt, ob diese Methode geeignet ist, bei Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom (IPS) Veränderungen im Bereich des Hirnstammes abzubilden, wie sie bereits durch histopathologische Untersuchungen gezeigt werden konnten und diskutiert, in wie weit ausbleibende Veränderungen Rückschlüsse auf anatomische Besonderheiten in den Reflexbahnen der einzelnen Blinkreflexe zulassen und ob derartige Blinkreflexuntersuchungen in Zukunft einen Stellenwert in der Diagnostik von Hirnstammläsionen haben könnten. Das Studienprotokoll inklusive geeigneter Testparameter wurden für den neuen Blinkreflex an einem Kollektiv aus 9 Studenten erprobt, der gesamte Studienablauf unter Hinzunahme der etablierten Blinkreflexe an weiteren 11 Studenten erneut getestet. Nach Abschluss dessen wurden für die Hauptversuchsreihe über die Klinik und Poliklinik für Neurologie 30 Patienten mit IPS rekrutiert, der Schweregrad der motorischen Symptome wurde dabei erhoben (Unified Parkinsons Disease Rating Scale Part III, UPDRS-3). Als Vergleichsgruppe wurden 30 altersentsprechende Kontrollprobanden angeworben, welche nicht an IPS erkrankt waren. Allen Teilnehmern wurde zudem ein Fragebogen bezüglich der subjektiven Schlafqualität (REM-Schlafverhaltens-Fragebogen, RSBDQ) ausgehändigt und ein Demenzscreening wurde durchgeführt (Montreal Cognitive Assessment, MoCA). Neben Area-Under-Curve (AUC) und Latenzwerten nach Stimulation wurde zudem erfasst, wie oft ein Blinkreflex auslösbar war. Stimuliert wurde pro Nerv jeweils fünfmal mit einem zufälligem Inter-Stimulus-Intervall von mindestens 20 Sekunden, nachdem für jede Stimulationsart und -seite eine sensible Reizschwelle manuell bestimmt wurde. Der neuartige RANV-BR konnte in dieser Studie in beiden Vergleichsgruppen wesentlich zuverlässiger als der NM-, aber etwas weniger zuverlässig als der NT-BR ausgelöst werden. Nach statistischen Vergleichen konnte in den Latenz- und AUC-Werten zwischen den IPS Patienten und Kontrollprobanden in keinem der BR-Varianten ein signifikanter Unterschied ermittelt werden. Dies galt auch, durch multiple Regressionsanalyse bestätigt, nach Anpassung an die Ergebnisse des RBDSQ Fragebogens und des MoCA. Darüber hinaus fand sich auch keinen Zusammenhang zwischen Latenzen bzw. AUC und dem Alter, der Krankheitsdauer, UPDRS-3-Score oder dem RBDSQ Ergebnis innerhalb der Gruppe der IPS Patienten. Diese Ergebnisse zeigen, dass der RANV-BR eine zuverlässige Methode zum Auslösen eines BR ist. Er ist nicht geeignet, um Pathologien entsprechend der anatomisch angenommenen Läsionsorte im Hirnstammbereich bei motorisch mäßig schwer betroffenen IPS Patienten nachzuweisen. Auch die etablierten BR-Varianten des NT und NM konnten keine Unterschiede aufdecken. Dies könnte beim RANV-BR an der unterschiedlichen sensiblen Versorgung des äußeren Gehörgangs liegen, welche aufgrund der embryonalen Entwicklung verschiedene Hirnnerven involviert. Eine weitere Begründung liegt daran, dass die Läsionsorte zwar in anatomischer Nähe zu bekannten Reflexbahnen liegen, aber diese nicht involvieren, da von einer Entwicklung des IPS entlang synaptischer Bahnen ausgegangen wird. Somit wären die Blinkreflexbahnen nicht unmittelbar betroffen. In weiterführenden Studien muss geklärt werden, ob schwerer betroffenen Patienten in Phasen ohne Medikation (sog. OFF-Phase) Anomalien der BR zeigen. Ein nicht untersuchter Aspekt stellte die Habituation an wiederkehrende BR dar, welche bei IPS verändert sein könnte. Hinweise auf eine gewisse Lateralität des N. vagus geben Studien, welche unterschiedliche Volumina des sonographisch dargestellten Nervens zeigten, zudem ein reduziertes Volumen bei Patienten mit IPS. Dieser Aspekt könnte in weiterführenden Studien ebenfalls in Zusammenhang mit BR evaluiert werden. Zudem muss erforscht werden, ob BR-Untersuchungen geeignete Tools darstellen, um zwischen IPS und atypischen Parkinsonsyndromen zu unterscheiden.

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