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Komplettes versus partielles Ligament bracing - ein Vergleich von zwei Augmentationsvarianten zur Therapie von akuten multiligamentären KnieverletzungenHaselhoff, Franz Johann 07 January 2019 (has links)
Fragestellung:
Auf dem Gebiet der Bandverletzungen des Kniegelenks stellt die Knieluxation das schwerste Krankheitsbild dar. Die Verletzung ist selten, es existiert bisher kein evidenzbasiertes einheitliches Therapieschema und in der Literatur werden verschiedene Behandlungskonzepte diskutiert.
Die operative Therapie von Kniegelenksluxationen zeigt gegenüber konservativen Behandlungsansätzen bessere Ergebnisse. Ein operativer Eingriff im Sinne einer anatomischen Rekonstruktion sollte in den ersten drei posttraumatischen Wochen (akute Phase) erfolgen. Seit dem Jahr 2014 stellt das „Ligament bracing“ ein neues Konzept zur Therapie der akuten hochgradigen Knieluxation dar. Es zielt auf die einzeitige Wiederherstellung der biomechanisch-dynamischen Funktionalität der Kreuzbänder.
Das Ziel der vorliegenden Studie war der Vergleich der klassischen Ligament bracing Technik (komplettes Bracing [komplBr]: Nahtaugmentation + Bracing des hinteren [HKB] und vorderen Kreuzbandes [VKB]) mit einer reduzierten Technik (partielles Bracing [partBr]: nur Bracing des HKB). Weiterhin wurden epidemiologische Parameter, Begleitverletzungen und diagnostische Vorgehensweisen erfasst.
Material und Methode:
An zwei Kliniken einer Stadt (Gruppen komplBr und partBr) wurden in einem 24- Monatszeitraum 18 Patienten nach hochgradigen Kniegelenksluxationen (Typen III und IV der Schenck-Klassifikation) operativ versorgt. 16 dieser Patienten wurden in eine prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Als Ausschlusskriterien wurden Luxationsfrakturen und Voroperationen (Kreuzbandersatzplastiken) an den jeweiligen Kniegelenken definiert. In Gruppe komplBr (n=9, Alter 16-72 Jahre) wurden alle Patienten nach klassischer Ligament bracing Technik operiert: transossäre Ausziehnähte der Kreuzbänder in Kombination mit Fadenaugmentationen („Bracing“) des VKB und HKB. In Gruppe partBr (n=7, Alter 23-48 Jahre) erfolgte ein isoliertes Bracing des HKB. In beiden Gruppen erfolgte die Naht oder Rekonstruktion der Seitenbänder in Abhängigkeit des Schweregrades. Die Patienten wurden prospektiv über 12 Monate klinisch und radiologisch nachuntersucht. Neben einer ausführli- chen Dokumentation des Verletzungsausmaßes, sowie diagnostischer und therapeutischer Vorgehensweisen und Revisionsoperationen, erfolgte ein Jahr postoperativ eine klinische Untersuchung entsprechend des Formblattes IKDC 2000 (Bewertung anhand von 4 Graden; A: normal, B: fast normal, C: abnormal, D: deutlich abnomal). Weiterhin wurden zur funktionellen subjektiven Bewertung der Lysholm-Score (0 - 100 Punkte), der Tegner-Score (0 - 10 Punkte) und der kniespezifische Fragebogen nach IKDC (0 - 100 Punkte) erhoben. Im Rahmen der radiologischen Nachuntersuchung (ebenfalls ein Jahr postoperativ) wurden Standartprojektionen und gehaltene Aufnahmen (anteriore und posteriore Translation im Seitenvergleich mittels Telos-Gerät) angefertigt.
Ergebnisse:
Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen komplBr und partBr (p<0,05) ergaben sich im Tegner-Score bzgl. des geringeren Aktivitätsverlustes zugunsten der Gruppe komplBr. Daneben zeigt die Bewertung des passiven Bewegungsdefizites im Formblatt IKDC 2000 signifikante Unterschiede zugunsten der Gruppe partBr. Die Absolutwerte der gemessenen Beuge- und Streckdefizite zeigen jedoch keine signifikanten Unterschiede. Die weiteren Ergebnisse weisen keine statistisch signifikanten Unterschiede auf.
Die Abschlussbewertung des klinischen Formblattes IKDC 2000 ergab nach 12 Monaten im Mittel den Grad C (Gruppe komplBr: 3xB, 5xC; Gruppe partBr: 5xC, 2xD). Der Lysholm-Score lag zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung für das Gesamtkollektiv bei 78,3 (59-95) Punkten (83 Gruppe komplBr, 73 Gruppe partBr). Der Tegner-Score zeigte bei Gruppe komplBr vor dem Unfall im Mittel 5,3 (4-7) Punkte und bei Gruppe partBr 6,7 (6-7) Punkte. Im Rahmen der Nachuntersuchung erreichte er 4,0 (3-5) Punkte bzw. 4,3 (4-5) Punkte. Der mittlere subjektive IKDC-Score betrug nach einem Jahr im Median 65 (43-87) Punkte (Gruppe komplBr: 73, Gruppe partBr: 56).
Im Seitenvergleich zeigte sich in den gehaltenen Röntgenaufnahmen eine vermehrte mittlere anteriore Translation von 0,8 (0-2) mm (Gruppe komplBr) bzw. 2 (0-6,2) mm (Gruppe partBr) und eine vermehrte dorsale tibiale Translation von 3,7 (1-7) mm (Gruppe komplBr) bzw. 4,8 (0,8-8) mm (Gruppe partBr). Zwei Patienten boten eine Rezidivinsuffizienz des VKB (Gruppe komplBr: 0, Gruppe partBr: 2).
73 % aller Patienten (komplBr: 63%, partBr: 86%) unterlagen binnen eines Jahres einer Sekundärintervention aufgrund von Arthrofibrose.
Alle Patienten gingen zum Zeitpunkt der Einjahresuntersuchung ihrem alten Beruf nach.
Schlussfolgerungen:
Das Therapiekonzept des Ligament bracing führt sowohl in der „kompletten“ als auch in der „partiellen“ Methode – gemessen am Schweregrad der Verletzung - zu überwiegend guten Behandlungserfolgen mit tendenziell höheren Werten für das kombinierte VKB/HKB Bracing. Partielles Bracing führt zu einem signifikant höheren Aktivitätsverlust (Tegner-Score). Zudem zeigt es eine tendenziell höhere Rate von Insuffizienzen des VKB. Bezogen auf die erreichte HKB-Stabilität weisen beide Methoden sowohl stabile, als auch instabile Ergebnisse auf.
Die geringe Inzidenz des Krankheitsbildes erfordert zur Aufdeckung weiterer Unterschiede multizentrische Studien, um höhere Fallzahlen miteinander vergleichen zu können. Aufgrund der hohen Arthrofibroserate sind beide durchgeführten Methoden in der Mehrzahl der Fälle mit einem zweiten operativen Eingriff in Narkose verbunden gewesen. Dieser Erkenntnisgewinn spielt in der Patientenaufklärung für das Konzept Ligament bracing eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse dieser Arbeit legen zudem eine Überprüfung der angewendeten Nachbehandlungskonzepte nahe.
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