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Funktionelle Analysen von Genveränderungen in CNOT9 und deren Pathomechanismus bei Individuen mit NeuroentwicklungsstörungenBellmann, Moritz 19 March 2025 (has links)
Neuroentwicklungsstörungen umfassen eine komplexe Gruppe von Krankheitsbildern, die das zentrale Nervensystem während der Entwicklungsperiode und damit die motorischen Fähigkeiten, die Kognition, das Kommunikationsvermögen und das Sozialverhalten beeinflussen. Genetische Faktoren gelten als zentrale Ursache für Neuroentwicklungsstörungen, allerdings gelingt die Identifikation einer spezifischen molekulargenetischen Diagnose bisher nur in etwa 30% der Fälle. Hieraus ergibt sich ein anhaltender Bedarf in der Entdeckung neuer krankheitsassoziierter Gene, die mit diesen komplexen Störungsbildern assoziiert sind. Ein wesentliches Forschungsziel ist es auch, die Fälle unklarer Ursache besser zu verstehen.
Von Wintzingerode et al. präsentierte in ihrer Studie 2023 sieben Individuen, die allesamt Neuroentwicklungsstörungen aufwiesen, teils begleitet von Epilepsie. Bei ihnen wurden de novo missense Varianten im Gen CNOT9 festgestellt. CNOT9 erweist sich als bedeutender Bestandteil des CCR4-NOT-Komplexes, der in eukaryotischen Zellen insbesondere für den mRNA-Abbau mittels RNA-Deadenylierung durch Verkürzung des Poly-A-Schwanzes verantwortlich ist. Außerdem könnten dem Gen weitere Funktionen in Bezug auf Transkriptionsregulation und Proteinmodifikation zukommen.
Ein Ziel dieser Arbeit bestand darin, die Pathogenität der beschriebenen Varianten in CNOT9 funktionell zu überprüfen. Außerdem sollte die Rolle von CNOT9 in neuronalen Zellen untersucht werden, um die zugrundeliegende Pathomechanismen der CNOT9-assoziierten Neuroentwicklungsstörung besser zu verstehen.
Dazu wurde mittels CRISPR/Cas9 eine Cnot9 Knockout-Zelllinie hergestellt. Hierfür wurden murine Neuro2A-Zellen verwendet. Nach der Behandlung mit dem CRISPR/Cas9-System wurde der Knockout mittels Sanger-Sequenzierung und Western Blot bestätigt. Anschließend sollte nun der Einfluss des Cnot9-Knockouts auf die Zellphysiologie überprüft werden. Da sich bei der Generierung der Einzelzellklone erste Hinweise auf einen Einfluss der Proliferation durch Cnot9 zeigte, wurden die Unterschiede bezüglich Zellproliferation und des Zellzyklus der Knockout-Zelllinie KO2 gegenüber der Wildtyp-Zelllinie WT untersucht. Die N2A-KO2 Zellen hatten eine signifikant höhere Dopplungszeit gegenüber N2A-WT Zellen. Ein Arrest in einer bestimmten Phase des Zellzyklus konnte jedoch nicht durch den Cnot9-Knockout beobachtet werden. Da die Neuroentwicklung wesentlich von der Plastizität der Neuronen und dem Auswuchs von Neuriten bestimmt wird, wurden Knockout-Zellen und Wildtyp-Zellen in einem Neurite Outgrowth Assay verglichen. Hierbei konnte jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Länge des längsten Neurits als auch in der totalen Neuritenlänge zwischen beiden Zelllinien festgestellt werden.
Der CCR4-NOT-Komplex ist primär in eukaryotischen Zellen für den mRNA-Abbau mittels RNA-Deadenylierung durch Verkürzung des Poly-A-Schwanzes verantwortlich. Der Proteinkomplex bietet mit seinen zahlreichen Untereinheiten eine Vielzahl von möglichen Bindungsstellen für Interaktionspartner, wodurch bestimmte mRNA dem Abbau gezielt zugeführt werden kann. Somit ist ein Einfluss auf den Abbau bestimmter mRNA durch einen Cnot9-Knockout naheliegend, was durch eine Analyse des Transkriptoms von Knockout- und Kontroll-Zellen untersucht wurde. Das Transkriptomprofil zeigte signifikante Unterschiede zwischen den Knockout-Zellen und den Kontroll-Zellen. Die principle component Analyse (PCA) zeigte eine klare Separierung zwischen Knockout-Zellen und Kontroll-Zellen. Es konnten in Summe 649 differentiell exprimierte Gene durch den Cnot9-Knockout nachgewiesen werden. Davon waren mit einer Faktoränderung von mindestens 2 (fold change) 109 Gene herunterreguliert und 144 hochreguliert. Die untersuchten differentiell exprimierten Gene reicherten sich in einer gene set enrichment Analyse entsprechend ihrer zellphysiologischen Funktion in Clustern an, wobei sich 26 Gene im Cluster „Neuronale Funktionen“ und 9 Gene im Cluster „Zellzyklus“ anreicherten. Diese Beobachtung legt nahe, dass der Zellzyklus möglicherweise doch durch den Knockout von Cnot9 beeinträchtigt werden könnte.
Um die Bedeutung der CNOT9-Untereinheit für die Funktionalität des CCR4-NOT-Komplexes im mRNA-Abbau zu überprüfen, wurde die Dynamik des mRNA-Abbaus der verschiedenen differentiell exprimierten Gene aus der Transkriptomanalyse zwischen den Knockout-Zellen, Kontroll- und Wild-Typ Zellen verglichen. Um die Transkription zu unterdrücken und somit allein den mRNA-Abbau zu beobachten, wurden die Zellen mit 2µM Actinomycin D behandelt. Zur Bestimmung der mRNA-Stabilität wurden N2A-WT Zellen, N2A-C Zellen, N2A-KO1 Zellen und N2A-KO2 Zellen mit 2 µM Actinomycin D behandelt. Nach 0, 3 und 6 Stunden Inkubationszeit wurde die mRNA isoliert und die mRNA Menge mittels RT-qPCR bestimmt. In der Analyse der Halbwertszeit der untersuchten mRNA Pmp22, Atg7, Micall1, Ltk, Malsu1 und Ret konnte kein Nachweis einer veränderten mRNA-Abbaukinetik dieser Gene in N2A-KO1 und N2A-KO2 Zellen gegenüber N2A-WT und N2A-K5 Zellen erbracht werden. Von den untersuchten Genen zeigte lediglich die mRNA von Ret eine verlangsamte Abbaukinetik durch den Cnot9-Knockout. Ob dieser Effekt jedoch primär durch einen CNOT9 abhängigen mRNA-Abbau oder durch andere sekundäre Effekte verursacht wird, muss noch abschließend geklärt werden.
Eine denkbare alternative Untersuchungsmethode wäre die exakte Bestimmung der Poly-A-Schwanz-Länge der zu untersuchenden mRNA mittels tail-seq Experimenten.
Weiterhin könnte die CNOT9-Untereinheit auch eine Rolle in der zellulären Signaltransduktion während der Neuroentwicklung spielen, was für die normale Entwicklung des Nervensystems von hoher Relevanz ist.
Um diesen Aspekt der Überlegungen weiter zu verfolgen, wurde der Zusammenhang zwischen Cnot9 und möglichen Signalwegen untersucht. Hiroi et al. zeigten eine Cnot9-abhängige Stimulation von Retioninsäure in embryonalen Mauszellen (Teratokarzinom). Dabei ergaben sich Hinweise auf einen Komplex, der sich aus CNOT9, ATF-2 und RAR zusammensetzt. In dieser Studie wurde außerdem festgestellt, dass Retioninsäure (RA) in Verbindung mit CNOT9 an den Jun-Promotor bindet, wobei die Autoren diese Bindung auf das 'differentiation response element' (DRE) zurückführten. Kitabayashi et al. identifizierten die Konsensus-Sequenz des DRE und bezeichneten sie in ihrer Untersuchung als 'RA or E1A response element' (RERE). Um eine potentielle Beeinträchtigung der Funktion von CNOT9 durch Knockout oder missense Varianten zu überprüfen, wurden Reporter Gen Assays durchgeführt. Dazu wurden Reportergene verwendet, bei denen durch einen basalen Promoter die Expression der Gaussia Luziferase (Gaussia princeps) gesteuert wird. Bei den RAR (retinoid acid receptor) Konstrukten (RAR-Gau) bzw. RERE (RA or E1A response element) Konstrukten (RERE-Gau) wurden 4 DNA-Bindungsmotive bzw. 4 mutierte Bindungsmotive (mRAR bzw. mRERE, verringerte Bindung von RAR bzw. RERE) vor den Promoter kloniert, wodurch die Aktivität des RAR bzw. des RERE quantifiziert wurde. Die Reportergene wurden zusammen mit den Expressionsplasmiden der CNOT9-Varianten kotransfiziert. Hierbei konnte kein Unterschied der Reporter-Gen-Aktivität zwischen den mit Kontrollvarianten (p.(Arg292Gln) und p.(Ile77Val)) und den mit Patientenvarianten (p.(Arg46Gly), p.(Pro131Leu), p.(Arg227His), und p.(Arg292Trp)) transfizierten N2A-KO2 Zellen festgestellt werden. Der angewendete Reporter Gene Assay ist daher nicht geeignet, um Auswirkungen von missense Varianten in CNOT9 auf die Funktion eines retioninsäureabhängigen Signalweges zu beurteilen.
Da krankheitsursächliche Varianten in CNOT1, 2, 3 und 9 zu Neuroentwicklungsstörungen führen, scheint es naheliegend, dass pathogene Varianten in den anderen Genen des CCR4-NOT-Komplexes ebenfalls mit dieser Erkrankung assoziiert sind. Die Ergebnisse legen nahe, dass selbst innerhalb der einzelnen Gene des Komplexes verschiedene Pathomechanismen für die Ausprägung der Neuroentwicklungsstörungen verantwortlich sein können. Diese verschiedenen Pathomechanismen könnten wiederrum unterschiedliche Phänotypen zwischen den Varianten einer Untereinheit bedingen. Zusammenfassend muss auch festgehalten werden, dass der scheinbar offensichtliche Pathomechanismus eines gestörten mRNA-Abbaus nicht universell für den gesamten Komplex und jede seiner Untereinheiten anwendbar ist.
Obwohl verschiedene Methoden wie die Zellzyklusanalyse, der Neurite Outgrowth Assay, der Reportergene-Assay, die qPCR und die Transkriptomanalyse angewandt wurden, konnte kein hochdurchsatzfähiger Assay identifiziert werden, um den Effekt der Varianten auf CNOT9 zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen dennoch, dass der Knockout von Cnot9 das mRNA-Profil der Zellen beeinflusst hat und die Zellproliferation beeinträchtigt wurde. Die Analyse von Proliferation und Zellzyklus scheint derzeit ein vielversprechender Ansatz für weitere Experimente zu sein. Die Ergebnisse dieser Arbeit legen nahe, dass den CNOT9-assoziierten Neuroentwicklungsstörungen verschiedene Pathomechanismen zugrunde liegen. Zudem zeigt die vorliegende Arbeit, dass die Interpretation des Pathomechanismus ohne die Durchführung funktioneller Studien lediglich begrenzt möglich ist, da der augenscheinliche Mechanismus in Wirklichkeit deutlich komplexer sein kann.:1 Einleitung
1.1 Neuroentwicklungsstörungen
1.1.1 Charakterisierung
1.1.2 Spektrum
1.1.3 Prävalenz
1.1.4 Ursachen
1.2 Genetische Diagnostik
1.2.1 Arten der genetischen Ursachen
1.2.1.1 Repeat-Erkrankungen
1.2.1.2 Imprinting-Erkrankungen
1.2.1.3 Copy Number Variation
1.2.1.4 Single Nucleotide Variation
1.2.2 Diagnostische Verfahren bei NDD
1.3 CRISPR/Cas9
1.3.1 Bedeutung der Knockout-Zelle für die funktionelle Genanalyse
1.3.2 Funktionsweise der CRISPR/Cas9
1.3.3 Zellulärer Reparaturmechanismus
1.4 mRNA-Abbau
1.4.1 Relevanz innerhalb der Zelle
1.4.2 Funktionsweise und Mechanismen des mRNA-Abbaus
1.4.2.1 Grundlegende Prinzipien
1.4.2.2 Nonsense-mediated Decay
1.4.2.3 mRNA-Abbau durch Interferenz mit miRNA
1.4.2.4 Andere Mechanismen
1.4.3 Krankheitsassoziation
1.4.3.1 CNOT1-assoziierte Entwicklungsstörungen
1.4.3.2 CNOT9-assoziierte Entwicklungsstörungen
1.4.3.3 DCPS-assoziierte Entwicklungsverzögerung
1.5 CCR4-NOT-Komplex
1.5.1 Allgemeines
1.5.2 Aufbau
1.5.3 Relevanz des CCR4-NOT-Komplexes in zellphysiologischen Prozessen
1.5.4 Mechanismen zur Deadenylierung spezifischer mRNA durch den CCR4-NOT-Komplex
1.5.5 Knockout einzelner CCR4-NOT-Untereinheiten
2 Zielstellung der Arbeit
3 Methoden
3.1 Zellkultivierung
3.2 Generierung von Knockout-Zellen mittels CRISPR/Cas9
3.3 Generierung von Expressionsplasmiden und Reportergenen
3.4 Bestimmung der Zellviabilität
3.5 Bestimmung der Proliferation
3.6 Zellzyklusanalyse
3.7 Neurite outgrowth assay
3.8 Proteinextraktion und Western Blot
3.9 mRNA Isolation und qPCR
3.10 Reporter Gene Assay
3.11 Transkriptomanalyse
3.12 Statistische Analyse
4 Ergebnisse
4.1 Knockout Cnot9
4.2 Einflüsse des Cnot9-Knockouts auf die Zellphysiologie
4.3 Überexpression von CNOT9-wt und CNOT9-Varianten in Cnot9-Knockout-Zellen
4.4 Reporter Gene Assays
4.5 Transkiptom
4.6 qPCR
5 Diskussion
6 Zusammenfassung der Arbeit
7 Literaturverzeichnis
8 Anlagen
8.1 Abbildungsverzeichnis
8.2 Tabellenverzeichnis
9 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit
10 Lebenslauf
11 Danksagung
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