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Experimentelle Bestimmung der "Verrechnungs"-Zeiten beim Stereosehen anhand der verzögert wahrgenommenen Tiefenumkehr von bewegten, teilweise verdeckten Objekten / Delayed Stereopsis Illusion

Rosenzweig, Rainer January 2002 (has links) (PDF)
Wie viel Zeit benötigt unser 3D-Sehen? Bei pseudoskopischer Betrachtung eines undurchsichtigen Objekts („Zweig“), das räumlich vor einer zufallsgemusterten Fläche („Hecke“) liegt, erscheint das Objekt in einem Ausschnitt hinter dieser Fläche. Bewegt sich das Muster der Hecke, das räumlich vor diesem Ausschnitt wahrgenommen wird, vertikal, so nimmt man an der in Bewegungsrichtung vorderen Kante des Rechtecks eine illusionäre „Lücke“ wahr, in der die Tiefenposition des bewegten Musters undefiniert ist. Dieses Phänomen wird als Delayed Stereopsis Illusion (DSI) bezeichnet. Die „DSI-Lücke“ trägt das Muster der bewegten Fläche, ihre räumliche Tiefe wird aber irgendwo zwischen Objekt und Flächenebene wahrgenommen. Analog zu Bela Julesz´ topologischen „Niemandsländern“ an den beiden vertikalen Rändern des Quadrates, wird diese DSI-Lücke als „rechen“-zeitbedingtes Niemandsland bezeichnet. Denn anhand der Breite dieser Lücke kann man die 3D-Ermittlungszeit bestimmen, die das Gehirn für die Bestimmung der Tiefenposition des aus dem „Nichts“ auftauchenden Musters benötigt. Messdaten wurden psychophysisch mit einem Computer-generierten Modellsystem gewonnen. In drei Experimentalserien E1-E3 haben insgesamt 14 Versuchspersonen die wahrgenommene Breite der DSI-Lücke unter definierten Versuchsbedingungen mit zwei unterschiedlichen Messmethoden angegeben. Dabei wurden insgesamt 881 Einzelmessungen durchgeführt, davon 212 Einzelmessungen in E1, 384 in E2 und 285 in E3. Die Messdaten von E1 und E2 ließen anfangs vermuten, dass es beim 3D-Sehen zwei verschieden schnelle Verarbeitungswege für langsame und schnelle Bewegungen gibt. Diese Annahme wurde aber durch die Ergebnisse von E3 widerlegt: Die 3D-Ermittlungszeit hängt nicht von der Geschwindigkeit des bewegten Musters ab, sondern hat einen konstanten Wert, der – von Person zu Person unterschiedlich – zwischen 50 und 80 ms liegt. Lerneffekte und Mustereigenschaften wie z.B. Raumfrequenzen haben keinen messbaren Einfluss auf die Breite der DSI-Lücke und damit auf die 3D-Ermittlungszeit. Unter Berücksichtigung der wahrgenommenen Ortsverschiebung bewegter Muster nach de Valois und de Valois (1991) wird eine entsprechende Korrektur der aus den DSI-Lücken erschlossenen Zeiten diskutiert. In jedem Fall aber ist auch die korrigierte 3D-Ermittlungszeit wesentlich länger als die Mindestzeit von 17 ms, die nach Julesz zur Wahrnehmung dynamischer Random-dot-Stereogramme nötig ist: 17 ms sind viel zu kurz, um die Tiefenpositionen in jedem Einzelbild zu ermitteln. Unser 3D-System scheint in diesem Fall also nur zu prüfen, dass sich an den Tiefenpositionen nichts geändert hat, und hält so lange die Tiefenwahrnehmung des schwebenden Objekts konstant. [Die Untersuchung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.] / How much time does our visual system need to perform stereopsis? Viewed pseudoscopically, an opaque square floating above a random-dot pattern appears as a rectangular cut-out. When the pattern moves vertically upwards, an illusory gap with undefined depth position is perceived at the upper edge of the square. This phenomenon is called Delayed Stereopsis Illusion (DSI). The „DSI-gap” carries the pattern of the moving plane, its spatial depth, however, is perceived somewhere between the moving pattern and the cut-out. In analogy with Julesz's „noman's- land“ we called this DSI-gap „trailing-edge no-man's-land“. Its width indicates the 3-D computation time needed to determine spatial depth of the pattern, which virtually appears „from nowhere“. Data were gathered psychophysically with a computer generated model system. In three experimental series E1-E3 14 subjects marked the width of the DSI-gap under various welldefined conditions with two different methods. A total of 881 single measurements were performed, 212 of them in E1, 384 in E2 and 285 in E3. The results indicate interindividually different 3-D computation times between 50 and 80 ms. Learning, and pattern parameters like spatial frequency did not significantly influence the perceived width of the DSI-gap. Regarding the perceived shift of moving patterns according to de Valois and de Valois (1991), an adequate correction of the delays concluded from the measured DSI gaps is discussed. In any case, the minimum presentation time of 17 ms, at which Julesz´ dynamic random-dot-stereograms are just recognizable, is much too short to determine the position in depth in each single frame. The 3-D system rather seems to check that the depth situation has not changed, and maintains the percept of the floating square. [Supported by the Deutsche Forschungsgemeinschaft.]

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