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Kontrollinstanzen im Musikleben der DDRKlingberg, Lars 05 May 2020 (has links)
Dass in Musik von DDR-Komponisten den Tönen als Kontext eine heimliche
politische Kommunikation mit dem Hörer anhaften konnte, hat vor
wenigen Jahren Nina Noeske in ihrer Dissertation überzeugend nachgewiesen.
Dazu hat sie eine einst von Michail Bachtin am Beispiel des Romans beschriebene und stichwortartig mit ‚Redevielfalt‘ charakterisierte Verfahrensweise auf Musik übertragen.
‚Musikalische Dekonstruktion‘ zeige sich insbesondere in Werken der um Paul Dessau gruppierten Komponisten, und zwar am unmittelbarsten bei der Verwendung von bereits besetzten Stilen, Klischees aller Art und künstlerischen Klangkonstellationen mit Wiedererkennungseffekt. Auch Gerhard Müller bezog sich in einem vor wenigen Jahren publizierten Essay auf Bachtin, wenn er auf die Eigenschaft des ‚Karnevalismus‘ als eines Charakteristikums von DDR-Musik hinwies – eine Eigenschaft, die im Westen fehlte. Es war die Übereinstimmung
in wesentlichen ästhetischen Positionen, die die von Noeske untersuchte Gruppe zusammenhielt. Bertolt Brecht und Theodor W. Adorno folgend, misstraute man stets der Verführungskraft des Lustprinzips, scheute man sich vor Sentimentalität (die gerade den Theoretikern des ‚sozialistischen Realismus‘ als unentbehrlich galt, wie Noeske feststellt) und war allergisch gegenüber ideologisch verfestigter Eindimensionalität, Eindeutigkeit und Geschlossenheit. Letztlich wurde „gegen Einheitlichkeit in jeder Hinsicht ankomponiert“. Wie Noeske meines Erachtens zu Recht betont, ist es nicht das Material an sich, nicht der Grad an Avanciertheit, der die von ihr untersuchten Arbeiten von Werken westlicher Provenienz unterscheidet. Insofern frage ich mich, ob eine oft gebrauchte Denkfigur weiterhin uneingeschränkte
Gültigkeit haben soll, die Behauptung nämlich, dass es sich bei dem in der DDR stattgefundenen musikgeschichtlichen Prozess der Emanzipation der Neuen Musik – jedenfalls in Bezug auf die Musik des von Nina Noeske untersuchten Komponistenkreises – im Wesentlichen nur um einen Nachholprozess handelte, dass also die Formalismuskampagne der SED lediglich bewirkt habe, dass sich der Einzug der im Westen bereits erprobten Kompositionstechniken in der DDR verzögerte. Denn wenigstens in einem Kriterium blieb die Neue Musik der DDR bis zuletzt trotz aller ästhetischer und politischer Opposition den Postulaten des ‚sozialistischen Realismus‘ verpflichtet: im Kriterium der bewussten Widerspiegelung von Wirklichkeit.
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