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Ansätze zur Verbesserung der Effektivität der Züchtung von Apfel (Malus ×domestica BORKH.) mittels gezielter Verkürzung der juvenilen PhaseWeigl, Kathleen 31 August 2017 (has links) (PDF)
Die Effektivität der Züchtung von Apfel (Malus ×domestica BORKH.) sowie anderen mehrjährigen hölzernen Obstkulturen hängt stark von der langen juvenilen Phase der Sämlinge ab. Die juvenile Phase bei Apfelsämlingen dauert meist fünf bis zehn Jahre. Während dieser Phase sind die züchtungsrelevante Bildung von Blüten und Früchten und die Selektion von Nachkommen anhand adulter Merkmale ausgeschlossen. Die Juvenilität verlängert somit einzelne Kreuzungszyklen drastisch, was einen hohen Zeit- und Kostenaufwand für die Züchter bedeutet. Das Rapid Cycle Breeding System von Apfel ist eine neue Züchtungstechnik, die eine beschleunigte Introgression von Zielgenen, vor allem Resistenzgenen aus Wildarten, in etablierte Sorten ermöglicht. Im Gegensatz zu agrotechnischen Methoden, verkürzt diese Technik die juvenile Phase der Apfelsämlinge auf wenige Wochen. Der Einsatz frühblühender transgener Linien, welche das FRUITFULL-Homolog BpMADS4 der europäischen Silberbirke (Betula pendula Roth.) über-exprimierten, ermöglichte die Realisierung einer Kreuzungsgeneration pro Jahr. Das derzeitige Rapid Cycle Breeding System stützt sich auf die 35S::BpMADS4-Linie T1190 als Modellpflanze, deren T-DNA auf der Kopplungsgruppe 4 lokalisiert wurde. Für die Selektion von Null-Segreganten im finalen Schritt des Kreuzungsprogramms ist es entscheidend, dass blühinduzierendes Transgen und eingekreuzte Zielgene auf nicht-homologen Chromosomen lokalisiert sind.
Zur Erhöhung der Flexibilität des derzeitigen Rapid Cycle Breeding Systems im Hinblick auf die Realisierung verschiedenster Züchtungsziele befasste sich die vorliegende Arbeit mit drei Themenschwerpunkten:
(1) Erweiterung des Spektrums an frühblühenden 35S::BpMADS4-Linien, welche sich in der Kopplungsgruppe der T-DNA-Insertion und Apfelsorte von T1190 unterscheiden.
(2) Beurteilung der Eignung frühblühender 35S::BpMADS4-Linien für das Rapid Cycle Breeding im Rahmen eines Kreuzungsprogramms mit der Apfelschorf-resistenten Sorte 'Regia' und der Feuerbrand-resistenten Wildart-Akzession MAL0045 von Malus fusca (Raf.) Schneid.
(3) Vermeidung negativer Auswirkungen der konstitutiven Überexpression von BpMADS4 auf den Habitus und die Blütenmorphologie durch Verwendung eines induzierbaren Promotors. Mit Hilfe des hitzeinduzierbaren Gmhsp17.5-E-Promotors aus Soja (Glycine max) sollte ein temporäres RNAi-Silencing des apfeleigenen Blüh-repressors MdTFL1 und damit gezielt eine frühe Blüte induziert werden.
Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass:
(1) BpMADS4 erfolgreich in den Apfelsorten 'Gala Mitchgla' und 'Santana' über-exprimiert werden konnte. Mit Hilfe eines Genome Walking-Verfahrens wurden T-DNA-Insertionen in neun der elf untersuchten 35S::BpMADS4-Linien der Apfelsorten 'Pinova', 'Gala', 'Gala Mitchgla', 'Santana' und 'PNS', einem Sämling von 'Pinova', identifiziert. Als Ergänzung zu T1190 sind frühblühende Linien mit BpMADS4 auf Kopplungsgruppe 2, 5, 7, 8, 9, 10, 14, 15 und 16 verfügbar. Sequenzanalysen zeigten analog zu Ergebnissen von T1190, dass die Agrobacterium-vermittelte Transformation zu Deletionen der T-DNA (bis zu 245 bp) und im Genom (bis zu 361 bp) führte. Im Gegensatz zu T1190 wurden bei den drei transgenen Linien von 'PNS' T1189, T1236 und T1240 Vektorbackbone-Insertionen im Genom identifiziert. Entsprechende Analysen der anderen Linien sind noch ausstehend.
Die konstitutive Überexpression von BpMADS4 induzierte analog zu T1190 eine Verkürzung der juvenilen Phase auf nur wenige Wochen in allen elf 35S::BpMADS4-Linien. Dabei bewirkte die permanente Blütenbildung eine drastische Stauchung des vegetativen Sprosswachstums und gehäuftes Auftreten von Blütenanomalien.
(2) Trotz signifikanter Unterschiede in Blütenmorphologie und Pollenfunktionalität der 35S::BpMADS4-Linien zu T1190 bzw. ihren nicht-transgenen Kontrollen war deren Blütenfertilität nicht eingeschränkt. In einem Kreuzungsprogramm mit M. fusca und 'Regia' konnte gezeigt werden, dass die Linien mit T1190 vergleichbare Frucht-ansatzraten hatten. Das Programm zielte auf die Introgression der Resistenzgene gegenüber Apfelschorf (Rvi2, Rvi4) und der rosigen Apfelfaltenlaus (Sd1) aus 'Regia' und des Feuerbrand-QTLs von M. fusca oder 'Regia' (FB-F7, FB-Mfu) ab. Aus 149 F1-Sämlingen wurden mittels Marker-gestützter Selektion 37 Sämlinge identifiziert, die BpMADS4 in Kombination mit mindestens einem Resistenzmarker aufwiesen.
Acht frühblühende transgene F1-Sämlinge mit interessanter Kombination eingekreuzter Resistenzen wurden für Kreuzungen mit 'Golden Delicious' ausgewählt. Die F1-Sämlinge zeigten vergleichbare Fruchtansätze zu den entsprechenden frühblühenden 35S::BpMADS4-Linien. Mittels Marker-gestützter Selektion konnten aus 17 BC1-Sämlingen sechs BpMADS4-überexprimierende Sämlinge selektiert werden, die jedoch nur einen Teil der eingekreuzten Resistenzen vorwiesen. Letztlich ermöglichte die Kombination aus frühblühenden 35S::BpMADS4-Linien und Marker-gestützter Selektion der Nachkommen die Realisierung einer Kreuzungsgeneration pro Jahr.
(3) Für ein temporäres Silencing der MdTFL1-Gene MdTFL1-1 und MdTFL1-2 in Apfel das duale Promotorkonstrukt 619pD1-HSP::MdTFL1-1-HSP generiert wurde, bei dem zwei Gmhsp17.5-E-Sequenzen ein 323 bp CDS-Fragment von MdTFL1-1 flankierten. Es wurden fünf transgene Linien der Apfelsorten 'Pinova' und 'Gala' erzeugt. Gen-expressionsstudien bestätigten, dass ein einmaliger Hitzeschock bei 42°C für 1 h bis 2 h den Gmhsp17.5-E-Promotor erfolgreiche aktivierte. Diese Aktivierung induzierte nur ein kurzzeitiges Silencing beider MdTFL1-Gene in den transgenen Linien, welches keinen Effekt auf die Transkription von MdFT1, dem Antagonisten von MdTFL1 hatte. Multiple Hitzeschockbehandlungen über einen Zeitraum von 28 d waren weder ausreichend, ein langfristiges Silencing von MdTFL1 noch eine frühe Blüte in den transgenen Linien zu induzieren. Negative Auswirkungen des MdTFL1-Silencing auf den Habitus konnten nicht bestätig werden. Mögliche Faktoren des Ausbleibens einer frühen Blüte wurden diskutiert.
Interessanterweise zeigten Genexpressionsstudien, dass die Hitzeschock-Behand-lungen die Transkription von MdTFL1-1 und MdTFL1-2 gleichermaßen in transgenen und nicht-transgenen Pflanzen unterdrückten. In silico-Analysen identifizierten cis-regulatorische Hitzeschock-Elemente sowie flankierende TATA- und CCAAT-Box-Motive in den Promotorsequenzen beider Gene, welche bei der Reaktion pflanzlicher Gene auf Hitzestress eine Rolle spielen.
Zusammenfassend zeigten die Untersuchungen dieser Arbeit, dass aus phänotypischer Sicht alle charakterisierten elf 35S::BpMADS4-Linien sich für das Rapid Cycle Breeding eignen. Vom molekulargenetischen Standpunkt aus können die transgenen Linien erst nach Untersuchung auf Vektorbackbone-Insertionen bzw. nach deren Mapping im Genom für das System verwendet werden. Die Eignung der acht frühblühenden F1-Sämlinge als Vorzuchtmaterial kann erst nach Durchführung entsprechender Resistenzstudien beurteilt werden.
Im Gegensatz zu den frühblühenden 35S::BpMADS4-Linien hatten die HSP::MdTFL1-1-Linien keinen Nutzen für das Rapid Cycle Breeding. Dennoch belegten die Ergebnisse dieser Arbeit eine Hauptrolle beider MdTFL1-Gene in der pflanzlichen Hitzestressantwort.
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